Umsatzsteuer? Fehlanzeige!
Derzeit macht der AStA der Universität Trier vor allem mit seinem Widerstand gegen die Mainzer Sparvorgaben von sich reden. Hinter den Kulissen jedoch arbeitet man seit Monaten an einer anderen Baustelle, die die Arbeit der studentischen Selbstvertretung für lange Zeit lahmlegen könnte: Nach Informationen von 16vor haben die Fachschaften der Uni über Jahre hinweg keine Umsatzsteuer gezahlt. Um Strafzahlungen zu vermeiden, verhandelt der AStA, dem die Finanzaufsicht über die Fachschaften obliegt, nun mit dem Finanzamt. Die Höhe der nachträglichen Steuerschuld ist noch unklar, doch ein ähnlich gelagerter Fall brachte den AStA der FH Mainz an den Rand des Ruins. Den Trierer Studierenden steht derweil zum Wintersemester eine Erhöhung ihres Semesterbeitrags ins Haus.
TRIER/MAINZ. Es war eine gehaltvolle Debatte, die sich die gewählten Vertreter im April im Studierendenparlament der Universität lieferten. Sogar die Opposition, die in der Vergangenheit nicht mit gebetsmühlenartiger Fundamentalkritik am „Links-AStA mit linksradikalen Tendenzen“ gespart hatte, zeigte sich von ihrer konstruktiven Seite und übersprang das übliche Klein-Klein der Hochschulgruppen. Gegenstand der Diskussion war die Erhöhung des Semesterbeitrags um zwei auf künftig zwölf Euro, den alle Studierenden zu Beginn jedes Semesters zu entrichten haben. Nach offizieller Lesart ist die Maßnahme gestiegenen Arbeitskosten sowie dem Inflationsausgleich geschuldet. In der Tat fand die letzte Anpassung – abgesehen von einer geringfügigen Beitragserhöhung 2011 – vor mittlerweile zehn Jahren statt. Momentan zahlen die knapp 16.000 Studierenden der Uni Trier den geringsten Obolus in ganz Rheinland-Pfalz.
Die Begründung für die nunmehr beschlossene Erhöhung enthält jedoch nur die halbe Wahrheit. So weist der offizielle Antrag zwar zusätzlich darauf hin, dass es „dringend der Einrichtung zweckgebundener Rücklagen“ bedarf, doch welchem Zweck die Rücklagen dienen sollen, geht aus dem Papier nicht hervor. Weitere Anhaltspunkte finden sich in einem zweiten Antrag, in dem Gelder für die Mandatierung eines Steueranwaltes gefordert werden. Der AStA benötige „dringend anwaltlichen Beistand für eine allumfängliche Prüfung der Fachschaftsfinanzen“, heißt es darin. Ein Schreiben an die Fachschaften, das 16vor vorliegt, liefert dann den entscheidenden Hinweis: „Der Beitrag der Studierenden wurde um zwei Euro angehoben, um die gestiegenen Kosten des AStA zu decken, aber auch um Rücklagen zu bilden und die Steuernachzahlungen für die Fachschaften bewerkstelligen zu können.“
Rechtsbeistand? Beitragserhöhung? Steuernachzahlungen? Ein Schelm, wer umgehend seine Vorurteile ob der vermeintlichen Inkompetenz der studentischen Selbstverwaltung bestätigt sieht, die der Studierendenschaft wieder mal unverfroren das Geld aus dem Jutebeutel zieht. So einfach ist die Sache nicht, eindeutige Schuldige sind schwer auszumachen. Klar ist aber: Das Finanzamt lässt sich nur dann auf eine Nachzahlung ein, wenn der vermeintliche Sünder Reue zeigt und das Thema von sich aus zur Sprache bringt. Mittlerweile wurde das Finanzamt informiert und verhandelt mit dem AStA über die Höhe der Nachzahlungen.
„Als unwissende Person ins Amt geworfen“
Um sich der möglichen Folgen der Steuerschuld bewusst zu werden, lohnt auch ein Blick nach Mainz. Der AStA der dortigen Fachhochschule hatte vor drei Jahren mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Im Zuge von Unstimmigkeiten im Finanzhaushalt hatte der Steuerberater der Studierendenvertretung bemerkt, dass seit Jahren keine Umsatzsteuer für Partys gezahlt worden war. Soweit die Parallelen. Was darauf folgte, klingt ungleich bedrohlicher: „Die für uns einzige Lösung war, eine Selbstanzeige gegenüber dem Finanzamt zu tätigen und uns so mit einer Worstcase-Berechnung abzusichern“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von AStA, StuPa und Hochschulleitung. Die Höhe der Steuerschuld war alarmierend, denn selbst nachdem die Rücklagen aufgebraucht waren, hatte der Mainzer FH-AStA noch immer die stolze Summe von 120.000 Euro nachzulegen. Um die Schulden zu stemmen, erhöhte man den Semesterbeitrag um sieben Euro und kürzte den Haushalt auf ein Minimum. Erst in diesem Semester habe die Beitragserhöhung zurückgenommen werden können, berichtet Philip Melzer vom Studierendenparlament der FH Mainz.
