Zukunft trotz Castingshow

Mrs. Greenbird läuteten am vergangenen Freitag in Trier den Herbst ein. Foto: Peter FathMit dem ersten Auftritt nach ihrer Sommerpause lockten Mrs. Greenbird am vergangenen Freitag etwa 500 begeisterte Zuhörer zu einem Konzert ins Exzellenzhaus. An einem der letzten lauen Sommerabende schuf das Kölner Duo, das auch privat ein Paar ist, eine beschwingt-melancholische Atmosphäre und überzeugte mit dem Charme von Newcomern, die noch nicht ganz wissen, wie ihnen geschieht.

TRIER. Es heißt, Mrs. Greenbird hätten die Idee für diesen Namen nach einem Gig bekommen, als sie auf den Treppenstufen vor ihrer Wohnung einen toten grünen Papagei vorfanden. Dieses Maskottchen – hoffentlich eine Attrappe, vielleicht ja aber auch das ausgestopfte Exemplar – ziert denn auch die Bühne auf einem mit Plastikblumen umrankten Mikroständer. Wie es auch immer um den Wahrheitsgehalt dieser Anekdote bestellt ist, eine morbide Stimmung ist sicherlich nicht das, was die sympathischen Singersongwriter Steffen Brückner und Sarah Nücken zusammen mit Bassist Christoph Herder und Schlagzeuger Jens Dreesen auf der Bühne zaubern.

Das allgegenwärtige Grün in Deko und Licht mag schlecht für den Teint sein, unterstreicht aber die unkomplizierte und fröhliche Art des Duos. Verbunden mit einem Musikstil irgendwo zwischen Folk, Country und Blues breitet sich in der Melancholie von Songs wie „Falling slowly“ und „It’s always you“ ein standhafter Optimismus aus, der in Titeln wie „Love makes you free“ oder „Shooting Stars & Fairy Tales“ mit ansteckender Wirkung im Vordergrund steht.

Den markanten Stimmen von Nücken und Brückner verdanken die teils eigenen Kompositionen, teils Cover-Versionen einen unverwechselbaren Klang. Vor allem aber ist es Brückners Kunst an den zahlreichen Gitarren zu verdanken, dass das Duo sogar oder auch eben gerade bei den Cover-Titeln einen so originellen Sound entwickelt, dass diese Lieder in einem neuen Gewand erscheinen, entstaubt und aus allzu klaren Takten befreit. Man kann es Madonna nicht übel nehmen, dass sie den Beiden verboten hat, den Song „Frozen“ auf die just erschienene live DVD zu nehmen: Durch die Resonator-Gitarre im Stile der Dire Straits wird aus einem stilisierten Popsong eine Titelmusik für einen Roadmovie. „Creep“ erhält durch eine hawaiianische Steel-Gitarre, die Brückner auf den Knien mit Bottleneck spielt, eine Atmosphäre, wie der Gitarrist sie Ende der 90er erlebt hat, „als wir alle kurz vor dem Abi depressiv und mit langen Haaren durch die Gegend schlurften“, durch die sphärischen Töne leicht ins Trancehafte entrückt.

Mit der kessen Nachfrage, wer denn hier eigentlich Abi habe, zieht der große Mann mit Hut und Weste das Publikum ebenso auf die Seite der Musiker, wie durch eine Tanzeinlage im Bären-Stil: linkes Bein, rechtes Bein wird zur Pflichtbewegung erklärt und vom bestens gelaunten Publikum ohne Murren aufgegriffen. Dabei sind die Gewinner der Castingshow „X Factor“ 2012 weit davon entfernt, irgendwelche Massen-TV-Ansprüche erfüllen zu wollen oder bloßes Entertainment zu liefern. Die Chemie zwischen den Musikern stimmt, der präsente Brückner spielt sich nie in den Vordergrund, sondern schafft der zurückhaltenden Nücken einen Rahmen, in dem sie mit ihrer facettenreichen Stimme strahlen kann. Ein echter Gentleman. Jedenfalls gegenüber seiner Freundin – das Publikum, dessen Durchschnittsalter etwa bei 40 liegt, muss sich hingegen sagen lassen, wenn es nicht wisse, was Facebook sei, „dann fragt doch eure Enkel“.

Der anhaltende Applaus und die Rufe nach Zugabe, die bereits laut werden, bevor die Musiker sich überhaupt das erste Mal verbeugt haben, zeugen jedoch von einem Publikum, das auch diese nette Spitze verkraftet und die drei Zugaben – darunter ein Rolling Stones-Cover von „Dead Flowers“ – denn auch ebenfalls mit herzlichem Applaus quittiert.

In Erinnerung bleibt an diesem Abend zweifelsohne auch das junge Duo, das mit Gitarre und Geige sowie Gesang in beeindruckender Rhythmenvielfalt und mit der durchdringenden Stimme der Sängerin den Support gab. Bedauerlich, dass diese zwei in größter Bescheidenheit ihren Namen nur ins Mikro hauchten und an keiner Stelle schriftlich hinterlegten. Bedauerlich deswegen, weil sich bei aller Originalität Mrs. Greenbird bei diesen beiden Jungtalenten vielleicht noch abschauen könnten, dass ein Repertoire trotz markantem Stil überraschend und abwechslungsreich bleiben kann.

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