„Alles dauert endlos lange“

2014 steht die nächste Kommunalwahl an, und auch die Frage, wer bis 2023 an der Spitze Triers stehen soll, wird in zwei Jahren entschieden. Die Union will den Chefsessel im Rathaus zurückerobern und wieder bestimmende Kraft der Stadtpolitik werden. Unklar ist noch, wie und mit wem dies gelingen soll? Auf einem Kreisparteitag präsentierte die CDU nun „Eckpunkte für eine nachhaltige Stadtpolitik“, doch dominiert wurde das Treffen von Gastredner Dieter Lintz: Der TV-Redakteur schonte die Christdemokraten nicht, und für einen Moment konnte man den Eindruck gewinnen, der Journalist empfehle sich selbst für ein politisches Amt. Hart ging Lintz mit der Trierer Kulturpolitik ins Gericht: „Wenn so ein Kulturdezernent ein Kirchturmmaler wäre, man müsste befürchten, dass ihm der Stundenzeiger immer den Pinsel aus der Hand haut.“

TRIER. „Trier driftet vor sich hin“, beginnt das neunseitige Papier, „Unsere Stadt verstehen“ sind die „Eckpunkte für eine nachhaltige Stadtpolitik“ überschrieben. Es handele sich um einen Erstentwurf, betonte Parteichef Bernhard Kaster am vergangenen Freitagabend in der „Arena“, nun wolle man mit den Bürgern in einen Dialog treten. Mit der „immer deutlicher spürbaren ‚Drift‘ der Orientierungslosigkeit in der Trierer Stadtpolitik“ werde man sich jedenfalls nicht abfinden.

Doch auch bei der Union weiß man um den engen Rahmen, den ein desolater Haushalt setzt. Gleich mehrfach griff Kaster die Finanzsituation auf: „Trier kollabiert finanziell“. Schuldzuweisungen an Bund und Land reichten nicht mehr aus, erklärte der Bundestagsabgeordnete, der OB sei nun gefordert. Die CDU verlangt ein beschleunigtes Haushaltsverfahren, es müsse „endlich sichergestellt werden, dass bereits zu Beginn des Haushaltsjahres, spätestens im ersten Quartal, auch ein genehmigungsfähiger und damit handlungsfähiger Haushalt vorliegt“. Eine „ständige schonungslose Aufgabenkritik “ sei vonnöten, freiwillige Leistungen der Stadt müssten sich „inbesondere in Zeiten der Haushaltskonsolidierung auf solche beschränken, die nicht von den Bürgerinnen und Bürgern, gesellschaftlichen Gruppen, Vereinen und Organisationen, freien Berufen oder Unternehmen geleistet werden können“. Zugleich warnte Kaster aber, die Finanzen dürften „kein Totschlagargument in der Kommunalpolitik werden“.

Die CDU fordert eine Stärkung der Stadtteile, die Ortsvorsteher hätten längst die Funktion „örtlicher Bürgerbeauftragter“ und müssten eine „wesentlich verbesserte Ausstattung“ erhalten. In der Bildungspolitik warf Kaster der Landesregierung vor, die Schulen „in Trier exemplarisch gegen die Wand zu fahren“. Doch beim Thema Schließung von Grundschulen hält sich die Union weiterhin bedeckt. Grundschulen seien „Teil der gewachsenen Infrastruktur in den Stadtteilen“, heißt es in dem Papier, von einem „unverzichtbaren Mehrwert der Trierer Schulpolitik“ ist die Rede. Die Christdemokraten schlagen eine gemeinsame Hochschule für den Saar-Lor-Lux-Raum vor und bezeichnen den Erhalt des Theaters als „zentrale Leitlinie der städtischen Kulturpolitik“.

Mit einem „öffentlichen Dialogforum“ wollte die CDU am Freitag auch Trierer erreichen, die nicht in der Partei organisiert sind. Das gelang nur bedingt, denn lediglich einige wenige Bürger fanden den Weg in die „Arena“, um den Statements der Gastredner zu lauschen. Den Auftakt machte Petra Moske. Die Gründerin des Vereins Nestwärme nutzte ihr Referat für deutliche Kritik an der Stadtspitze: Sie sei „sehr überrascht“ gewesen, als sie von den geplanten Kürzungen im Sozialbereich erfahren habe. „Ich hätte mir mehr Transparenz gewünscht“, erklärte Moske. Dabei stehe außer Frage, dass auch im sozialen Bereich Strukturen hinterfragt und auf ihre aktuelle Notwendigkeit hin abgeklopft werden müssten. Doch forderte die Sozialunternehmerin „Wertschätzung, Respekt und gegenseitiges Vertrauen“ ein. Für freie Träger sei Verlässlichkeit unverzichtbar. Die Nestwärme-Chefin weiter: „Ich wünsche mir eine Stadt, die für mich da ist, so wie ich für sie da bin“.

