„Angelika hat geliefert“

Mit 17,6 Prozent verbuchten die Grünen bei der letzten Stadtratswahl ihr bislang bestes Ergebnis, 2011 räumten sie auch bei der Landtagswahl ab. Es gäbe also Grund zur Selbstzufriedenheit, zumal man nunmehr auch im Stadtvorstand vertreten ist. Doch die guten Wahlergebnisse schlugen sich bis dato nicht in inhaltlichen Erfolgen nieder, und in Mainz scheint der Einfluss der Trierer Grünen gen Null zu tendieren. Auf einer Mitgliederversammlung richtete man selbstkritisch den Blick zurück nach vorn, kritisierte zunächst aber FDP, SPD und die CDU-Baudezernentin. Eine K-Frage will sich die Partei nicht aufdrängen lassen, doch scheint kaum vorstellbar, dass die Partei 2014 auf eine eigene Bewerberin für das OB-Amt verzichten wird. „Klaus Jensen steht uns nicht so nah, wie wir gedacht haben“, befand Schatzmeister Wolf Buchmann.

TRIER. Der Oberbürgermeister ist bekanntermaßen ein Freund moderater Töne. Bis Klaus Jensen (SPD) zur verbalen Keule greift, muss sehr viel passieren. Vor einem Monat hatten die Grünen den OB so weit: Gerade war ein weiteres Mal ein kleines Häuflein NPD-Anhänger vom Hauptbahnhof zur Porta Nigra spaziert, weshalb Teile der Innenstadt von massiven Polizeikräften abgeriegelt werden mussten, da holte die Partei zum Frontalangriff aus: „Die Stadtverwaltung hätte die Auftaktveranstaltung am Hauptbahnhof und den Marsch der NPD durch die Straßen verbieten müssen“, attackierten die Grünen die Verwaltung, und Ratsmitglied Corinna Rüffer meinte: „Entweder hat die Stadt jahrelang rechtswidrige Auflagen ausgesprochen und damit das Versammlungsrecht der Gegendemonstranten verletzt, oder sie bevorzugt einseitig die NPD“. Die Kritik richtete sich auch an die Adresse des Ordnungsdezernenten. Die Reaktion aus dem Rathaus ließ nicht lange auf sich warten: „Diese Behauptung und auch der haltlose Vorwurf, die Stadt bevorzuge die NPD bei der Vergabe von Veranstaltungsplätzen, sind infame Unterstellungen“, konternten Jensen und Thomas Egger (FDP).

Vier Wochen später kommt Schatzmeister Wolf Buchmann, der gemeinsam mit Rüffer die Pressemitteilung der Grünen verfasste, auf den Vorfall zu sprechen. Es sei darum gegangen, einmal deutlich nach außen zu kommunizieren: „Dieses Ordnungsamt ist ein Sauhaufen“. Jensen und Egger seien „politisch verantwortlich“, so Buchmann weiter. Daraus aber zu konstruieren, das Tischtuch zwischen dem OB und seinen einstigen Unterstützern sei zerschnitten, gehe zu weit. Allerdings sagte Buchmann auch: „Klaus Jensen steht uns nicht so nah, wie wir gedacht haben“. Der Frust über den sozialdemokratischen Oberbürgermeister ist bei einigen in den Reihen der Grünen groß; zumindest bei jenen, die nicht dem eher pragmatischen Flügel angehören. Und umgekehrt: Jensen zweifel mitunter an der politischen Zurechnungsfähigkeit seiner früheren Partner. Als diese kürzlich mehrheitlich gegen den Kommunalen Entschuldungsfonds stimmten, fehlte ihm hierfür jedes Verständnis. Hinzu kommt: Jensens wichtigster Ansprechpartner in den Reihen der Grünen-Ratsfraktion, Gerd Dahm, tritt inzwischen seltener in Erscheinung als vor und nach der letzten Kommunalwahl.

Kritik an ehemaligen Bündnispartnern

Die brachte den Grünen ein Traumergebnis und indirekt auch einen Sitz im Stadtvorstand. Mit SPD und FDP bildete man ein Ampelbündnis, das jedoch rasch zerbrach. Es habe sich dennoch gezeigt, wie wichtig es sei, „an der Verwaltungsspitze Personal zu haben“, erklärte Reiner Marz am Freitag in einer Aussprache über den Rechenschaftsbericht der Ratsfraktion. Marz würde am liebsten schon jetzt die Weichen für 2014 stellen – auch, um aus den eigenen Fehlern von 2009 zu lernen. Doch zunächst macht er bei anderen Fehlern aus: bei der Baudezernentin, die Ratsbeschlüsse nicht umsetze und „ein Eigenleben“ führe; bei der FDP, deren „einzige Daseinsberechtigung“ es gewesen sei, Egger in den Stadtvorstand zu wählen; bei der SPD, die „bei der ersten schwierigen Frage auseinanderflog“. Was Marz nicht erwähnte: Schon die Wahl der Bürgermeisterin brachte die SPD an den Rand einer Zerreißprobe. Inzwischen sagen selbst viele derjenigen Genossen, die Angelika Birk den Vorzug gaben, um das gerade erst geschlossene Bündnis nicht gleich zu sprengen, dass dies ein Fehler gewesen sei.

