Klassik kann auch cool sein

Die Veranstalter des „Mosel Musikfestivals“ haben das Programm für das kommende Jahr vorgestellt, das weit weniger konventionell ist, als der wallfahrtsbezogene Titel „Gott und die Welt“ vermuten lässt. Neben dem bewährten Formaten und Künstler wagt man sich auch an Neues: Orgel-Revolutionär Cameron Carpenter spielt unter freiem Himmel, und in den Viehmarktthermen versucht man sich am ungezwungenen Klassikkonzert.

Logo von hunderttausend.deTRIER. Am Freitagvormittag, pünktlich um 11.30 Uhr, druckt ein Kartendrucker bei der Programmpräsentation in den Viehmarktthermen feierlich das erste Ticket für das „Mosel Musikfestival“ 2012 aus. Ab diesem Moment ist der Vorverkauf eröffnet. Erinnert man sich an den letzten Sommer, als es manchmal im Tagestakt „Ausverkauft“-Mitteilungen hagelte, wirkt dieser Moment wie eine Warnung: Wer Tickets will, sollte sich rechtzeitig kümmern. Denn bei dem vorgestellten Programm wenig spricht dafür, dass dieser Umstand sich im nächsten Jahr ändern sollte. 52 Konzerte an 31 Spielstätten finden von 1. Juli bis 3. Oktober statt. Das größte rheinland-pfälzische Klassikfestival präsentiert Größen der Klassik in einem Ambiente, das um einiges intimer und origineller ist als gesichtslose Kongresshallen. Im Jahr 2012 steht die Konzertreihe entlang der Mosel unter dem Kultursommer-Motto „Gott und die Welt“.

„Die anstehende Wallfahrt hat zusammengebracht“, erklärt Festival-Intendant Hermann Lewen den Bezug zur Heilig-Rock-Wallfahrt, die nicht nur im Motto, sondern auch im Programm ihren Spuren hinterlässt: Auftakt des Festivals ist das Sinfoniekonzert mit Gustav Mahlers „Auferstehung“ am 5. Mai, das bewusst in die Wallfahrts- und Osterzeit gelegt wurde. Knapp zwei Monate später, am 1. Juli, eröffnen Werke von Haydn, Bach und Strawinsky in der „Psalmensinfonie“ offiziell das 27. „Mosel Musikfestival“. Eine kritische Auseinandersetzung mit einem der dunkelsten Kapitel der Kirchengeschichte bietet die musikalisch-visuelle Aufführung „Der Richter muss brennen!“ des Trierer Komponisten Joachim Reidenbach in der Regie von Judith Kriebel (16. September).

Wohl zu den Höhepunkten im Programm zählt die „spektakuläre Verpflichtung“ (Lewen) von Cameron Carpenter, berühmt-berüchtigtes Enfant Terrible an der Orgel. „In manche Kirche wird Carpenter nicht mehr eingelassen, weil er schon reihenweise Orgeln ruiniert hat“, sagt Hermann Lewen, der den Open-Air-Auftritt des international umstrittenen Organisten zu seinen Lieblingsprojekten zählt. Gefahr für die Orgel in der Basilika besteht aber nicht: Carpenter spielt auf seiner eigenen, digitalen und transportablen Orgel.

Wieder einmal besondere Verdienste hat das Festival in der Disziplin der „Trüffelsuche“ geleistet, wie Lewen es nennt und damit meint: außergewöhnliche Talente entdecken und buchen, bevor sie unbezahlbar werden. Exemplarisch gelungen ist das im Fall des 19-jährigen Pianisten Kit Armstrong, dem von Über-Pianist Alfred Brendel attestiert wurde, er sei „die größte Begabung, der er je in seinem Leben begegnet sei“. Für das „Mosel Musikfestival“ tauscht Armstrong die ganz großen Konzertsäle der Weltmetropolen noch einmal gegen den vergleichsweise überschaubaren Barocksaal des Klosters Machern ein (7. Juli)(Mit Beethovens „Für Elise“ und „Die Wut über den verlorenen Groschen“ kommt hier auch die Pop-Fraktion unter den Klassikhörern auf ihre Kosten).

Als Spielort wiederentdeckt wird im Klassiksommer 2012 die Liebfrauenkirche. Nach vierjähriger Sanierung wurde der gotische Sakralbau jüngst wieder für die Öffentlichkeit geöffnet, am 21. September singt dort das „Echo Klassik“-prämierte Vokalensemble Singer Pur und gibt damit das erste Konzert seit der Wiedereröffnung. Große Namen wehen am 27. Juli mit dem Quartett um Julia Fischer in das Macherner Kloster: Neben der – auch über Klassikkreise hinaus – berühmten Violinistin spielen auch der Shooting-Star an der Bratsche, Niels Mönkemeyer, sowie Alexander Sitkovetsky (Violine) und Benjamin Nyffenegger (Cello). „Diese Kombination ist das Hochkarätigste, was man momentan im Bereich Kammermusik buchen kann“, so Lewen.

Neu ist in diesem Jahr das offensive Werben um junge Zuhörer: Erstmals findet in den Viehmarktthermen mit der „JTI Classic Lounge“ (11. August) eine Konzertform statt, die speziell auf die Jugend zugeschnitten ist und mit der starren Konzert-Etikette brechen will: Die drei Ahn-Schwestern (Geige, Klavier und Cello, ebenfalls prämiert mit dem Klassik-Echo) sind der wandelnde Beweis dafür, dass virtuose Klassik und cooles Auftreten sich nicht ausschließen müssen. Passend dazu sitzt das Publikum auf Sofas oder dem Boden, es gibt Cocktails und einen DJ, der zwischendurch auflegt – die übliche Distanz zwischen Künstler und Publikum soll hier gar nicht erst aufkommen. Mit zehn Euro ist der Eintritt zu dieser Veranstaltung bewusst studentenfreundlich gering gehalten.

Mit über 20 Konzerten ist Trier die unbestrittene Kapitale des Festivals, nirgends finden mehr Veranstaltungen statt. Ein Status, der sich in den kommenden Jahren auch in der finanziellen Beteiligung niederschlagen soll: „Die Stadt Trier wird ihr Engagement beim ‚Mosel Musikfestival‘ erhöhen“, kündigte Kultur- und Wirtschaftsdezernent Thomas Egger am Freitagvormittag an, ohne dabei einen konkreten Betrag zu nennen. Mobilisiert werden sollen die zusätzlichen Mittel durch Verschiebungen im Etat.

Während der Kartenvorverkauf seit Freitag läuft, ist das Programm des aktuellen Jahres noch nicht ganz an seinem Ende angelangt: Am 18. Dezember findet in der Basilika mit Bachs Weihnachtsoratorium das Adventskonzert statt – zumindest für diese Veranstaltung gibt es noch einige Restkarten.

Das komplette Programm des „Mosel Musikfestivals“ 2012 findet sich hier.

Kathrin Schug

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