Kultur statt Kürbisse

Alexandra Orth referiert im Stadtmuseum zum Thema "Der Teufel als Gegenkonzept". Foto: Luise GlauertHalloween erfreut sich seit längerer Zeit in Deutschland wachsender Beliebtheit. Als „All Hallows Eve“ (Aller Heiligen Abend) schwappte die Welle aus Kürbisköpfen und Horrorfilmen in den 90er Jahren aus den USA zu uns. Mit der zunehmenden Kommerzialisierung traten die Ursprünge des Feiertags Allerheiligen jedoch in den Hintergrund. Die „Nacht der Heiligen“ versuchte auf abwechslungsreiche Weise, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und über Bräuche und historische Ursprünge aufzuklären. Wer am Donnerstagabend auf Kürbisse und Kunstblut verzichtete und sich stattdessen auf die Premiere dieser Veranstaltung einließ, wurde nicht enttäuscht. Die drei großen Trierer Museen boten mit Führungen, Vorträgen und Unterhaltungsangeboten für Kinder und Erwachsene ein vielfältiges Programm.

TRIER. Die Koordinatorin der Veranstaltung Christine Stolpe freute sich über die durchweg positive Resonanz der Besucher: „Wir sind sehr zufrieden mit dem Erfolg der ersten ‚Nacht der Heiligen‘. Wir hatten durchweg doppelt so viele Teilnehmer bei den Führungen wie sonst und konnten auch bei den Aktionen für Kinder punkten.“ Da dies die erste Veranstaltung ihrer Art sei, könne man sie natürlich noch nicht mit etablierten Events wie der „Langen Nacht der Museen“ vergleichen. Insgesamt stünden die Chancen für eine Wiederholung im nächsten Jahr äußerst gut.

Wer an diesem Abend nicht auf Gruselmomente verzichten wollte, konnte diese auch in kulturellem Rahmen erleben. Das Stadtmuseum Simeonstift machte es sich zur Aufgabe, über die für heutige Verhältnisse seltsam anmutenden Praktiken des mittelalterlichen Heiligenkultes aufzuklären. Der Abend begann mit einem wissenschaftlichen Vortrag von Dr. Wolf-Rüdiger Teegen über die Frage, warum man im Mittelalter aus den Hirnschalen toter Heiliger trank. Da man den Reliquien Heilkräfte zuschrieb, diente der Genuss von gesegnetem Wein aus der Schädelkalotte des Trierer Lokalheiligen Theodulf der Genesung von profanen Erkrankungen wie Fieber oder Zahnweh.

Im Museum am Dom widmete sich Manuel Uder dem Ursprung des Allerheiligenfestes und seiner Geschichte bis zur Gegenwart. Das von Papst Gregor IV. im 9. Jahrhundert auf den 1. November gelegte Hochfest der katholischen Kirche wird quasi seit jeher missverstanden. Die Überlagerung von Allerheiligen durch den nachfolgenden Tag Allerseelen, an dem allen Toten gedacht werden soll, hat die ursprüngliche Bedeutung des Tages verdrängt. Heute findet daher in der Regel an Allerheiligen der traditionelle Gräbergang über den Friedhof statt. Zusätzlich verband sich damit schon immer eine gehörige Portion Aberglauben. So wurde zum Beispiel darauf geachtet, an diesem Tag keine gefährlichen Gegenstände herumliegen zu lassen. Die Angst war groß, eine umherstreifende Seele könne sich daran verletzen. Zum vielfältigen Brauchtum von Allerheiligen gehören auch Backwaren wie der Allerheiligenstriezel oder das Totenbeinli. Ein Gebäck dessen Form seinem Namen gerecht wird.

Über die christlichen Ursprünge des Festes hinaus unterhielt das Museum am Dom seine Besucher mit musikalischer Untermalung durch den Trierer Kammerchor „portavoci“. Dieser trat dreimal an unterschiedlichen Orten im Museum auf, wobei er unter anderem bekannte Heiligenlieder vortrug und jedes Mal eine große Zahl von Zuhörern anlockte.

Im Nebenraum griff Museumsdirektor Markus Groß-Morgen selbst zur Kamera und inszenierte gemeinsam mit Klaus Maßem seine Gäste als Heilige. Während der langen Belichtungszeit malte Klaus Maßem den Porträtierten aus Licht Flügel oder Heiligenscheine. Anschließend konnte jeder sein Foto kostenlos mit nach Hause nehmen. In diesem Raum bildete sich schnell eine Menschenmenge, die jedes Ergebnis ausgiebig bestaunte.

Das Landesmuseum bot mehrere Sonderführungen über den Heiligenkult in Trier durch die Dauerausstellung an. Kunsthistoriker Dr. Peter Seewaldt zeichnete bei seinem Rundgang über die bildlichen Zeugnisse eine deutliche Entwicklung von der Antike bis ins Mittelalter nach. Von der ersten Darstellung eines Heiligen auf einem liturgischen Gefäß aus dem 5. Jahrhundert, wuchs die Zahl bis ins Mittelalter sprunghaft an. Die massenhafte Produktion von Heiligenbildern breitete sich dabei bis auf Alltagsgegenstände aus. Egal ob als bemalte Tonfigürchen, Kamintüren oder als privates Andachtsbild, für jeden Geldbeutel war etwas dabei. Dabei haben die Figuren jedoch immer eine tiefere Funktion: Heilige galten als Fürsprecher der Menschen vor Gott. Sie waren Schutzpatrone und Ansprechpartner für alle Sorgen und Nöte.

Als Rahmenprogramm konnten Kinder für ihre Namensheiligen Kerzen gestalten, während den Erwachsenen ein Weinausschank zur Verfügung stand. Dass im selben Raum eine antike Mumie in einer Vitrine aufgebahrt war, schien niemanden zu irritieren – die Toten waren an diesem Abend überall präsent.

Nahe der Geisterstunde beendete das Stadtmuseum den Themenabend mit einer Führung zum Gegenkonzept der Heiligen – dem Teufel. Als Projektionsfläche für alle Ängste und Nöte der Menschen taucht er in der Kunst in unterschiedlichster Gestalt auf. Alexandra Orth beschrieb auf unterhaltsame Art und Weise, welchen Ursprüngen seine Formen als Schlange oder Mischwesen aus Mensch und Ziege zugrunde liegt.

Als noch gefährlicher als der Teufel galt im Mittelalter jedoch die Frau. Sie wurde für den Sündenfall und damit für alles Schlechte in der Welt verantwortlich gemacht. In einem mittelalterlichen kirchlichen Disput wurde sogar die Frage erörtert, ob die Frau überhaupt menschlich sei.

Diese Zeiten sind zum Glück vorbei und so entließ die „Nacht der Heiligen“ ihre Besucher gegen Mitternacht mit einer Fülle von interessanten und unterhaltsamen Eindrücken. Während sich der mittelalterliche Mensch in der Auseinandersetzung mit dem Teufel seinen bittersten Ängsten gegenübergestellt sah, empfinden wir es heutzutage als angenehm, uns ein bisschen zu gruseln. Aus der Furcht vor den Qualen der Hölle ist mittlerweile Entertainment geworden. Damit schließt sich der Kreis zu Halloween und zum ewig missverstandenen Fest Allerheiligen. Dabei geht es nämlich gar nicht um den Tod, sondern um die Erlösung.

Luise Glauert

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