Vom Sperrmüll ins Museum

Max Lazarus: Blick auf Trier, 1928, Tempera auf Karton. Ankauf 2008Zu den vorrangigen Aufgaben eines Museums gehören: Sammeln, Bewahren und Ausstellen. Tatsächlich bekommt der Besucher aber nur einen Bruchteil der Kunstwerke zu sehen. Die meisten liegen verborgen im Depot, wo sie unter optimalen Luft- und Temperaturbedingen für die Nachwelt konserviert werden. Das Stadtmuseum öffnete jetzt seine Schatzkammer und zeigt seit Donnerstag in „Gesammelt und gesichtet. Ausgewählte Neuzugänge im Museum“ siebzig Werke, die der Öffentlichkeit sonst vorenthalten sind. Dazu gehören Gemälde, Grafiken, Textilien und Kunsthandwerk, die als Schenkungen und Ankäufe in den vergangenen fünfzehn Jahren Teil der Sammlung wurden. Darauf liegt auch der Fokus der Ausstellung: Neben jedem Exponat gibt eine Infotafel Auskunft über dessen Weg ins Museum.

TRIER. Alle Kunstwerke haben einen eindeutigen Bezug zur Stadt: Sie zeigen Trierer Motive, stammen aus der Hand Trierer Künstler oder sind durch historische Ereignisse mit der Stadt verbunden. In verschiedenen Themenbereichen sortiert, bieten sie einen Rundgang durch die Stadtgeschichte – vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

Im Eingangsbereich wird der Besucher mit den Trierer Stadtansichten aus dem 19. Jahrhundert empfangen. Das beliebte Motiv offenbart einerseits einen romantischen Rückblick auf die historischen Ruinen, kann aber andererseits als eine Momentaufnahme der zeitgenössischen Gegenwart gelesen werden. Die Stadtentwicklung der letzten 200 Jahre lässt sich hier anschaulich an den Gemälden nachvollziehen.

Im nächsten Abschnitt hängen Porträts von Trierer Bürgern, die ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammen. Man legte damals genauso wie heute großen Wert auf eine modische Erscheinung und daher sollten die Kleidungsstücke so detailgenau wie möglich vom Künstler wiedergegeben werden. In der angrenzenden Vitrine illustrieren zeitgenössische Textilien und Schmuckstücke die modebewusste Haltung des aufstrebenden Trierer Bürgertums. Spannend sind auch die Geschichten hinter den Bildern: Das Porträt des Historikers Johann Hugo von Wyttenbach wurde vom Stadtmuseum bei einer Auktion gekauft. Der damals noch anonyme Künstler stellte sich nach Recherchen des Museums bald als der berühmte Trierer Maler Johann Anton Ramboux heraus – ein Glücksgriff in doppelter Hinsicht.

Der Bereich zur Trierer Werkkunstschule ist im 20. Jahrhundert angesiedelt. Neben dem künstlerischen Einfluss der Schule thematisiert er auch bedeutende Ereignisse der deutschen Geschichte. Der jüdische Maler Max Lazarus wurde während der NS-Diktatur verfolgt und emigrierte daraufhin 1938 in die USA. Ausgestellt ist ein früheres Werk seiner Heimatstadt mit dem Titel „Blick auf Trier“ aus dem Jahr 1928.

In der Gegenwart lebt die Tradition der Kunstförderung in Trier weiter. Der inzwischen alle vier Jahre von der Stadt verliehene Ramboux-Preis ermöglicht den Gewinnern eine Einzelausstellung und beinhaltet auch den Ankauf eines ausgewählten Werks. Von der 2010 ausgezeichneten Künstlerin Judith Röder wurde vom Stadtmuseum eine Kugel aus Glas ausgewählt. Für einen Moment hat sie ihr ganzes Bewusstsein in einen Atemzug gelegt und ihn in Glas verewigt. Der Titel des Werks „Anima“ bedeutet im Lateinischen sowohl „Atem“ als auch „Seele“.

Auch international bekannte Künstler wie Rut Blees Luxemburg sind in der Ausstellung vertreten. Die in Trier geborene und heute in London lebende Fotografin, zeigt mit „The Force of Music, Klausen“ ihre tiefe Verbundenheit zu ihrer Heimat und ein Gespür für verborgene Orte. Das dargestellte Chorgestühl aus der Wallfahrtskirche Klausen übt eine unwiderstehliche Faszination auf den Betrachter aus. Die abgenutzten Sitzflächen zeugen von jahrhundertelangem Gebrauch und der tiefen Bedeutung, die diesem Ort innewohnt.

Die Kuratorin Dorothée Henschel führte zur Eröffnung durch die Ausstellung. Foto: StadtmuseumNeben den Gemälden und Fotografien gehören auch zahlreiche kunsthandwerkliche Gegenstände aus Porzellan und Silber zum Bestand des Stadtmuseums. Moderne Textilien spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle. Regelmäßig werden ausgewählte Abschlusskollektionen aus dem Fach Modedesign der Trierer Hochschule aufgekauft.

Die vielfältigen Exponate kamen dabei auf unterschiedlichste Art und Weise in die Sammlung. Die Kuratoren haben immer ein Auge auf den Kunstmarkt, um für das Stadtmuseum relevante Stücke anzukaufen. Dabei führt der Weg nicht immer über das klassische Auktionshaus, auch auf Ebay werden regelmäßig Kunstwerke ersteigert. Zahlreiche Ausstellungstücke wurden dem Museum von Privatpersonen geschenkt. Der bei der Eröffnung anwesende Stifter Constantin Cnyrim, ein Erbe der bekannten Trierer Familien Tobias und Rautenstrauch, erläuterte seine Motive für die großzügige Schenkungen aus dem Familienerbe: „Ich verspüre eine tiefe Verbundenheit zu Trier und meine Familienerbstücke haben einen hohen ideellen Wert für die Stadt. Deswegen sollen sie auch allen Trierern zugänglich sein.“

Andere Objekte nahmen dabei einen deutlich verschlungeneren Weg ins Museum. Ein in den 1920er Jahren gebautes multifunktionales Stapelbett von Hans Proppe, der als Lehrer an der Werkkunstschule tätig war, wurde in den 90er Jahren auf dem Sperrmüll gefunden. Bis vor kurzem noch als Kinderbett genutzt, reiht es sich heute in die Gruppe der Museumstücke ein.

Egal ob vom Sperrmüll, von Ebay oder aus dem Haus eines Erben, jedes der gezeigten Ausstellungstücke hat eine spannende Geschichte zu erzählen – und alle zusammen erzählen die Geschichte der Stadt Trier.

Parallel zu „Gesammelt und gesichtet“ zeigt das Stadtmuseum bis zum 12. Januar in „Gute Form“ Wettbewerbsarbeiten der Schreinerinnung Rheinland-Pfalz.

Luise Glauert

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