Kein Porree an der Porta

Oberbürgermeister Klaus Jensen (SPD), der neue Vorsitzende des Vereins Lokale Agenda 21 Trier, Professor Dieter Sadowski, sowie LA-21-Geschäftsführerin Charlotte Kleinwächter haben am Dienstag gemeinsam Projekte und Ideen für die Zukunft präsentiert. So gibt es Überlegungen für ein autofreies Stadtquartier, und die Energiegenossenschaft Treneg möchte sich schon bald an einem Windpark im Hochwald beteiligen. Auch wenn der OB die kleinen Erfolge bisweilen über Gebühr lobte und bei den drängenden Problemen wie der Verkehrspolitik eher vage blieb, wurde eines deutlich: Die Lokale Agenda Trier kann sich voll und ganz auf die Unterstützung seitens der Stadt verlassen – auch, weil beide aufeinander angewiesen sind.

TRIER. Der Begriff der Nachhaltigkeit hat seinen Ursprung vor ungefähr 300 Jahren im Bereich der Forstwirtschaft. Doch während das Prinzip erfolgreich auf das Wirtschaftsobjekt „Wald“ angewendet wurde, „können wir das bei der Nachhaltigkeit auf globaler Ebene leider nicht feststellen“, beklagte OB Klaus Jensen am Dienstag in einem Pressegespräch. Dies sei spätestens durch das Versagen der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im vergangenen Jahr deutlich geworden, meinte der Stadtchef. Dieses Versagen sieht der OB auch als „Aufforderung, auf lokaler Ebene das Gegenteil zu demonstrieren“ – in enger Zusammenarbeit mit dem Verein Lokale Agenda 21 Trier e.V., dessen Ziele den Geist des ersten Rio-Gipfels von 1992 auf die lokale Ebene herunterbrechen.

Dabei, so sind sich alle Beteiligten einig, spielt die Arbeit der LA 21 bei der ökologischen und sozialen Bewusstseinsbildung eine wichtige Rolle. Die beginnt mitunter schon im frühen Kindesalter. Auch Jensen ist überzeugt: „Man muss gerade die junge Generation an das Thema heranführen.“ Der neue Vorsitzende der LA 21, Dieter Sadowski, ergänzte, dass der Verein bereits bei Kitas und Grundschulen ansetze. So sollen beispielsweise „Energiescouts“ in diesen Einrichtungen Aufklärungsarbeit leisten und den Horizont zu Energiethemen erweitern.

Windpark im Hochwald

Sadowski und Jensen sehen insbesondere im Bereich des Klimaschutzes Fortschritte. Der Agenda-Chef machte diese Beobachtung an der Resonanz auf die Trierer Energiegenossenschaft (Treneg) fest, die im letzten Jahr gegründet wurde und schnell in die Gänge gekommen sei. „Mittlerweile“, so Sadowski, „ist das Projekt so erfolgreich, dass bereits neue Anwärter auf die nächsten Projekte warten.“ Eines davon liegt im Hochwald: Wie Agenda-Geschäftsführerin Charlotte Kleinwächter auf Nachfrage hin konkretisierte, sei unter der Beteiligung der Treneg in der Gemeinde Beuren ein großer Windpark geplant.

Auch bei der nachhaltigen Beschaffung, einem Thema, das Jensen nach eigener Darstellung sehr am Herzen liegt, seien große Schritte unternommen worden. „Nach neuem EU-Recht dürfen wir bei Ausschreibungen nun auch soziale Kriterien einführen“, berichtete der OB. Daran könne man deutlich die soziale Dimension von Nachhaltigkeit erkennen; beispielsweise werde nun bei Auftragsvergaben auch den Arbeitsbedingungen Rechnung getragen. Sadowski ergänzte, dass man im vergangenen Jahr zusammen mit städtischen Einkäufern ein Seminar zur nachhaltigen Beschaffung durchgeführt habe. Doch nicht nur auf das „Wie?“, auch auf das „Wie viel?“ kommt es an. Hier erschließen sich einer Stadt mit einigem Bedarf am Sparen möglicherweise neue Potentiale. „Auch eine arme Stadt kann ihre Einkäufe reduzieren und intelligenter einkaufen“, erklärte Sadowski. Deutlich wird auch, dass es oftmals die kleinen Veränderungen sind, die zum Ziel führen können. So erzählte Jensen mit einem Augenzwinkern, wie man die Papierflut im Rathaus habe etwas eindämmen können: Mittlerweile stünden die Drucker auf den Fluren und nicht mehr an jedem Arbeitsplatz. „Wenn man zum Drucker laufen muss, weil er weiter weg ist, dann überlegt man sich zweimal, ob man das macht.“

