Laas‘ Letters from London… #12

Ein Glück, ich bin endlich wieder zuhause – in London. Nur gut, dass ich durch die massiven „Pilgermassen“ (mit ihren „Ich helfe“-Jacken) in Trier an Menschenaufläufe gewöhnt wurde und so fühlt sich die übervolle Tube fast gemütlich an, wie ein Kaffeekränzchen mit Freunden. Endlich wieder zuhause und zurück in dieser wunderbaren Metropole. Wie habe ich diese Geschwindigkeit, die Polizeisirenen und die Coffee-to-go-Becher vermisst.

Trier im Wallfahrtswahn ist dennoch eine Reise wert gewesen, um dabei zu sein, wenn Jesus‘ Sterbehemd nach 16-jähriger Abstinenz mal wieder der Öffentlichkeit gezeigt wird. Alles war so gut organisiert. Überall Informationen, Stadtkarten und Helfer, die einem den richtigen Weg zeigten beziehungsweise gern gezeigt hätten. Enttäuschend war dann leider die Leere, die selbst angekarrte gläubige Pfadfindergruppen aus ganz Europa und sämtliche katholische Jägervereine aus der Region nicht füllen konnten. „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ ist so ein alter Spruch, der mir dabei in den Sinn kam. Was beim Krieg sicherlich wünschenswert ist, ist bei einer Wallfahrt der Supergau!

Bin ich zu voreilig und sollte mit meiner Enttäuschung bis zum 13. Mai warten, wenn der „Heilige Rock“ wieder eingepackt wird? Kommen die echten Massen noch und die erste Woche gehörte mehr der Politprominenz aus Luxemburg und Umgebung?? Oder liegt es daran, dass ich niemanden kenne, der sich die gesamte Staffel von den Waltons 13 Mal in Wiederholung anschaut und man es daher bei einem einzigen Besuch belässt??? Vielleicht waren die Pilger auch alle in der Reliquienausstellung in der Tufa, welche gleich zu Beginn (14. April) überrannt wurde. Woran auch immer es gelegen haben könnte, so wünsche ich mir als Wahltrierer und Lokalpatriot, dass die vielen Straßen nicht unnötig abgesperrt wurden und da noch was abgeht an der Mosel.

Genug von Trier und zurück nach London und einer ganz anderen Wallfahrt. Momentan pilgert der (kunst)interessierte Londoner in die Tate Modern und besichtigt die Retrospektive von Damien Hirst, welche am 4. April eröffnet wurde. Über Besuchermangel braucht man sich hier sicherlich keine Sorgen machen, denn der kontroverse und viel diskutierte „Künstler“ zeigt alles, was er zu bieten hat. Das Angebot geht von Punktemalerei, medizinischen Instrumenten, Medizinschränken, einem XXL-Aschenbecher bis zum eingelegten Hai, den wohl sicherlich auch die Kunstbanausen unter Euch kennen dürften.

Ob es sich dabei um Kunst handelt und nicht nur um ein gut vermarktetes Branding ist eine ganz andere Diskussion, welche hier parallel zur großen Ausstellung geführt wird. Kunst hin oder her, eins ist er mit Sicherheit – ein Phänomen, an dem man in London kaum vorbei kommt. Er ist überall präsent und wenn er den Mund aufmacht auch kaum zu überhören. Würde man weltweit eine Umfrage starten, was bekannter ist, die Tunika Christi zu Trier oder ein Werk von Damien Hirst, so würde letzterer sicherlich besser abschneiden.

Etwas weiter gedacht frage ich mich, was die katholische Kirche bei der nächsten Wallfahrt von ihm lernen könnte. Kleiner Tipp: Als ausgefuchsten Geschäftsmann kann man Herrn Hirst sicherlich als Berater buchen und zusätzlich mit Pillenschränken den Trierer Dom von innen und außen schmücken.

Schmücken ist dabei sicherlich das passende Wort, denn seine Kunst ist sehr wohl verlockend und so faszinierend wie eine gut präsentierte Uhr der Firma Rolex. Und weil die Werke so gefällig daherkommen, scheinen sie auch global auf Interesse zu stoßen. Vielleicht liegt es aber auch an den lang ausformulierten Werktiteln, welche meist mit der Arbeit nichts zu tun zu haben scheinen, oder der Nähe zu den großen Themen des Lebens. Was auch immer es ist, so löst Hirst auch bei mir eine Hass-Liebe aus, und während ich in der sechsten Etage im Member’s Room der Tate diese Kolumne schreibe, wartet bereits seine Ausstellung in der dritten Etage darauf, noch einmal von mir besucht zu werden. Das mehrfache Pilgern zu einer Ausstellung in der Tate ist generell Pflicht, eine reine Freude und ist auch nie langweilig.

Zum Schluss komme ich dann noch einmal auf die Waltons zurück. Mal ganz ehrlich, wer die Serie als Kind gesehen hat, der schaut sie sich als Erwachsener sicherlich noch ein zweites Mal an, oder?

Also aufgepasst Trier, die Massen werden kommen!!!

Bis demnächst – Euer Laas

TIPP
www.heilig-rock-wallfahrt.de
www.tufa-trier.de
www.tate.org.uk/whats-on/tate-modern/exhibition/damien-hirst
www.youtube.com/watch?v=sYyIPbPAQ2Y
https://www.artsy.net/artist/damien-hirst

Der Berliner-Trierer Konzeptkünstler Laas Koehler berichtet alle 14 Tage für 16vor aus London. Mehr Informationen unter: www.laaskoehler.tumblr.com.

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