Strafbefehl nach tödlichem Baumunglück

Tragisches Unglück: ein Mensch wurde von einem umstürzenden Baum in der Trierer Altstadt erschlagen. Foto: Marcus StölbMehr als sieben Monate nach dem folgenschweren Baumunglück in der Rautenstrauchstraße, bei dem im November eine Passantin getötet und ein weiterer Fußgänger schwer verletzt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Strafbefehl gegen einen 53 Jahre alten Angestellten der Stadt beantragt. Der Mann sei „hinreichend verdächtig, für den Unfall strafrechtlich verantwortlich zu sein“, teilte die Behörde heute mit. Ausschlaggebend für diese Einschätzung war offenbar die Aussage eines Mitarbeiters des Grünflächenamtes, der bereits Monate vor dem Unglück auf den schlechten Zustand der Kastanie hingewiesen haben soll. Nach einer visuellen Kontrolle wäre eine „unverzügliche Kontrolle“ des Baumes notwendig gewesen, so die Staatsanwaltschaft, diese sei aber unterblieben. Damit widerspricht die Behörde der bisherigen Darstellung der Verwaltungsspitze: Die hatte erklärt, dass man bei einer routinemäßigen Untersuchung am 1. Oktober 2012 „keinen akuten Handlungsbedarf“ gesehen habe.  

TRIER. Es war am Mittag des 22. November, als gegen 13.20 Uhr eine im Rautenstrauchpark stehende Rosskastanie bei ruhigen Witterungsverhältnissen und ohne Einwirkung von außen umfiel. Der Baum stürzte in südliche Richtung auf die Rautenstrauchstraße. Hier wurden zwei Passanten von dem Baum getroffen und eingeklemmt. Eine damals 70 Jahre alte Fußgängerin erlitt so schwere Verletzungen, dass sie noch an der Unfallstelle verstarb. Ein weiterer Fußgänger wurde ebenfalls erheblich verletzt. Er konnte mit zahlreichen Knochenbrüchen von Rettungskräften geborgen werden.

Nach dem Ergebnis der von der Kriminalinspektion Trier geführten Ermittlungen, in die auch ein Sachverständiger für die Standsicherheit von Bäumen eingeschaltet war, hält die Staatsanwaltschaft einen Angestellten der Stadt Trier nun „hinreichend verdächtig, für den Unfall strafrechtlich verantwortlich“ zu sein. Der Angeschuldigte ist als Sachgebietsleiter im Grünflächenamt des Rathauses tätig. Er sei insbesondere für die Durchführung von Zweitkontrollen beziehungsweise eingehenderen Untersuchungen von Bäumen zuständig, sobald Schäden an Bäumen festgestellt oder bekannt werden, die Anlass zu einer genaueren Überprüfung der Standfestigkeit geben, heißt es. In diesen Fällen gehöre es auch zu seinen Aufgaben, nach der Untersuchung die erforderlichen Entscheidungen zu treffen und beispielsweise die Fällung eines Baumes anzuordnen.

Im Juli 2012 soll er von einem Mitarbeiter des Grünflächenamtes auf den schlechten Belaubungs- und Vitalitätszustand der Kastanie im Rautenstrauchpark aufmerksam gemacht worden sein. Hierauf soll er die Kastanie, die im Stammfuß bereits deutlich sichtbar ausgehöhlt war, in Augenschein genommen und eine eingehende Untersuchung der Standfestigkeit angekündigt haben. Zu dieser Untersuchung ist es jedoch laut Ergebnis der Ermittlungen nie gekommen. Dadurch sei unerkannt geblieben, dass die Standsicherheit der 90 Jahre alten und etwa 18 Meter hohen Kastanie nicht mehr gewährleistet war. „Der Baum war nämlich von einem holzzersetzenden Pilz befallen, der den Stamm von innen bis zu einer Restwandstärke von zum Teil weniger als 10 Zentimeter zersetzt hatte“.

Die Staatsanwaltschaft ist zu der Auffassung gelangt, dass der Angeschuldigte verpflichtet gewesen wäre, die Kastanie unverzüglich zu untersuchen. „Dabei hätte er die weit fortgeschrittene Holzzersetzung erkennen und feststellen können, dass der Stamm nur noch aus einer dünnwandigen Röhre bestand und nicht mehr standfest war. Er hätte hierauf die sofortige Fällung des Baumes anordnen müssen“, teilte die Behörde mit, die nun beim Amtsgericht Trier den Erlass eines Strafbefehles über eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung beantragt hat.

Sofern das Amtsgericht den Strafbefehl erlässt, habe der Angeschuldigte die Möglichkeit, hiergegen Einspruch einzulegen. Für diesen Fall würde eine Hauptverhandlung stattfinden. Zu einer Hauptverhandlung wird es auch dann kommen, wenn das Amtsgericht Bedenken hat, den Strafbefehl zu erlassen, erläutert die Staatsanwaltschaft, die mit ihrem Antrag und vor allem dessen Begründung der Darstellung des Rathauses widerspricht. So hatten OB Klaus Jensen, Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani und Grünflächenamtsleiter Franz Kalck noch am 27. November 2012 in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz erklärt, dass es am 1. Oktober desselben Jahres „keinen Hinweis auf Standunsicherheit“ gegeben habe. An diesem Tag sei der Baum sowie eine weitere, kurz nach dem Unglück gefällte Kastanie einer routinemäßigen visuellen Kontrolle unterzogen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe man „keinen akuten Handlungsbedarf“ gesehen. Folgt man nun der Darstellung der Staatsanwaltschaft, dann gab es aber bereits im Juli 2012 deutliche Hinweise darauf, dass die Kastanie ernsthaft erkrankt war und das weit vor dem besagten 1. Oktober eine eingehendere Untersuchung hätte erfolgen müssen.

Auf Anfrage wollte die Stadtverwaltung keine Stellungnahme abgeben. „Es handelt sich um ein noch laufendes, nicht abgeschlossenes Verfahren“, erklärte ein Sprecher des Rathauses gegenüber 16vor.

Zum selben Thema: „Es gibt keinen Grund, etwa zu verschleiern“ und Passantin von Baum erschlagen

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.