Ein direkter Vergleich mit der Situation in Trier gibt ein wenig Anlass zur Hoffnung. Denn während die Arbeit des AStA in Mainz maßgeblich auf die Organisation von Partys ausgerichtet ist, sind die Trierer Fachschaften breiter aufgestellt und haben dementsprechend weniger Umsatzsteuer zu zahlen. Dennoch steht die Frage im Raum, wie es dazu kommen konnte, dass man sich nun auch an der Uni Trier mit ähnlichen Problemen konfrontiert sieht?
Es ist kein Geheimnis, dass die Fachschaften, die sich für die fachlichen Belange der Studierenden des jeweiligen Faches einsetzen, chronisch unterfinanziert sind. Zusätzliche Einnahmequellen sind daher willkommen – und angesichts der Umtriebigkeit des akademischen Nachwuchses auch leicht auszumachen. Eine Problematik, der sich AStA-Sprecher Kilian Krumm durchaus bewusst ist. „Im letzten Jahr habe das Geld nicht ausgereicht, um eine strukturelle Durchfinanzierung zu ermöglichen, so dass die Fachschaften immer häufiger als Dienstleister auftreten müssen und Sachen im kulturellen Bereich organisieren. Im Laufe der Zeit habe sich das Hauptaugenmerk auf diesen Bereich verschoben“, heißt es im Protokoll der April-Sitzung. Zwar seien „nicht alle Veranstaltungen der Fachschaften umsatzsteuerpflichtig“, präzisiert Krumm, doch die Grenze zur kommerziellen Ausrichtung sei schnell erreicht – gerade wenn es darum gehe, das rege Treiben am Wochenende um eigene Partys zu erweitern.
Problematisch wird es erst, wenn sich die Ehrenamtler in den Fachschaften der Steuerlast gar nicht bewusst sind. Häufig übernehmen sie ihr Wissen über die Gepflogenheiten der Fachschaftsarbeit von ihren Amtsvorgängern – bisweilen ohne einen kritischen Blick in die komplizierte Satzung oder den Steuerreader zu werfen. Dadurch vererbt das Halbwissen von Generation zu Generation und wird zusätzlich durch eine „große Fluktuation in den Gruppen“ gefördert, so Krumm. Laura Ortner von der Fachschaft Jura bestätigt diese Vermutung: Man sei von der Umsatzsteuerfreiheit der Veranstaltungen ausgegangen und „werde als unwissende Person in das Amt geworfen.“
Kollektives Versagen der Kontrollorgane
So kann Krumm denn auch „moralisch keinen Schuldigen“ finden. Stattdessen nimmt er neben den Fachschaften den AStA und die Hochschulleitung mit in die Pflicht und räumt ein, dass „auf beiden Seiten Versäumnisse gemacht wurden“. Auch wenn keine Namen fallen, dürfte der Seitenhieb insbesondere auf seine Amtsvorgänger gemünzt sein. Ein Gutachten von 2010 kommt zu dem Ergebnis, dass die Aufsicht über die Finanzen dem AStA obliegt. Ab diesem Zeitpunkt hätte man also den Fachschaften genauer auf die Finger schauen müssen. Doch das Verhältnis zwischen den beiden ist von einem schwelenden Streit geprägt, der sich nicht zum ersten Mal an den Finanzen entzündet und die Kommunikation zwischen den Organen erschwert. Krumm, der Erfahrungen in der Kommunalpolitik gesammelt hat und um die Bedeutung von Rechtstexten und ihrer Auslegung weiß, stieß denn auch eher zufällig auf die Finanzprobleme. Ihm ist zugute zu halten, dass er die Sache jetzt ausbadet und nicht klammheimlich zur Tagesordnung übergeht – nicht zuletzt aus Gründen des Selbstschutzes: „Als Mitwisser wäre teilweise der Tatbestand einer Straftat erfüllt.“
Über die Höhe der Nachzahlungen herrscht zwar noch Unklarheit, doch ersten vorsichtigen Schätzungen zufolge wird der Betrag im fünfstelligen Bereich liegen. Das finanzielle Polster, das sich einige Fachschaften im Laufe der Zeit angelegt haben, könnte angezapft werden, um die Steuerschulden solidarisch zu begleichen und dadurch sogar eine Rücknahme der Beitragserhöhung zu ermöglichen. Die Fachschaften geloben derweil Besserung. „Nun kenne man die Steuerproblematik und könne also die Steuern zahlen“, so ein Fachschafter. Darüber hinaus erscheinen die Fachschaften künftig regelmäßig zu den Sitzungen des Studierendenparlaments und legen einen Rechenschaftsbericht ab. Auch wenn die Sache also ein glimpfliches Ende finden mag, fühlt man sich doch an eine spruchreif gewordene Volksweisheit erinnert: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.