„Auch bei Natus“

Mit einem Zeugenaufruf wandte sich die Polizei am Dienstagmorgen an die Öffentlichkeit: In der Loebstraße seien Schilder und Plakate der IG Metall entwendet worden, hieß es. Als die Pressemitteilung verschickt wurde, waren Schilder und Plakate indes schon wieder an ihre Plätze zurückgekehrt. Gewerkschafter mutmaßen, die Firma Natus GmbH & Co. KG stecke hinter der vorübergehenden Demontage. Denn das Unternehmen, das zu den größten Arbeitgebern der Stadt zählt, verfügt über keinen Betriebsrat, und auf diesen Umstand machen die Plakate aufmerksam. Es habe mehrere Kündigungen gegeben, behaupten DGB und IG Metall. Firmenchef Frank Natus wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorgängen äußern.

TRIER. Michael Cramer hat keinen Zweifel: „Am Sonntagabend waren sie noch da, am Montagmorgen nicht mehr“, erklärt der Gewerkschaftssekretär im Gespräch mit 16vor. In der Polizeimeldung, die in der Nacht zum vergangenen Dienstag verschickt wurde, heißt es: „Der Tatzeitraum konnte auf 8.30 – 10.00 Uhr am Montag eingegrenzt werden“, von Diebstahl durch „bislang unbekannte Täter“ ist die Rede. „Wir haben Strafanzeige gestellt“, berichtet Gewerkschaftssekretär Cramer, und dass die Plakate bereits am Montagabend wieder an den Laternenmasten gehangen hätten. Dort hingen sie auch am Mittwoch noch. Wer für das vorübergehende Abhängen und die Rückkehr der Hartfasertafeln verantwortlich ist, darüber lässt sich trefflich spekulieren. Doch es liegt auf der Hand, wer wenig Interesse daran haben dürfte, dass die Schilder weiterhin für Aufsehen sorgen.

Denn die deutlichen Botschaften haben einen klaren Adressaten: „Betriebsrat aber richtig gewählt – auch bei Natus“ steht auf einem Schild, „Ein Arbeitsumfeld das nicht krank macht – besser Betriebsrat – auch bei Natus“, heißt es ungelenk auf einem anderen. Ein weiterer Slogan: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Kaum verklausuliert behaupten die Verfasser der Botschaften, dass es um die Arbeitsbedingungen in dem Unternehmen nicht zum Besten bestellt sei. Was davon stimmt, ist für Außenstehende nur sehr schwer nachprüfbar, und dem Vernehmen nach gibt es auch nicht wenige zufriedene Mitarbeiter in der Firma. Doch Fakt ist: Bis dato verfügt die mehr als 600 Mitarbeiter zählende Natus GmbH & Co. KG über keinen Betriebsrat. In der Vergangenheit soll es schon mehrere Anläufe gegeben haben, ein solches Gremium zu installieren – bislang ohne Erfolg.

Natus ist nicht irgendein Betrieb. Das „global tätige Technologieunternehmen“, wie es in der Eigendarstellung heißt, zählt zu den größten privaten Arbeitgebern der Stadt. „Wir sind ein unabhängiges Familienunternehmen, dessen Denken und Handeln langfristig ausgerichtet ist“, heißt es in der firmeneigenen Unternehmensphilosophie, man baue auf „traditionelle Werten wie Vertrauen, Zuverlässigkeit, Fairness, Qualität und Innovationskraft“ und „bei alldem steht die menschliche Würde im Mittelpunkt“. Tatsächlich genießt Natus Renommee. Die Firma ist Patenunternehmen bei „Jugend forscht“, am Standort in der Loebstraße hat Natus eine Werkstatt für behinderte Menschen eingerichtet. „Die tun unheimlich viel Soziales“, sagt einer, der oft mit dem Betrieb zu tun hat. Im vergangenen Jahr zeichnete Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) das Unternehmen im Rahmen der SWR-Reihe „Ehrensache“ mit einem Sonderpreis für „Corporate Citizenship“ aus. Der Regierungschef erklärte damals: „Die besondere Verknüpfung von sozialer Verantwortung und markwirtschaftlichem Erfolg machen das Engagement der Firma Natus zu einem Modell mit Vorbildwirkung“.

Mehrere Kündigungen

Dass sich Natus gesellschaftlich engagiert, wird auch von den Gewerkschaften nicht bestritten. Doch habe die „Vorbildwirkung“ des Unternehmens spätestens dort ihre Grenzen, wo es um betriebliche Mitbestimmung gehe, heißt es. So würden derzeit Anstrengungen, einen Betriebsrat zu gründen, hintertrieben. Die Plakataktion habe zum Ziel, in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für das Problem zu wecken, so Cramer. Was er auch sagt: Vier Mitarbeiter seien in der jüngeren Vergangenheit enlassen worden. „Es ist schon merkwürdig, dass alle diese Kollegen einen Betriebsrat gründen wollten“, sagt Cramer. Zudem handele es sich zum Teil um Mitarbeiter, die schon sehr lange im Unternehmen beschäftigt seien.

Die IG Metall verlangte zwischenzeitlich von der Natus-Geschäftsführung, dass für Ende Juni zu einer Wahlversammlung eingeladen wird, auf der ein Wahlvorstand bestimmt werden soll, der dann wiederum eine Betriebsratswahl vorbereiten müsste. Ob es soweit kommt, ist derzeit noch ungewiss.  Triers DGB-Chef Christian Z. Schmitz erklärte, in dem Unternehmen existiere keine Tarifbindung. „Es gibt Bemühungen, einen Betriebsrat bei Natus zu gründen, und es gibt gute Gründe für großen Unmut in der Belegschaft“, so Schmitz am Mittwoch gegenüber 16vor. Er hoffe aber, dass Natus die faire Wahl eines Betriebsrats ermögliche; innerhalb der Belegschaft sei der Wunsch nach einem solchen Gremium groß, erklärt Schmitz, und Cramer beschreibt die Stimmung in der Belegschaft mit den Worten „Da ist richtig Druck im Kessel“. Wie ausgeprägt der Wunsch unter den Mitarbeitern ist, einen Betriebsrat zu gründen, lasse sich schwer beziffern, so Crames, doch handele es sich nicht nur um einige wenige Beschäftigte, versichert der Gewerkschaftssekretär.

Frank Natus, der auch Chef der Vereinigung Trierer Unternehmer (VTU) ist, wollte sich auf mehrmalige Nachfrage weder am Dienstag noch am Mittwoch zu den Vorgängen äußern. Er sei „in der nächsten Zeit“ für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, ließ er 16vor ausrichten.

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