Vom Opern-Schwank zur Reality-Oper

Hans (Carlos Aguirre) versteht seine Marie (Joana Caspar) nicht nur stimmlich zu betören. Foto: Marco Piecuch/Theater TrierMit der Komischen Oper „Die verkaufte Braut“ von Bedrich Smetana feierte die letzte Musiktheaterproduktion vor der Sommerpause am vergangenen Samstag im Großen Haus des Theaters Trier Premiere. Gefeiert wurde auch der lokal allgegenwärtige Gerstensaftproduzent und Theatersponsor aus dem nahen Bitburg, doch dieses Mal nicht mit dem obligatorischen Stand im Foyer, sondern gleich mit einem Ausschankwagen auf der Bühne. Doch damit noch nicht genug, auch Smetana huldigt musikalisch in einer Dorffestszene seiner Oper dem holden Gebräu – dezenter hat man Sponsorenwerbung selten erlebt!

TRIER. Was ist eigentlich eine Komische Oper? Nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht wirklich Oper, aber auch noch nicht Operette. Auf Anregung von Franz Liszt entstanden, war Smetana mit dieser 1866 in Prag uraufgeführten Oper zunächst daran gelegen, sich vom Vorwurf, ein bloßer Wagnerianer zu sein, zu befreien. Dies ist ihm dahingehend gelungen, dass Wagner diesem simpel gestrickten Stoff mit seiner recht banalen, eindimensionalen Handlung wohl auch keine einzige Note gewidmet hätte. Musikalisch ist die Partitur mit reichlich böhmischem Lokalkolorit garniert, was ihr trotz zum Teil hoher technischer Anforderungen an die Musiker Leichtigkeit verleiht und damit deutlich von der Inhaltsschwere eines Wagner abgrenzt. Einzig den Gedanken der Wagnerschen Leitmotivik wendet Smetana hier und da noch auf eigene Weise an. Somit könnte man sagen, dass das Komische von Smetanas „Die verkaufte Braut“ ihre unterhaltsame Gefälligkeit ist, ja eine Light-Version des oftmals zu heroischer Tragik neigenden Genres, gerade auch wenn man an die im 19. Jahrhundert aufkommenden Nationalopern denkt.

Doch was wird dem um Zerstreuung bedachten Kulturkonsumenten da nun in Trier wieder zugemutet? Ein Stoff, der mit seiner fußlahmen Handlungsdramaturgie wohl nie eine Literatur-Tüv-Plakette bekommen hätte, wird in der Inszenierung von Thomas Münstermann derart bedeutungsschwanger aufgebauscht, dass der intellektuelle Expander der Regie mal wieder kurz vorm Zerreißen steht. Wenzel, ein sprachbehinderter „Ödipussi“, der zum Gespött des Dorfes geworden ist, rächt sich am Ende als Selbstmordattentäter, reißt seine (Über)Mutter und sich in den Tod und hinterlässt der ausgelassenen Hochzeitsgesellschaft eine tickende Zeitbombe. Aus einem netten Opern-Schwank wird da unversehens Reality-Oper, packend, verstörend in ihrer Aktualität, eben das, was man von einem Theater heute erwartet. Kann da nicht jedes Bier- oder Hochzeitsfest der kommenden Wochen und Monate unversehens zum Fiasko werden – und das Regietheater hat es mal wieder vorhergesehen!

Bevor es aber zu diesem Showdown kommt, muss man so manche Länge überstehen. Die gefühlte Zeit an diesem Abend übertrifft die reale bei weitem. Immer wieder kommt es zum Handlungsstillstand, vornehmlich dann, wenn zur „Ausgarnierung“ folkloristische Szenen eingeflochten werden. Während der Chor dann in Trachten tanzt und singt, liefern sich Skinheads und „Bräunlinge“ stilisierte Schlägereien. Zwar lebt die Bühne oftmals von stilisierter Überzeichnung, aber wenn Klischees allzu platt und ausgelutscht daherkommen, dann ist ihre Wirkung eine umso peinlichere.

Doch wie immer bleibt uns in der Oper ja noch die Musik! Unter der Stabführung von Joongbae Jee musizierte das Philharmonische Orchester der Stadt Trier mit Frische und Verve, dem Sujet entsprechend mit gefälligem, rundem Tonfall. Opernchor und Extrachor des Theaters Trier waren, abgesehen von einigen forcierten Spitzen, insgesamt sehr gut disponiert.

Auch das Protagonisten-Trio überzeugt durchgehend: Joana Caspar weiß ihrer Marie, die Hans liebt, jedoch mit Wenzel verheiratet werden soll, sängerisch wie darstellerisch mit Natürlichkeit und Leichtigkeit in der Stimme charismatischen Ausdruck zu verleihen. Carlos Aguirre ist als langmähniger Hans der smarte Frauentyp par excellence, der seine Marie nicht nur stimmlich zu betören versteht. Seinem Stiefbruder Wenzel verleiht Luis Lay die überaus berührende Figur eines an sich nur bedingt lebenstüchtigen Mama-Söhnchens. Zwar ist sein Jerry-Lewis- Grinsegesicht mitunter zu viel des Guten, aber dafür entschädigt das gepflegt-elegante Timbre seiner Stimme. Zwischen ihnen steht Alexander Trauth als Heiratsvermittler Kecal, der zwar mit lässigem Parlando brilliert, auf der Suche nach den tiefen Tönen mitunter die Sonorität verliert.

Fazit: eine musikalisch lohnenswerte Produktion, die inszenatorisch mit weniger intellektueller Verkrampftheit wesentlich mehr erreichen könnte. Vielleicht neben den anstehenden finanziellen Einsparungen auch eine der Hausaufgaben für die Zukunft?!

Weitere Aufführungen im Juni: Dienstag, 4. Juni, 20 Uhr; Freitag, 7. Juni, 20 Uhr; Freitag, 14. Juni, 20 Uhr; Mittwoch, 19. Juni, 20 Uhr; Samstag, 29. Juni, 19.30 Uhr. 

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