Kennen Sie… Nells Mühlchen?

Die Mühle im Nells Park wurde durch den kanalisierten Zufluss des Aveler Bachs gespeist. Idyllisch gelegen, wird das Haus heute nicht mehr genutzt, jedoch in seinem überkommenen Zustand erhalten. Foto: Bettina LeuchtenbergDie Mitte des Nells Parks in Trier-Nord bildet ein See, der aus dem Aveler Bach gespeist wird. Das fließende Gewässer hat einst eine Mühle angetrieben, die auch heute noch am Wasserrand zu finden ist. Auf die ehemalige Funktion deutet nur noch der vor dem Haus vermooste stehende Steintisch hin. Der Mühlstein ist hier umfunktioniert worden und ist das letzte Relikt des langsam verfallenden Häuschens mit den auffälligen Fenstern.

Das 18. Jahrhundert ist eines, in dem die Kunst besonders auch im Außenraum Gestalt annahm, und zwar in Form von Gärten. In Trier entstanden neben dem Lustgarten rund um das 1783 vollendete Schloss Monaise des Domprobstes von Walderdorff beispielsweise auch der Park rund um das Kurfürstliche Palais in Renaissance- und Barockformen. Die Abteien St. Maximin und St. Matthias legten repräsentative Gärten an und auch in der Domkurie gab es für die Geistlichen kontemplative Orte in der Natur – meist ausgeschmückt mit Wasserbecken oder kleineren Gebäuden. Die Trierer Bevölkerung selbst fand erst ab 1801 im Norden recht weit außerhalb des besiedelten Stadtgebiets einen Ort, um im Grünen lustwandeln zu können, nämlich im Nells Ländchen.

Die Idee zu dem Park im Norden der Stadt hatte der Kanonikus von St. Paulin, Johann Nikolaus Nell (1748-1807). Als er das Grundstück zwischen dem Kürenzer Tal und der Mosel von dem Deutschen Orden abkaufte, waren hier sumpfige Ländereien, die er ab 1792/1793 komplett gestalten ließ. Praktische Unterstützung erhielt Nell vom St. Pauliner Gärtner Jakob Gotthard (1765-1825), der einige Jahre in Holland gelebt und gearbeitet hatte. Gemeinsam legten sie eine komplette Landschaft im englisch-holländischem Stil neu an – inklusive Gewässer, Inseln, Brücken und Gebäuden. Das idyllische Fleckchen bekam den Namen „Nells Ländchen“. Im Jahr 1803 hat der französische Publizist und Nationalarchivar Armand Gaston Camus (1740-1804) in einem Reisebericht die Trierer Parkanlage beschrieben: „Herr Nell, gewesener Kanonikus der Kirche zu Trier, ein reicher, und für die Gärtnerei leidenschaftlich eingenommener Mann, ist der Besitzer desselben. Überzeugt von seiner doppelten Pflicht, Unglückliche zu unterstützen, und der Faulheit entgegenzuarbeiten, indem er den Arbeitsamen Unterstützung zukommen lässt, beschäftigt er das ganze Jahr hindurch, und besonders in den härtern Jahreszeiten, eine beträchtliche Anzahl Menschen mit Gartenbau, Pflanzen, Kanälegraben, Gänge zu ebenen oder anzuhöhen.“

Die historische Karte zeigt das Nells Ländchen als zweigeteilten Nutz- und Landschaftsgarten, der mit einem ausgeklügelten Kanalsystem durchbrochen ist. Heute hat sich die Anlage gen Westen vergrößert und aus dem Kanalsystem ist ein großer See geworden. Quelle: Stadtarchiv TrierWährend die Jahrzehnte vorher entstandenen Barockgärten durch ihre geometrischen Formen oft streng wirken, ist das Nells Ländchen ein Beispiel für die frühromantische Phase im Garten- und Landschaftsbau. Die geschwungenen Wege folgen scheinbar dem gewachsenen Gelände, die Wasserläufe sind organisch geformt und statt Zierpflanzen wuchsen hier in einem etwas abgetrennten Bereich ganz nützliche Pflanzen, wie Camus schreibt: „Herr Nell hat viele ausländische Gewächse aus Holland kommen lassen; er hat viele Ananas, und Treibhäuser.“ Ergänzt wurde die Pflanzenwelt von Weinstöcken, Pfirsichbäumen und Spalierobst. Das Gut in der Art einer Ornamental Farm wurde regelrecht bewirtschaftet, stand aber gleichermaßen den Trierern offen und „der Gärtner hat die Freiheit, ihnen Blumen und Früchte zu verkaufen, auch gesellschaftliche Mahlzeiten zu geben“.

Inmitten des Ländchens wurde eine Art Einsiedelei errichtet, die gleichzeitig auch als Mühle diente. Das Nells Ländchen hatte zur Entstehungszeit nicht den einen großen See, wie wir ihn heute kennen. Die Parkanlage wurde mit zwei natürlich gestalteten Ringkanälen gebildet. Genau dort, wo der Bach in den großen Ring einfloss, steht das zweigeschossige Häuschen mit seinen kleinen gotisierenden Fenstergruppen. Mit farblich abgesetzten Gewänden geben diese dem Haus den Anschein einer Kapelle, wurden Einsiedeleien oder Eremitagen doch meist von Gottesfürchtigen bewohnt, um sich ganz der Ruhe und dem Glauben hingeben zu können – wenn sie nicht gerade in Schmuckeremitagen strategisch als Hingucker und Besonderheit für die Parkbewohner eingesetzt wurden. Die für eine Person ansehnliche Größe der Mühle und die Lage inmitten von Grün lassen erahnen, dass es sich hier recht schön hat leben lassen.

Das Foto zeigt die Mühle mit ihrem Mühlrad. Davor ist ein kleines bemanntes Boot, mit dem uns die Größenverhältnisse deutlich werden. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden die ursprünglich aufwändigeren Fenster etwas vereinfacht wieder hergestellt. Foto: Nells Park HotelWichtiger war im Nells Ländchen sicher die Funktion als Mühle, die ganz praktisch genutzt wurde, denn das Nells Ländchen war mit seinem Treibhaus, Ökonomiegebäude und dem Stall ein „Mustergut für Gartenbau und Landwirtschaft“, wie Konrad Queins in dem Band „Trier. Stadt im Grünen“ ausführt. Bis 1918 wurde mit der Mühle Schrot hergestellt. Angetrieben wurde die Technik von einem oberschlächtigen Wasserrad, der Mühlstein selbst besteht aus Basaltlava und dient heute stark vermoost als Tischplatte vor dem Gebäude.

Nur noch der von Moos bewachsene Mühlstein erinnert daran, dass das Gebäude bis 1918 als Mühle genutzt worden ist. Heute dient er als massiver, runder Tisch am Wegesrand. Foto: Bettina LeuchtenbergAnfang der 1990er Jahre wurden am Mühlchen noch liebevoll Blumenkästen vor den Fenstern inmitten der frisch gestrichenen Fassade bepflanzt und gepflegt, leuchtend weiß-rote Boote konnten hier für Touren auf dem Weiher ausgeliehen werden. Der ehemalige Stadtgärtner Erich Trierweiler beschreibt das Gebäude zu dieser Zeit auch noch als bewohnt, auf der erst später angebauten Terrasse war der traumhafte Seeblick inklusive. Heute jedoch ist das Mühlchen nicht mehr bewohnbar, die Feuchtigkeit zieht durch das Gemäuer, Kabel hängen aus den Wänden und die Blumenkästenhalterungen ragen ungenutzt aus der Fassade.

„Kennen Sie Trier?“ – auf einen Blick:


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