Vom römischen Tafelgeschirr bis zur Sprudelflasche

Landesmuseums-Archäologe Joachim Hupe zeigt an einer Karte, wo sich die Grabung befindet. Foto: Cordula FischerMehr als 1400 Jahre Stadtgeschichte sind in der Grabenstraße 10/11 derzeit freigelegt. Noch bis voraussichtlich 18. Oktober sind die Archäologen des Rheinischen Landesmuseums – dann insgesamt zwei Monate – auf den beiden Parzellen im Einsatz, über die bereits Römer auf der Ost-West-Straße liefen und im Mittelalter unter Erzbischof Ludolf (994 bis 1008) die Domberingmauer errichtet wurde. Vor Ort wurden gestern die interessantesten Ergebnisse der Grabung präsentiert.

TRIER. Oben ein Penthouse mit Blick auf Dom und Liebfrauenkirche mit Sonnenaufgang am Morgen: Diese Premiumwohnlage haben bereits im Mittelalter Menschen genossen, die ihre Häuser in der Grabenstraße hatten. Allerdings weniger komfortabel als die künftigen neuzeitlichen Bewohner, die laut Anne Brommenschenkel „so schnell wie möglich“ einziehen sollen. Eine moderne Fassade ist für die Bauherrin, die sehr an den Funden auf ihrem Grund und Boden interessiert sei, kein Widerspruch. Voraussetzung: „Sie muss ins Ensemble passen.“

Allerdings wird nichts von den Ausgrabungen erhalten bleiben – abgesehen von der Dokumentation und den gesicherten Funden, mit denen sich die Restauratoren im Museum beschäftigen werden. Baubeginn für den Lückenschluss in der Grabenstraße soll ohne großen Verzug nach Ende der Grabungen des Rheinischen Landesmuseums sein. Bis mindestens zum 18. Oktober wühlen sich die Archäologen noch in der Grabenstraße durch den Boden, allerdings nicht tiefer, als der Neubau geplant ist.

Mehr als Hundert Jahre alt: eine Scherbe einer Tonflasche aus der Gerolsteiner-Sprudel-Produktion zwischen 1888 und 1900. Foto: Cordula FischerGeöffnet haben sie ein Fenster in mehr als 1400 Jahre Stadtgeschichte, vom 1. Jahrhundert nach Christus (römisches Tafelgeschirr, Gebrauchskeramik, sogenannte Belgische Ware) über Henkelkrug- und Amphorenscherben (2. Jahrhundert) bis ins Mittelalter (Grauwaren, Kugeltöpfe) und darüber hinaus – Beleg ist eine Scherbe einer tönernen Sprudel-Flasche der Marke „Gerolsteiner“, in die das Unternehmen sein Mineralwasser seit der Gründung 1888 abfüllte, bevor ab 1900 Glasflaschen verwendet wurden.

Zu den „extrem seltenen Funden“ gehört laut Landesmuseums-Archäologe Joachim Hupe sogenannte rotgestrichene Keramik aus dem 5. Jahrhundert. Auch eine Münze aus dem Jahr 420, Glasperlen und ein Plattenfragment aus Lakonischem Marmor lassen Archäologenherzen höherschlagen.

Blick in die Grabung: Vom gotischen Keller bis zur römischen Muschelkalkplatte (hinten links) legen die Landesmuseumsarchäologen mehr als 1400 Jahre Stadtgeschichte frei. Foto: Cordula FischerAuf römische Relikte zu stoßen, ist in der Innenstadt fast unumgänglich. Faszinierend sind die Überbleibsel der Ost-West-Straße, die mit Muschelkalkplatten befestigt war. Auch die mittelalterlichen Spuren sind bedeutend: Die Ludolfsche Mauer um den Dombering wurde allerdings weitgehend abgetragen, einige massive Sandsteinquader sind in der Wand des Hauses Grabenstraße 9 eingebaut.

Gefunden haben die Archäologen außerdem einen gotischen Keller, etwa sieben mal sieben Meter groß, mit Kreuzgratgewölbe und zentralem Sandsteinpfeiler. Vermutet wird, dass er aus dem 12. Jahrhundert stammt. Idee war, das Gewölbe zu erhalten und in den Neubau zu integrieren. Allerdings war das Gewölbe statisch nicht stabil genug. Reste des Estrichs aus dem 15. Jahrhundert sind noch erhalten, ein Latrinenschacht wird derzeit noch untersucht. Er wurde – als er nicht mehr genutzt wurde – zugeschüttet.

Das Landesmuseum bietet Führungen auf dem Areal in der Grabenstraße an: Am Donnerstag, 17. Oktober, um 17 Uhr und am Sonntag, 20. Oktober, um 15 Uhr informiert Joachim Hupe öffentlich über die Grabung. Das Angebot ist eingebunden in die Sonderausstellung „Tatort Archäologie“, die bis zum 12. Januar 2014 im Landesmuseum zu sehen ist. Telefonische Anmeldung für die Grabungsbesichtigung (festes Schuhwerk ist Voraussetzung): 0651/9774-0. Der Treffpunkt wird bei der Anmeldung bekanntgegeben.

Cordula Fischer

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