Verschlüsselung bedeutet für alle Aufwand

Wer weiß, was ich im Internet mache? Diese Frage stellt sich nicht nur diese Besucherin bei der Krypto-Party des Trierer "Chaos Computer Clubs". Foto: Anne SchaafFür die einen ist es Neuland, für die anderen die größte Katzenbildersammlung der Welt. Das Internet verbindet uns alle, die Frage ist jedoch: mit wem? Das Ratespiel um die Überwachung durch den amerikanischen Nachrichtendienst NSA wird derzeit weniger durch Antworten als vielmehr durch weitere Fragen ergänzt. Wer liest was mit? Und vor allem: Was passiert mit den gesammelten Informationen? Vereinzelt werden Vorbereitungen zur Verschlüsselung der eigenen Daten getroffen. Zum Beispiel in Trier.

TRIER. Wer sich am vergangenen Mittwoch anlässlich der Datenverschlüsselungs-Feier in die Paulinstraße 123 begab, verspürte nach kürzester Zeit den Wunsch, George Orwell auferstehen zu lassen und mit ihm in den Räumlichkeiten des Trierer „Chaos Computer Clubs“ mit einer kalten Club Mate anzustoßen. Die Wahrscheinlichkeit ist nämlich relativ hoch, dass er sich, ähnlich wie die Mitglieder des CCC Trier, wenig erstaunt über den derzeitigen Überwachungsskandal zeigen würde.

Es ist anzunehmen, dass Orwell kein PR-Experte zur Seite stand, als sein Meisterwerk „1984“ vor mehr als 60 Jahren erschien. Aber es darf durchaus als interessanter Zufall gelten, dass in jenem Jahr, in dem seine Hauptfigur Winston den Kampf gegen die alles überwachende „Gedankenpolizei“ verlor, das Zeitalter der modernen Kryptografie eingeläutet wurde.

Die sich mit der Verschlüsselung von Informationen befassende Wissenschaft hat seither einen starken Wandel erlebt und mündete unter anderem in dem, was der bekannte Journalist und Blogger Cory Doctorow als eine Art „Tupperware-Party zum Erlernen von Kryptografie“ bezeichnet, nämlich den weltweit stattfindenden Krypto-Parties. Gemäß der Philosophie, welche hinter diesen Veranstaltungen steht, ermöglichen technikinteressierte und technisch versierte Gastgeber Laien einen angenehmen Einstieg in das doch eher theorielastige Thema und bieten in der Folge eine praktische Unterstützung beim Installieren der oftmals freien Verschlüsselungssoftware.

„Uns ist sehr daran gelegen, Anderen, welche noch nicht mit dem Thema vertraut sind, die Scheu vor eventuellen Wissenslücken oder Unzulänglichkeiten zu nehmen“, erklärt eines der Mitglieder des „Chaos Computer Clubs Trier“. So wurden die Anwesenden also schon während des kurzen Einführungsvortrags im Clublokal des CCC beruhigt und erfuhren, dass sie wegen der vielen Zahlen weder schreien, noch sofort die Flucht ergreifen müssten. Die Zahlen wichen nämlich umgehend einem anschaulichen Video, das darstellte, wie zwei Personen ihre Schlüssel austauschen, um auszuschließen, dass Dritte, an die in ihrem gemeinsamen Briefkasten befindlichen Botschaften gelangen. In der Kryptowelt heißt das Beispiel-Paar Alice und Bob, in Trier dürfen es dann gerne auch Malu und Klaus sein.

Um einen Bezug zu der eigentlich hochkomplexen Technik zu ermöglichen, wurde ein weiteres Beispiel angeführt, welches manch einem sicherlich noch aus der Kindheit bekannt sein dürfte: Der Referent verglich das eher veraltete Verschlüsselungssystem „ROT13“ mit jenem abgeänderten Alphabet, das man als Grundschulkinder untereinander austauschte, wenn man ungestört über die neue Pausenhof-Liebschaft oder zukünftige Streiche kommunizieren wollte. Innerhalb dieses System wird dem ursprünglichen Buchstaben des Alphabets einfach ein neuer Buchstabe zugeteilt und so hieße 16vor, wenn man aus dem V, ein A, aus dem O, ein B und aus dem R, ein C machen würde: 16ABC.