Auf Moske folgte Lintz, der die Gelegenheit, auf einem CDU-Parteitag sprechen zu dürfen, sichtlich genoss. Er sei „ein bisschen stolz“, von der Union eingeladen worden zu sein, schmeichelte er zu Beginn seinen Zuhörern. Doch Lintz schonte seine Gastgeber nicht: „Die Kommunalpolitik in Trier, und die CDU ist ein wesentlicher Teil dieser Kommunalpolitik, hat das Antizipieren noch nicht gelernt. Sie spielt immer noch das alte Spiel: Hier stehe ich, ich kann nicht anders“, befand der Ex-Juso, der dem Gros der Kommunalpolitiker Veränderungsresistenz attestierte. Diese Geisteshaltung habe zwar „durchaus etwas Sympathisches. Aber sie führt zu fatalen Ergebnissen, gerade in Bereichen wie Schule und Kultur“. Trier könne sich keine 40 Schulen leisten – „das ist keine Meinung, das ist ein Fakt“. Auch die Vorstellung, das Theater müsse nur in der Substanz saniert werden, könne aber ansonsten so bleiben, wie es ist, sei realitätsfern. „Da denkt kein Mensch vom Ziel her, also: Was will ich erreichen? Und wie kriege ich das unter den gegebenen Bedingungen hin?“

Lintz schlug vor, dass sich die Theater von Trier, Koblenz und Kaiserslautern künftig die Arbeit teilen. „Es gibt nur noch einen Intendanten – die Chef-Etage zu verkleinern, spart immer das meiste Geld. An jedem Standort gibt es eine Sparte, also beispielsweise in Trier das Ballett, in Kaiserslautern das Schauspiel und in Koblenz das Opernensemble. Der Spartenchef ist auch der Leiter des jeweiligen Hauses. Und an jedem Standort gibt es ein Orchester, dessen Musiker allerdings zu einem gemeinsamen Pool aller drei Häuser gehören.“ Dass sein Modell „sicher auch einige Pferdefüße“ habe, sagte Lintz auch. Doch dann holte er zu einem Rundumschlag aus: „Was ich nur nicht verstehe, ist, dass über solche Dinge jahrelang nicht beraten wird. Dass so ein Pressefuzzi damit hausieren gehen muss, statt der Kulturpolitiker oder Dezernenten. Alles dauert endlos lange. Wenn so ein Kulturdezernent ein Kirchturmmaler wäre, man müsste befürchten, dass ihm der Stundenzeiger immer den Pinsel aus der Hand haut“.

Bei diesem Bild hatte Lintz die Lacher auf seiner Seite, doch gleich darauf war wieder Schluss mit Lustig: Wenn es einen Sektor gebe, „den die beiden großen Fraktionen im Stadtrat gemeinsam versaubeutelt“ hätten, dann sei es die Schulpolitik. Ziel müsse es sein, für die Kinder ein optimales Bildungsangebot zu schaffen. „Nichts gegen Stadtteilpolitik – aber die Schule kann keine Unterfunktion der Stadtteilentwicklung sein. Natürlich sollte man versuchen, das in Einklang zu bringen, wo es geht. Aber ob das dem jeweiligen Stadtteil gefällt oder nicht, kann nicht das Entscheidungskriterium sein“. Um die städtischen Probleme in den Griff zu kriegen, brauche es Mut, gab Lintz seinen Zuhörern abschließend noch mit auf den Weg.

Empfahl sich hier einer als Mutmacher? Oder will Lintz dereinst selbst seinen Mut beweisen und den Hut in den Ring werfen? Wie es wohl wäre, wenn der Redner nach seinem fulminanten Auftritt in die Stadtteile tingeln müsste, um dort vor Ort durchzusetzen, was er gerade den Christdemokraten ins Stammbuch geschrieben hat? Diese Frage dürften sich nicht nur einige der zahlreichen anwesenden Ortsvorsteher gestellt haben. Dass Journalisten politische Ämter anstreben, ist so selten nicht. So kandidiert die Zeit-Redakteurin Susanne Gaschke derzeit für das Amt der Kieler Oberbürgermeisterin, und mit Jean Asselborn  steht ein Ex-Journalist an der Spitze von Luxemburgs Außenamt. Dass Lintz ernsthafte Ambitionen umtreiben, sich in die Niederungen der Kommunalpolitik zu begeben, scheint indes eher unwahrscheinlich.

Dabei hätte er mit Peter Adrian schon einen prominenten Unterstützer. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer ging am Freitag als Dritter in den Ring und erklärte mit Blick auf seinen Vorredner: „Eigentlich hätte er ein ‚Hurra‘ verdient“. Der Triwo-Boss berichtete sodann vom wirtschaftlichen Aufschwung, den Trier in den vergangenen zehn Jahren erlebt habe. Allerdings habe die Stadt auch erheblichen Nachholbedarf gehabt. In punkto Beschäftigung und Ausbildung, vor allem aber beim Einzelhandel liege man landesweit an der Spitze. Der Unternehmer erinnerte daran, dass in und um Trier in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Industriebetriebe verschwunden sind, darunter Weltmarktführer. Etwa die Firma Laeis, oder Zettelmeyer und Kuag in Konz. Von der Stadt verlangte er die Ausweisung neuer Gewerbeflächen, hier sei zu wenig geschehen. Dabei habe der Verzicht auf den Handwerkerpark den Handlungsdruck noch erhöht.

Adrian forderte eine „handlungsfähige Verwaltung, schnellere Genehmigungsverfahren und unkonventionelle Unterstützung“, wenn es um Gewerbeansiedlungen gehe. Mit Blick auf Luxemburg, wo derzeit 20 Prozent Jugendarbeitslosigkeit herrschten, schlug er eine engere Zusammenarbeit vor. Damit könne auch dem Fachkräftemangel begegnet werden, hofft Adrian. Der IHK-Chef machte dann noch eine Feststellung, die zumindest aus dem Munde eines Kammervertreters überraschend klang: „Wir werden keine West- und Nordumfahrung bekommen, weil auf Landes- und auf Bundesebene nicht der Wille vorhanden ist“, die Projekte voranzutreiben. Mag sein, dass Adrian hierbei auch die jüngst von Berlin gestiftete Verwirrung in Sachen Moselschleusenausbau im Hinterkopf hatte.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.