Karl Marx privat

Der Künstler Herbert Lauer in der szenisch-theatralischen Führung "Beatus ille, der keine Familie hat" . Foto: Anne SchaafDank einer Vielzahl an Boulevard- und Klatschmedien kann sich der interessierte Leser, User oder Zuschauer längst über das Privatleben prominenter Persönlichkeiten informieren. Vor Jahrzehnten und erst recht vor Jahrhunderten waren die journalistischen, die Verbreitungs- und die Zugangsmöglichkeiten noch anders. Was weiß man beispielsweise über Karl Marx als Ehemann und als Vater? Uschi Britz, Herbert Lauer und Regina Waters begeben sich mit ebendieser Fragestellung auf eine theatralische Zeitreise im Stadtmuseum Simeonstift und versuchen, anhand von Text- und Bildzeugnissen herauszufinden, was für ein Mensch der Gesellschaftstheoretiker privat war. Die szenisch-theatralische Führung „Beatus ille, der keine Familie hat“ hatte am Sonntagmorgen Premiere.

TRIER. Wer, ob groß oder klein, hat sich bei einem Museumsbesuch nicht schon einmal gelangweilt oder gar gewünscht, die fast schon erdrückende Stille zu durchbrechen. Wer hat nicht schon einmal gehofft, dass der Museumsführer nicht gleich während des Vortragens einschläft? In derartigen Situationen müssen es weder Pauken noch Trompeten sein, die ein wenig Schwung in die Wissensvermittlung bringen. Drei Schauspieler, eine Gitarre und eine Mundharmonika können dies auch vermögen. Bei der Produktion des Theaters im Museum (TIM) wird den Museumsbesuchern während einer szenisch-theatralischen Führung ein Einblick in das Privatleben von Karl Marx gewährt, das viele zuvor noch nicht gekannt haben dürften. Sie können sich für ein knappe halbe Stunde einer Art historischem Voyeurismus hingeben und beispielsweise erfahren, warum der Haussegen in der Familie Marx nicht selten schief hing.

„Beatus ille, der keine Familie hat!“-Audio-Mitschnitt (Teil 1)

„Glücklich (der), der keine Familie hat“ – lässt der Titel der Veranstaltung darauf schließen, dass Marx ein Familienhasser war? Wie stand er zu seiner Mutter, welche gemeint haben mag, er solle doch Kapital machen statt darüber zu schreiben, und wie war der Bezug zu seinen Kindern? Die Führung lässt diese Fragen bewusst offen, beschränkt sich jedoch nicht auf eine schlichte Wiedergabe des Inhalts der Originalquellen. Das enge Verhältnis zu seiner Tochter Jenny Julia Eleanor Marx, genannt Tussy, wird beispielsweise anhand eines Eintrags in das Poesiealbum seiner jüngsten Tochter theatralisch darstellt und kann trotz der kurzen Antworten tiefgreifende Eindrücke über die Persönlichkeit Marx´ entstehen lassen.

Die Führung lässt die zahlreichen romantisierenden Darstellungen und authentische Zeugnisse sehr sanft aufeinanderprallen. Das entstandene widersprüchliche Bild zwingt den Museumsbesucher zwar, sich von seiner Idealvorstellung loszureißen, bringt ihm aber auch ein realistischeres und vor allem menschlicheres Bild von Marx näher. So stehen auch die zuvor gehörten, harten Worte von Marx keineswegs in einem Widerspruch mit den durchaus zärtlichen Zeilen, die er seiner Frau mehrmals widmete.

„Beatus ille, der keine Familie hat!“-Audio-Mitschnitt (Teil 2)

Wer die Sonderausstellung „Ikone Karl Marx. Kultbilder und Bilderkult“ bereits besucht hat, ist keiner unangenehmen Wiederholung preisgegeben, wenn er Uschi Britz, Herbert Lauer und Regina Waters bei dieser Zeitreise begleitet. Während der Führung wird auf einige ausgewählte Gemälde Bezug genommen, aber es bleibt für den Beobachter zu keinem Moment bei der einfachen Betrachtung.

„Beatus ille, der keine Familie hat!“-Audio-Mitschnitt (Teil 3)

Die szenisch-theatralische Führung eignet sich sowohl für Marx-Kritiker als auch für seine Verehrer, das gemeinsame Hinterfragen der historischen Persönlichkeit garantiert auf jeden Fall ein bewegten Museumsbesuch.

Anne Schaaf

Weitere Termine: 7. September, 15 Uhr; 10. September, 19 Uhr; 21. September, 21 (im Rahmen der Museumsnacht).

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