Verschlüsselung ist nicht die Lösung des eigentlichen Problems

Dementsprechend wurden die Gäste auf der Krypto-Party an das Thema herangeführt, aber auch gleichzeitig darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Verschlüsselung der eigenen Daten nicht als endgültige Lösung des eigentlichen Problems gesehen werden kann. Sven (Name von der Redaktion geändert) arbeitet seit mehr als einem Jahrzehnt als Informatiker bei einer großen Software-Firma und verschlüsselte seine E-Mails bereits Ende der 80er Jahre. Er bedient sich eines Papiervergleichs, um zu betonen, dass auch die Verschlüsselung keine hundertprozentige Sicherheit der Kommunikation gewährleisten kann: „Ich nutze ja auch für meine Korrespondenz auf Papier, Briefumschläge und nicht etwa Postkarten. Ein Briefumschlag schützt zwar meine Botschaft vor den Blicken jener, die meinen Brief auf dem Weg zum Adressaten handhaben, dies hilft jedoch nicht, wenn jemand den Umschlag mit viel Aufwand aufmacht, den Brief liest oder kopiert und den Umschlag dann wieder zumacht ohne offensichtliche Spuren zu hinterlassen.“

Mit eben diesen Beispiel spricht er einen hervorzuhebenden Faktor an, der im Rahmen der Informationssicherheit gleichzeitig ein wichtiges Werkzeug und ebenso eine Crux darstellt: den Aufwand. Die Entschlüsselung von Daten ist arbeits- und zeitintensiv und hält dementsprechend zumindest eine gewisse Anzahl an möglichen unerwünschten Dritten fern. Gleiches gilt jedoch auch für die Verschlüsselung, die zwar mit der richtigen Software und der Unterstützung von wohlwollenden Helfern schneller vollzogen werden kann, eher bequeme User aber trotzdem nicht unbedingt zu großen Motivationsschüben verleitet. Es scheint so, als spräche man längst nicht mehr vom dümmsten, sondern vom faulsten anzunehmenden User. „Bevor sich nicht große IT-Firmen mit der Verschlüsselung befassen und leicht bedienbare Software entwickeln, die einen Großteil der Arbeit für den User erledigt, erwarte ich keine übergreifende Reaktion in der Bevölkerung“, mutmaßt ein CCC-Mitglied.

„Was ich online tue, geht niemanden etwas an“

Sabine ist weder Computerexpertin noch ist sie faul. Sie war sich zwar bereits im Voraus der Wichtigkeit der Verschlüsselung bewusst, hörte sich jedoch am Mittwoch erstmals einen Vortrag zu diesem Thema an. Sabine lobt die lockere und vor allem verständliche Herangehensweise des Referenten, bekundet aber auch ihre Verwunderung über die Unbekümmertheit, mit der viele Internetnutzer ihre persönlichen Daten im Netz offenlegen. „Ich bin nicht bereit, mein ‚Ich‘ im Internet zu verkaufen. Die Tatsache, dass man persönliche Informationen von der Offline- in die virtuelle Welt transportiert, bedeutet doch nicht, dass sie deswegen anderen frei zur Verfügung stehen!“ Ein weiterer Gast betont: „Auch wenn ich nichts zu verbergen habe, geht das, was ich online tue, trotzdem niemanden etwas an.“ Innerhalb der Diskussion fällt auf, dass die einzelnen Definitionen von Privatsphäre sehr weit auseinandergehen, und es stellt sich immer wieder die Frage, ob ein Großteil der Nutzer weltweit die sogenannte Post-Privacy-Ära feiert, ohne es selbst zu wissen.

Auch wenn das Format „Krypto-Party“ erst im vergangenen Jahr verstärkt mediale Aufmerksamkeit erfuhr, ist die Idee des gemeinsamen Erlernens der zur Verschlüsselung benötigten, technischen Fertigkeiten wie auch die Problematik der Überwachung nicht neu. Dementsprechend hegen die Organisatoren der hiesigen Krypto-Party eher gemischte Gefühle, wenn es um das aktuell aufflammende Interesse am Schutz der eigenen Daten geht: „Einerseits freut es uns, dass viele Menschen diesen Termin wahrnehmen und gerade jetzt wissen wollen, wie sie ihre Daten bestmöglich verschlüsseln können, aber andererseits müssen wir auch darauf hinweisen, dass wir diese Hilfe eigentlich schon seit 15 Jahren anbieten.“

Anne Schaaf

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.