Auch das Thema Bürgerbeteiligung kam zur Sprache. Jensen versicherte, dass man diese weiter ausbauen wolle. So wünsche er sich, künftig alle Ortsbeiräte in den Bürgerhaushalt einzubeziehen. Der Bürgerhaushalt stelle schließlich – nach Meinung Sadowskis – das „wichtigste sichtbare Instrument zur Bürgerbeteiligung“ dar. Implizit warnte er aber vor einer Diktatur der Netzbürger und verwies stattdessen auf das Prozedere im Ortsbezirk Pfalzel. Dort habe eine Bürgerbewegung ihre Ideen über den klassischen Papierweg gesammelt. Daneben, so der OB, sei die Einführung einer Ideen- und Beschwerdeplattform geplant, die interessierten Bürgern unabhängig vom Haushalt das gesamte Jahr über offen stehe. Die Einführung dieser Plattform kündigt der Stadtchef allerdings schon seit einigen Jahren immer wieder an.

Eine weitere Form der Bürgerbeteiligung wäre ebenfalls weithin sichtbar – und zwar im Stadtbild: das „Public Gardening“, also der Versuch, Bürgern öffentliche Grün- und Brachflächen anzuvertrauen. Hier wurde bereits Vorarbeit geleistet. Kleinwächter verwies auf die Initiative „Renaissance Nells Park“, die sich seit 2005 um die Parkanlage in Trier-Nord kümmert. Derweil versuchte Jensen, sich die Rolle des Bremsers bei diesem Vorhaben nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Im Rathaus habe man zwar keine Bedenken gegen „Public Gardening“, betonte er, allerdings seien noch viele Fragen zu klären: „Es kann nicht einfach jeder hingehen und Porree auf den Grünflächen vor der Porta Nigra anbauen.“ Im Augenblick prüfe das Grünflächenamt etwaige Brachflächen.

Ausgerechnet bei den großen Themen Wohnen und Mobilität kam bei der Pressekonferenz wenig Neues zur Sprache. Im Hinblick auf das umstrittene Mobilitätskonzept betonte der OB, dass man dem „Umweltverbund eine höhere Priorität einräumen“ wolle. In den letzten drei Jahren sei es immerhin zu einer Ausweitung des Angebots im Nahverkehr gekommen. Auch habe sich der Trend, „immer mehr Strecken einzudampfen“, umgekehrt, so der regierende SPD-Mann weiter. Doch Jensen weiß, dass die wiederholten Tarifsteigerungen im Nahverkehr diese Anstrengungen teilweise wieder zunichte machten. Auch in punkto Wohnen stehe man vor großen Herausforderungen. Der OB nannte beispielhaft den Spagat zwischen Investitionen in die Energieeffizienz und einer bezahlbaren Miete. „Derzeit verhandeln wir mit dem Land um eine Anpassung der Richtlinien für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus.“

Standort für autofreies Quartier gesucht

Eine Neuheit gab es dann doch noch zu verkünden: So gibt es Überlegungen für die Schaffung eines autofreien Quartiers. Laut Jensen besteht hierfür eine Nachfrage. Es ist allerdings zu erwarten, dass diese nicht gerade von den ärmeren Wohnungssuchenden der Stadt ausgeht, die besonders stark von der Knappheit auf dem Immobilienmarkt betroffen und weniger an vermeintlichen Luxusproblemen wie der Lebensqualität orientiert sind. Im Augenblick scheint das Projekt ohnehin noch Zukunftsmusik. „Wir sind noch ganz am Anfang“, erklärte der OB. So habe der Stadtrat Ende letzten Jahres beschlossen, die grundsätzlich infrage kommenden Flächen näher zu untersuchen. Sollte das Vorhaben irgendwann Gestalt annehmen, so wird den Verantwortlichen so etwas wie die Quadratur des Kreises gelingen müssen: Solche Quartiere sollten möglichst nah an der Innenstadt liegen und über einen hervorragenden Anschluss an den ÖPNV verfügen, um überhaupt einen Anreiz dafür zu bieten, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Rechtliche Fragen wie die der Stellplatzverordnung sind dabei noch ausgeklammert. Auf der anderen Seite haben andere Städte bereits vorgemacht, dass autofreie Quartiere machbar sind.

Abschließend machte der OB noch eine klare Ansage an die Adresse des Agenda-Vereins, die bei Sadowski und Kleinwächter sichtlich gut ankam: „Es gibt hier keine Diskussion über die Unterstützung der Lokalen Agenda.“ Er verwies auf den im vergangenen Herbst vom Stadtrat beschlossenen Doppelhaushalt, in dem sich trotz Haushaltskonsolidierung der Zuschuss für die LA 21 wiederfindet – und das, obwohl dieser zu den sogenannten freiwilligen Leistungen zählt, welche die Kommunalaufsicht mit unschöner Regelmäßigkeit infrage stellt. (mst)

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