Kneipe muss Wohnungen weichen
Wenn in anderen Kneipen bereits die Rollläden heruntergelassen werden, ist der „Treff 39“ oft eine der letzten Anlaufstellen für die, die noch nicht nach Hause wollen. Nicht nur wegen der besucherfreundlichen Öffnungszeiten, auch wegen des illustren Publikums und einer Tanzfläche ist der kleine Club beliebt. Dessen Gäste können jedoch schon mal langsam anfangen, sich nach Alternativen umzuschauen. In weniger als einem halben Jahr muss das Lokal in der Paulinstraße schließen. Der Besitzer hat andere Pläne mit dem Grundstück und dem eingeschossigen Gebäude.
TRIER. Goldumrahmte Spiegel, Sitzbänke mit blauem Knautschlederbezug und ein Kronleuchter über der Theke, für Lichteffekte im hinteren Tanzraum sorgen Schwarzlicht und eine Discokugel – im „Treff 39“ ist innenarchitektonisch und technisch schon vor einigen Jahren die Zeit stehengeblieben. Während dies einen gewissen Reiz hat und auch den Charakter des Clubs ausmacht, gibt es beispielsweise in den sanitären Anlagen Dinge, die – gelinde gesagt – verbesserungswürdig sind. Jetzt müssen sie allerdings auch nicht mehr saniert werden, denn die Tage der Kneipe sind gezählt.
„Eine Ära geht zu Ende“, bedauert der Wirt Jacek Baczynski. Wie ein Damoklesschwert schwebt die Abrissbirne über dem „Treff 39“. Nach Aschermittwoch wird sie einschlagen. Dann ist die einstige reine Schwulenbar Geschichte.
Es ist bereits beschlossene Sache, dass der Mietvertrag nicht mehr verlängert wird. Laut Vermieter Äbbi Simons, zugleich Geschäftsführer einer Grundstücksverwaltung und Wohnungsbaugesellschaft, wird ebenfalls die kleine Änderungsschneiderei nebenan dem Erdboden gleichgemacht. Entstehen soll auf der Baufläche von rund 370 Quadratmetern ein vierstöckiges Gebäude mit sieben Wohnungen. Darüber hinaus sind eine Dachterrasse und ein ebenerdiges Parkdeck für elf Autos geplant. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2015 vorgesehen.
Das Amüsierlokal ist längst nicht mehr nur eine Schwulenkneipe. Das breitgefächerte homo- und heterosexuelle Publikum reicht von Studenten bis zu Geschäftsleuten. Die einen kommen, um potenzielle Partner kennenzulernen, die anderen, um zu tanzen oder nur etwas zu trinken. Und natürlich auch zum Reden. „Auch Hetero-Männer sind Menschen und haben manchmal Redebedarf“, scherzt Jacek. „Niemand trinkt hier Bier, ohne ein Wort zu sagen.“
Als er im „Treff 39“ anfing, war der heute 38-Jährige noch nicht der geeignete Gesprächspartner für Einheimische. „Der Treff war meine Schule. Hier habe ich Deutsch gelernt“, erzählt der gebürtige Pole. Als sein Chef, Manfred Clauss, ihn damals einstellte, war er kaum der deutschen Sprache mächtig.
Seit Jahren verrichtet Jacek die Arbeit „bei seiner Familie“ mit einer Menge Herzblut. So entwickelte er sich vom Gläserspüler zu einer Art Markenzeichen des Lokals. Seine offene, soziale und kommunikative Art legt er auch privat und vor dem Tresen nicht ab. „Ich lasse mich überraschen, wie es beruflich weitergehen wird, doch mein Wesen kann ich nicht ändern.“
Auch dem Pächter fällt der Abschied von seinem „Treff 39“ schwer, obwohl er nicht mehr jeden Abend dort präsent ist. Schon einmal musste er eine Kneipe früher als gewollt aufgeben, als der Mietvertrag seiner „Kulisse“ in der Weberbach nach fünf Jahren auslief und anschließend ein Teppichgeschäft beherbergte. „Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als wir die größten Erfolge verbuchten und das Geschäft gut lief.“
Manfred dachte damals noch lange nicht ans Aufhören. Durch einen Zufall wurde ihm der bereits seit zehn Jahren unter dem Namen existierende „Treff 39“ angeboten. „Ich habe lange gebraucht, um mich im ‚Treff‘ zu Hause zu fühlen“, sagt der Gastwirt. Obendrein war das Publikum ein anderes. Doch nach ungefähr 21 Jahren blickt er auf eine gute Zeit zurück und schmunzelt. „Die besten Jahre hatten wir von 2004 bis 2007, auch den besten Ärger mit den Nachbarn und dem Ordnungsamt.“
Andere in der Trierer Homosexuellenkultur beliebte Bars wie die „Palette“ sieht Manfred nicht als Konkurrenz, sondern vielmehr als Partner. Den Rückgang der homosexuellen Besucher führt er in erster Linie auf die Möglichkeiten des Internets zurück. „Heutzutage braucht man nicht mehr unbedingt auszugehen, um Gleichgesinnte kennenzulernen. Man tauscht sich einfach auf diversen Plattformen im Netz aus.“
Als bedauerlich erachtet er den Wandel der Zeit – einige Gaststätten in Trier mussten bereits weichen, damit der Wohnungsbau gedeihen konnte. „Die Leute haben seit der Eurokrise Angst um ihr Geld und investieren sicherheitshalber in Betongold“, bedauert der Pächter. Mit seinen Vermietern habe es jedoch allezeit ein freundliches Auskommen gegeben. Dass der Abriss des „Treff 39“ eines Tages aktuell wird, war allgemein bekannt. Mit einem eingeschossigen Haus lässt sich nun einmal nicht viel verdienen.
Konkrete Pläne für die Zukunft nach dem Aschermittwoch äußert Manfred nicht. „Es kommt, wie es kommt“, so der 54-Jährige. „Notfalls mache ich einen normalen Job.“
von Rebekka Pick