Wer nicht hören kann, kann lesen

Zwei Schriftdolmetscherinnen dolmetschen einen Vortrag der Jubiläumsveranstaltung des Hörbiz. Während Annegret Bepler mit Blickkontakt zu dem Referenten dessen Worte mit Satzzeichen und Absätzen und weiteren Informationen in eine Mikrofonmaske spricht, korrigiert Birgit Nofftz den Text, der für alle sichtbar auf eine Leinwand übertragen wird. Foto: Bettina LeuchtenbergIn der Kommunikation kommt es darauf an, sein Gegenüber mit allen Sinnen wahrnehmen zu können. Ist der Gehörsinn eines Gesprächspartners jedoch beeinträchtigt oder gar nicht mehr vorhanden, gelten andere Regeln für den erfolgreichen Austausch. In Situationen, in denen es ganz genau auf das einzelne Wort ankommt – wie beispielsweise bei Arztbesuchen, vor Gericht, in der Ausbildung oder bei Prüfungen – helfen Schriftdolmetscher weiter.

TRIER. Das Hörbiz Trier feierte in der ersten Juliwoche Jubiläum. Seit genau zehn Jahren kümmert sich die „Vereinigung zur Förderung Hörgeschädigter Trier e.V.“ um die psychosoziale Versorgung von Menschen mit Hörbehinderungen in Trier. Alle Vorträge, die am vergangenen Samstag gehalten wurden, richteten sich auch an diejenigen, die nur eingeschränkt oder auch gar nicht mehr hören können. Die Veranstalter demonstrierten anschaulich, an was alles gedacht werden muss, um alle Interessierten erreichen zu können. Während Gebärdensprachdolmetscher schon lange ein Begriff sind und immer wieder bei Veranstaltungen oder im Fernsehen zu sehen sind, arbeiten die Schriftdolmetscher für all diejenigen, die der Gebärdensprache nicht mächtig sind.

„Bundesweit nutzen etwa 80.000 Gehörlose die Deutsche Gebärdensprache, denn das ist ihre Muttersprache“, sagt die zertifizierte Schriftdolmetscherin Birgit Nofftz. „Daneben gibt es aber auch diejenigen, die im Laufe ihres Lebens immer weniger hören können, deren Muttersprache die deutsche Sprache ist. Auch wenn hier keine Zahlen vorliegen, ist dies doch die größere Gruppe.“ Und so ist die Zahl derjenigen, die bei den Vorträgen nicht die Referenten und deren Präsentationen ansehen, beachtlich. Ein Teil beobachtet den Gebärdensprachdolmetscher, ein anderer liest alles Gesprochene auf der Leinwand mit. „Wir beide haben ein CI, also ein Cochlea Implantat und für uns ist das reine Zuhören sehr anstrengend“, berichtet Elke Nellinger, die zusammen mit Ute Rohlinger die Veranstaltung besucht. Die beiden Frauen leiten die Trierer CI-Selbsthilfegruppe und schätzen ebenfalls das Angebot der Schriftdolmetscherinnen. „Gerade in größeren Räumen können wir unser Hörimplantat nicht immer passend einstellen. Das Mitlesen erleichtert uns sehr, die Inhalte auch richtig zu verstehen.“

Im Veranstaltungsraum selbst hat sich Birgit Nofftz mit zwei Kolleginnen vor der Veranstaltung passend eingerichtet. Benötigt werden nur Tische und Stühle, den Rest bringt das Team je nach Anlass passend mit. Im Gepäck haben sie Laptops, ergonomische Tastaturen, Kopfhörer, Mikrofonmasken, einen Beamer, eine Leinwand und Keilkissen. „Wir nehmen das, was vorhanden ist. Aber meistens haben die Tische keine komfortable Höhe, so dass wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sind“, erzählt Nofftz. Nach ihrem Phonetikstudium an der Universität Trier hat sie 2006 zusammen mit ihrem Mann Daniel und weiteren Mitstreitern die Firma Kombia gegründet. Sie war bundesweit die erste vom Deutschen Schwerhörigenbund (DSB) zertifizierte Schriftdolmetscherin mit Spracherkennung und leitete bis heute bereits fünf Ausbildungskurse, deren Absolventen alle sofort in den Beruf einsteigen konnten.

