„Auch eine Stadt kann ein Lustgarten sein“

Mit dem Begriff „Lustgarten“ assoziert man nicht unbedingt Häuser, Straßen oder ganze Städte. Die Fotokünstlerin Rut Blees Luxemburg vermag es jedoch, diesen Motiven jede Unruhe, jede Kälte, jedes Bedrohliche und jeden Lärm zu entziehen. Ihre großformatigen Nachtaufnahmen sind eine Einladung zur Kontemplation in urbanem Raum. Zu Recht finden sie sich in den Sammlungen angesehener Museen – vom Pariser Centre Pompidou bis zum Victoria and Albert Museum in London. Und seit Ende der 90er Jahre auch im Trierer Stadtmuseum. In der Sonderausstellung „Lustgarten“ zeigt das Haus ab 19. September 15 neu erworbene Fotografien der Künstlerin. 16vor sprach mit der gebürtigen Triererin, die seit 1990 im London lebt und dort seit mehreren Jahren Fotografie am renommierten Royal College of Art lehrt.

16vor: Sie wurden in Trier geboren, sind in Leiwen aufgewachsen und leben seit über 20 Jahren in London. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie wieder in Ihre Heimat zurückkehren?

Rut Blees Luxemburg: Auch London ist für mich Heimat. Aber hier habe ich die familiären Wurzeln und Erinnerungen. Eigentlich ist es wie bei Marcel Proust in der letzten Szene im Buch, wenn alle Figuren aus der Vergangenheit wieder auftauchen.

16vor (wenn der Interviewer „À la recherche du temps perdu“ gelesen hätte, wäre er auf die Idee gekommen, bei diesem überraschenden Vergleich nachzuhaken. Stattdessen fragte er dies): Kommt Ihnen durch ihr Leben in einer Metropole hier nicht schnell alles provinziell vor? Oder denken Sie nicht in solchen Kategorien?

Rut Blees Luxemburg: Ich versuche, nicht in solchen Kategorien zu denken. Das ist ein Problem von solchen Regionen wie Trier, dass sie sich selbst als Provinz verstehen. Ich freue mich natürlich auch wieder auf London. Aber hier gibt es so ein großes kulturelles Angebot…

16vor: Stellen Sie sich vor, vor der Porta steht ein Tourist, der seine viel zu weit entfernte Partnerin davor fotografieren möchte. Würden Sie helfen und Tipps geben?

Rut Blees Luxemburg: Wenn er mich fragen würde, ob ich das Bild für ihn machen könnte, würde ich das gerne tun. Aber da ich keine Menschen fotografiere, kann ich auch leider keine Tipps geben.

16vor: Tragen Sie für Schnappschüsse oder um Ideen festzuhalten immer eine Kamera mit sich?

Rut Blees Luxemburg: Nein, nur durch mein „iPhone“ habe ich immer eine Kamera dabei. Aber ich arbeite mit einer Großformatkamera, die sehr viel wiegt. Und ich brauche ein großes Stativ. Ich kann meine Bilder nicht spontan machen, es sind ja keine Snapshots.

16vor: Welche Folgen hat der Wandel von der analogen zur digitalen Fotografie für Sie?

Rut Blees Luxemburg: Es wird schwieriger, Filmmaterial zu bekommen. Und Labore zu finden, die Film noch drucken. Für die großen Aufnahmen bin ich extra nach Düsseldorf gereist, um die dort drucken zu lassen.

16vor: Ein wichtiges Merkmal Ihrer Bilder ist die Abwesenheit von Menschen. Würden sie die Atmosphäre stören oder steckt da noch etwas anderes dahinter?

Rut Blees Luxemburg: Das sind ja alles bewohnte Räume. Räume, in denen ganz viele Menschen leben. Wenn ich die jetzt noch zeigen würde, würde das Bild ein Dokument einer gewissen Zeit werden. Nur die architektonische Struktur – ohne Menschen – gibt dem Foto auch eine Zeitlosigkeit. Es geht mir auch nicht um bestimmte Personen oder Geschichten – es geht um das Große. Die Stadt, die Architektur, die Möglichkeiten, wie man da leben kann. Und nicht, wie man dort lebt.

Wenn ich beispielsweise hier (Bild oben) den Security Guard fotografiert hätte, der sonst in der Box sitzt, würde er das Bild so ausfüllen mit seiner Persönlichkeit und Identität, dass der Betrachter nicht mehr den Schritt machen würde, sich selbst in das Bild zu versetzen. Jetzt lädt der leere Stuhl den Betrachter ein, dort Platz zu nehmen und sich in dieser Box vorzustellen. Menschen würden den Bezug zum Bild blockieren.

16vor: Die Sonderausstellung im Stadtmuseum heißt „Lustgarten“. Wie kam der Titel zustande?

Rut Blees Luxemburg: Ich versuche, mit meinen Arbeiten die Sinne anzuregen. Nicht nur ein konzeptionelles Sehen, sondern auch ein sinnliches Sehen – durch die Farben und die Größe des Bildes. Ein Lustgarten bietet ein sinnliches Erleben eines Gartens, eines Raumes. Und eine Stadt kann auch ein Lustgarten sein.

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