Klang der Welten

Das Opening-Festival geht in die 12. Runde: Ab heute werden in der Tuchfabrik drei Tage lang wieder alle Register der Neuen Musik gezogen. Dieses Jahr im Mittelpunkt des internationalen Festivals für aktuelle Klangkunst: Der Brückenschlag zwischen Alt und Neu, Ost und West, Komposition und Improvisation. Und natürlich John Cage, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Nicht weniger als 21 Interpreten gestalten ein umfangreiches und vielseitiges Programm. Im Rahmen von zehn Konzerten werden Werke von 17 Komponisten aufgeführt, darunter zwei Uraufführungen und eine konzertante Erstaufführung.

TRIER. In Zeiten knapper kommunaler Kassen muss man ganz besonders dankbar sein, dass Stadt und Tufa sich eine Veranstaltung wie das Opening-Festival leisten – mit einem verhältnismäßig bescheidenen, aber doch immerhin vorhandenen Budget von rund 25.000 Euro. Mit unbeirrbarer Sicherheit verweigert sich das Festival alljährlich dem Diktat auslastungsoptimierender Mainstream-Acts und lauwarmer programmatischer Kompromisse. Stattdessen gönnt man sich die – mittlerweile fast zum Luxus gewordene – Überzeugung, dass ein Festival von der Qualität der eingeladenen Künstler und einem schlüssigen programmatischen Konzept lebt.

Bernd Bleffert und Thomas Rath, zum zweiten Mal künstlerische Leiter des Festivals, haben bei ihrer Übernahme im letzten Jahr den Schwerpunkt von Theater, Tanz und Musik zu Gunsten der Klangkunst verlagert. Im Fokus des Interesses liegt bei der diesjährigen Ausgabe der Brückenschlag zwischen Alter und Neuer Musik, westlichen und östlichen Ansätzen, streng komponierten und frei improvisierten Klängen. Positionen, die gerade in ihrer Gegenüberstellung klar umrissen werden sollen.

Das Programm wird von 21 Interpreten in zehn Konzerten gestaltet. Werke von 25 Komponisten kommen zur Aufführung, darunter zwei Uraufführungen. Ein Schwerpunkt des Festivals liegt auf dem amerikanischen Klangkünstler John Cage, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Ein nonkonformer Revolutionär der Hörgewohnheit und Impulsgeber Neuer Musik, der seit einiger Zeit übrigens Hochkonjunktur auf Trierer Plakatwänden haben, seitdem das Artwork des Clubs „villaWuller“ sich mit Vorliebe seiner Sinnsprüche bedient (allen voran: „It’s useluss to play lullabies for those who cannot sleep“). Mehrere Konzerte im Verlauf des Festivals widmen sich Cages Werk, in dem Workshop „Cage for Kids“ können Kinder ab sechs Jahren spielerisch mit experimenteller Musik in Berührung kommen.

Eröffnet wird das Festival heute mit einem fast schon klassischen Werk des Dadaismus: Kurt Schwitters‘ Lautgedicht „Ursonate“, gesprochen und gespielt von Solofagottist Alexander Voigt, der dem sperrigen Urlauten unbekannte Musikalität entlockt. Dazu nutzt er: Fagott, Tenorposaune, flexibles Abwasserrohr für Spülbecken, PVC-Verbindungsstück, Gitarrenplektron extrahart, Notenständer, Fußboden, Stimmbänder, Rachenraum, Stirnbereich, Wangenhaut und Nase.

Im Anschluss präsentiert das japanische Piano-Duo Aya und Kozue Hara in einem vierhändigen Klavierkonzert neben eigenen Kompositionen auch Werke von Erik Satie und John Cage sowie eine Uraufführung von Kunsu Shim. Im weiteren Programm für den Freitagabend vereint der Percussionist Thorsten Gellings Bewegung und Klang zu artistischer Körperpercussion. Den Abschluss findet der erste Festivalabend mit einem Konzert des britischen Baritonsängers Martin Lindsay. Er lädt zu einem Parforceritt durch den internationalen Sologesang in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts und eröffnet neue Perspektiven auf bekanntes Liedgut.

Den Samstag eröffnet der künstlerische Leiter Bernd Bleffert mit einer Eigenkomposition unter dem Titel „weh mir, wo nehm ich, wenn es winter ist die blumen“. Uraufgeführt wurde das Werk 2011 im japanischen Garten Trier, erstmals ist es in einer konzertanten Fassung zu hören. Das Cello-Recital mit Video von Michael Bach kreist um die Bearbeitung eines Paganini-Capriccios und die Eigenkomposition mit dem Titel „18-7-92“, die während eines Arbeitstreffens mit John Cage entstand. Ein ausdrucksstarkes Spannungsfeld zwischen Klang und Stille entsteht bei der Tanz- und Musikperformance „Flügel“. Das abschließende Performance-Konzert „Participation“ der Komponisten Kunsu Shin und Gerhard Stäbler beschwört die Ideen der Fluxus-Bewegung. Bei den Kompositionen von John Cage und Nam June Paik werden nicht nur Zeit und Raum spontan miteinander verbunden, die Zuschauer erleben auch ein Upgrade zu Mitwirkenden des Abends.

Der Sonntag beschließt das Festival mit einem Wechsel-Konzert, in dem der programmatische Anspruch noch einmal greifbar wird: Die aus Taiwan stammende En-Ju-Lin spielt sowohl klassische als auch aktuelle Musik auf der Pipa (chinesische Laute). Im Wechsel hierzu improvisieren die Musiker Wolfgang Schliemann (Schlagwerk), Martin Speicher (Klarinette) und Ulrich Philipp (Kontrabass) erstmals gemeinsam als Trio, „weil improvisierte Musik immer auch Uraufführung ist“.

Logo von hunderttausend.deHätte John Cage die Stadt Trier und das manchmal recht konservative Ausgehverhalten seiner Bürger gekannt, er hätte dem Festival eines seiner Zitate gewiss gerne als Slogan vermacht: „I can’t understand why people are frightened of new ideas. I’m frightened of the old ones.“

Kathrin Schug

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.