Mit dem Saaltechniker und der Moderatorin klären die drei Damen von Kombia den Ablauf, und nach einem Tontest mit der Referentin startet der Vortrag. „Unsere heutige Besetzung ist Luxus“, erläutert Nofftz. „Normalerweise sind wir ab einer Stunde Dolmetschen zu zweit, denn eine diktiert in das Mikrofon und die zweite korrigiert die von der Spracherkennung nicht korrekt erkannten Worte.“ Da Nofftz aber selbst einen Vortrag hält, wird Annegret Bepler, die 2011 zur Schriftdolmetscherin ausgebildet wurde, von Sibylle Kraus unterstützt, die sich gerade in der Ausbildung befindet.

Der Vortrag von Referentin Tina Zienterra wird sowohl vom Gebärdensprachdolmetscher Michael Schmauder-Reichert als auch von den Schriftdolmetscherinnen Birgit Nofftz und Annegret Bepler übersetzt. Foto: Bettina LeuchtenbergNach einer kurzen Absprache, wer wann in das Mikrofon spricht und wer korrigiert, richten sie das Netzwerk ein, mit dem sie zeitgleich in ein Textfeld schreiben können, welches dann gut leserlich über den Beamer an die Leinwand geworfen wird. Mit einer kleinen Verzögerung haben Hörgeschädigte die Möglichkeit, sowohl die Vorträge, als auch die sich anschließende Fragerunde mitzuverfolgen. Das Schriftdolmetschen mit Spracherkennung ist im Vergleich zu den beiden auch existierenden Methoden des reinen Mitschreibens oder des Stenos weitaus schneller. Wenn die Schriftdolmetscher mit im Veranstaltungsraum sitzen, sprechen sie das gesprochene Wort wie bei einem Diktat inklusive Satzzeichen oder Absätzen in eine Sprachmaske. Das individuell angepasste Spracherkennungsprogramm macht aus dem gesprochenen Worten schriftlichen Text, der auf der Leinwand mitgelesen werden kann. Die Kollegin korrigiert parallel dazu Wörter oder Sätze, die das Programm nicht richtig erkannt hat.

Hörgeschädigte können Schriftdolmetscher für wichtige Termine, Arztbesuche oder auch in die Schule oder an die Universität beantragen. Denn in genau diesen Situationen kommt es oft auf das einzelne Wort an. Ziel ist es, Gespräche selbstbestimmt führen und an gesellschaftlichen Anlässen teilnehmen zu können. Oft reicht es dann, wenn die Schriftdolmetscher mit einem Laptop neben dem Hörgeschädigten sitzen und er das Gesprochene auf dem Bildschirm mit verfolgen kann. So können Hörgeschädigte auch ganze Ausbildungen und Studiengänge absolvieren und mit einem guten Gefühl wichtige Termine bei der Polizei, vor Gericht, bei Behörden oder auch im Berufsleben oder einer Weiterbildung wahrnehmen. So ist es auch immer möglich, eine Mitschrift oder ein Protokoll abspeichern zu können, sofern der Kunde dies wünscht. In der Regel werden alle Texte gelöscht, die Schriftdolmetscher unterstehen der Schweigepflicht und orientieren sich am gesetzlich festgelegten Datenschutz.

Die Kosten für die Schriftdolmetscher werden oft von den Kostenträgern übernommen, denn in vielen Bereichen besteht ein Rechtsanspruch auf einen Schriftdolmetscher. Auch hierzu berät die Trierer Firma Kombia, die ihren Service nicht nur in Trier, sondern auch in Luxemburg, dem Saarland und in Hessen anbietet. Schriftdolmetscher können sowohl von Einzelpersonen als auch von Unternehmen, Veranstaltern und Institutionen gebucht werden.

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