SPD und Grüne eint ein Problem: Beide Parteien können bislang nicht überzeugend vermitteln, worin der Wandel besteht, den sie mit der Kommunalwahl 2009 hatten einläuten wollen. Es fehlt an greifbaren Ergebnissen.  Aus Sicht von Marz liegt der schwarze Peter hierfür im Rathaus: Mehrheiten im Stadtrat nützten wenig, wenn die Beschlüsse hernach nicht auch von der Verwaltung umgesetzt würden. Die grüne Bürgermeisterin unterscheide sich da in vielerlei Hinsicht von der CDU-Baudezernentin. So fühle sich Birk den Beschlüssen des Stadtrats verpflichtet und vermeide Alleingänge, attestierte Marz seiner Parteifreundin. Mit Blick auf die Diskussion über den Zeitplan für die Skatehalle erklärte er: „Angelika hat geliefert, es gibt Alternativen“, doch jetzt müsse das Ganze noch durch die Verwaltung durch. Mit Birk habe man eine „kompetente, erfahrene und überaus engagierte Politikerin“ im Stadtvorstand, ist die Fraktion überzeugt.

Dennoch stehen die Grünen vor einem Dilemma: Sie tragen Verantwortung und können doch kaum Erfolge vorweisen. Das immerzu einer Verwaltung anzulasten, von deren vier Stadtvorstandsmitgliedern drei mit Unterstützung der Grünen ins Amt kamen, lässt sich schwer vermitteln. Hinzu kommt: Seit in Mainz drei Parteifreundinnen am Kabinettstisch Platz genommen haben, stehen die Trierer Grünen auch für die Landespolitik in der Mitverantwortung. Daran ändert auch wenig, dass sie in ihrem Landesverband kaum Gehör finden und im Landtag nicht vertreten sind. Wenn etwa das nach der letzten Landtagswahl von der rot-grünen Regierung angekündigte Mobilitätskonzept für die Region Trier, das Grundlage für die Abmoderation von Moselaufstieg und Meulenwaldautobahn war, nicht vorliegt, dann werden sie vor Ort in Erklärungsnot geraten. Im Rechenschaftsbericht der Fraktion baut man schon mal vor: „Wir halten es für notwendig, die Politik der rot-grünen Landesregierung auch in Zukunft solidarisch, aber auch kritisch zu begleiten“.

Kretzer: Lassen uns keine K-Frage aufdrängen

In Ratsfraktion und Partei räumt man selbstkritisch ein, dass mit Blick auf die nächste Kommunalwahl noch manches an Optimierungsbedarf besteht. So bemängelte das parteilose Ratsmitglied Anja Reinermann-Matatko in der Aussprache, dass bei der letzten Liste unter den vorderen Plätzen nur eine Kandidatin die Themen Umwelt und Mobilität als Arbeitsschwerpunkt nannte – sie selbst. Es könne aber nicht sein, dass Kernthemen der Partei personell nicht abgedeckt würden, so Reinermann-Matatko, die in der Fraktion quasi im Alleingang beide Felder beackert – was zur Folge hat dass die einstige Öko-Partei umweltpolitisch kaum wahrnehmbar ist. Rainer Landele bescheinigte der Fraktion derweil, dass „heute besser gearbeitet wird als früher“. Landele lobte auch den Einsatz der Kommunalpolitiker, die immer stärkeren Anforderungen gerecht werden müssten: „Das geht schon fast zu weit, was da verlangt wird“. Doch das Kreisvorstandsmitglied verlangte auch, dass seine Partei nach der nächsten Kommunalwahl auf einem Umweltdezernat bestehen müsse. In der Fraktion weiß man, dass die Schaffung eines Umwelt- und Mobilitätsdezernats seinerzeit nicht nur am Widerstand der Bündnispartner scheiterte, sondern auch „an unserer internen Zerstrittenheit“.

Und was ist nun mit der OB-Wahl 2014? Kreisvorstandssprecher Thorsten Kretzer erklärte mit Blick auf einen Bericht von 16vor, dass man sich „keine K-Frage aufdrängen lasse“ – das funktioniere vielleicht mit einem Herrn Steinbrück, scherzte er, aber nicht mit den Trierer Grünen. Dass die drittstärkste politische Kraft Triers beim nächsten Mal erneut auf eine eigene Bewerberin verzichten wird, scheint indes schwer vorstellbar – zumal es namhafte Stimmen in der Partei gibt, die schon vor zwei Jahren glaubten, eine überzeugende Kandidatin gefunden zu haben: Angelika Birk.

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