„Jeden Einzelfall genau prüfen“

Zwischen der Fan-Gruppierung „Insane Ultra“ und dem Vorstand des Fußball-Regionalligisten Eintracht Trier sind die Fronten verhärtet. Die Gruppe fordert die Aufhebung der Stadionverbote gegen zehn ihrer Mitglieder. Das sei ihnen von der Vereinsführung in einem Gespräch zugesagt worden. Vorstandssprecher Ernst Wilhelmi kontert: „Wir haben nichts versprochen“, betonte der Trierer Unternehmer am Mittwoch gegenüber 16vor. Für die Trierer Polizei ist die Sachlage eindeutig: „Aufgrund der Richtlinien des DFB liegt die Entscheidung über Stadionverbote bei den jeweiligen Vereinen“, sagte der Leiter der Polizeiinspektion Trier, Edmondo Steri, gegenüber unserer Redaktion. Unterdessen ermittelt die Polizei erneut gegen Fans des SVE. „Wegen Diebstahls oder Raubes“, so Steri, „das steht noch nicht genau fest.“

TRIER. Am Dienstagabend sollte in den Räumen des vom Trierer „Exzellenzhaus“ betreuten Fanprojekts in der Metternichstraße ein weiteres Treffen zwischen Vertretern der Ultras und der Klubspitze stattfinden. Aus dem geplanten Meinungsaustausch wurde ein einseitiges Gespräch: Die Ultras waren dem Treffen ferngeblieben. Schon am vergangenen Freitag hatte ein Sprecher der Gruppe gegenüber 16vor betont: „Wir sehen keinen Sinn mehr darin, uns immer wieder über dasselbe Thema zu unterhalten, weil uns bereits vor dem Pokalspiel gegen St. Pauli die Aufhebung der Stadionverbote zugesagt worden war.“ Zudem sei dieses erneute Treffen nicht vom Vorstand selbst, sondern vom Fanprojekt initiiert worden.

Wilhelmi bedauert die ablehnende Haltung der Ultras. „Es ist wichtig, dass wir die Kommunikation beibehalten. Verhärtete Fronten sind nicht im Sinne der Sache.“ Eine konkrete Zusage seinerseits an die Mitglieder der Gruppe dementiert der Vorstandssprecher aber. Zusammen mit Geschäftsstellenleiter Dirk Jacobs habe er in einem Gespräch lediglich betont, „alles zu versuchen, die bestehenden Stadionverbote vom Tisch“ zu bekommen. „Was jetzt geschieht, enttäuscht mich daher doch sehr“, so Wilhelmi. Schließlich seien alle Stadionverbote durchaus gerechtfertigt gewesen.

Im Juli 2010 wurden sieben Mitglieder von „Insane Ultra“ vor dem Jugendgericht zu Arrest und gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Teilweise wurden auch Bewährungsstrafen ausgesprochen. Das Landgericht Trier schwächte die Urteile im Juli 2011 in zweiter Instanz ab. Wegen Landfriedensbruchs wurden nun gegen sechs der Angeklagten – einer hatte das Urteil in erster Instanz akzeptiert – Geldstrafen verhängt. Die Staatsanwaltschaft hatte sich in ihrer Anklageschrift auf Vorkommnisse beim Heimspiel des SVE gegen Wormatia Worms im September 2009 bezogen. Eine rund 40-köpfige Gruppe von Trierern habe damals versucht, gegnerische Fans zu attackieren, und sei nur durch das Eingreifen der Polizei daran gehindert worden. Der Verein hatte unmittelbar danach reagiert und Stadionverbote über drei Jahre verhängt.

Heute beziehen sich die Ultras auf das Urteil in zweiter Instanz. „Man hat uns zugesagt, dass die Verbote aufgehoben werden, sollte das Landgericht zu einem anderen Urteil kommen“, so ein Sprecher der Gruppe, der zudem die lange Dauer der Stadionverbote kritisiert. „Drei Jahre sind das Höchstmaß. Warum wir gleich so hart bestraft wurden, versteht keiner von uns.“ Schließlich sei es bei dem Spiel gegen Worms keineswegs zu körperlichen Auseinandersetzungen mit den gegnerischen Fans gekommen. Ferner sei ihnen schon vor zwei Jahren signalisiert worden, dass die Verbote nach der Hälfte der Zeit ausgesetzt würden. Um ihre Auffassung deutlich zu machen, protestierten die Ultras beim Pokalspiel gegen St. Pauli vor dem VIP-Zelt und forderten die sofortige Aufhebung der Stadionverbote.

Wilhelmi hingegen kontert die Auffassung der Gegenseite mit dem Hinweis darauf, dass der Vorwurf des Landfriedensbruchs auch in der zweiten Instanz bestätigt worden sei. „Es ist ja nicht so, dass hier Freisprüche erfolgt wären“, betonte der Unternehmer am Mittwoch gegenüber 16vor. Ferner sei der Vorfall beim Spiel gegen Worms nur einer unter vielen. Wilhelmi bezieht sich auch auf die Aktion von Eintracht-Anhängern beim Auswärtsspiel in Homburg am 30. April. Damals wurde ein schwulenfeindliches Transparent mit der Aufschrift „Homo-Fotzen“ entrollt (wir berichteten). „Das hat den Verein nicht nur viel Ansehen, sondern auch eine für uns saftige Geldstrafe von 1.500 Euro gekostet“, so der Vorstandssprecher. Zusätzlich habe der DFB eine weit höhere Strafe angedroht, sollte sich ein solcher Vorfall wiederholen.

Dass die Trierer Polizei wegen eines weiteren Vorfalls erneut Ermittlungen gegen Fans des Vereins aufgenommen hat, bestärkt Wilhelmi in seiner kritischen Auffassung. Beim Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen sollen Fanutensilien der Bayer-Anhänger gestohlen worden sein. Edmondo Steri bestätigte die Ermittlungen. „Allerdings ist noch nicht klar, ob es sich hierbei um Diebstahl oder Raub handelt“, sagt der Leiter der Trierer Polizeiinspektion. Hinsichtlich der Stadionverbote plädiert Steri dafür, jeden Einzelfall genau zu prüfen, weil alle Fälle sehr unterschiedlich seien. „Letztlich liegt die Entscheidung aber beim Verein selbst“, betont er. Ausdrücklich weist Steri darauf hin, dass in seiner Zeit als Leiter der Inspektion kein einziges neues Stadionverbot angeregt worden sei. „Ich stehe ja wegen dieser Verbote seit meinem Amtsantritt vor einem Jahr ständig in der Kritik. Dabei sind das alles alte Fälle“, so der Beamte. Einem Gespräch mit Vertretern des Vereins und der Fan-Gruppierung will sich Steri nicht verschließen. „Bisher ist der Verein aber diesbezüglich noch nicht auf uns zugekommen“, sagt er.

Genau da will Wilhelmi einhaken. „Ich hoffe, dass wir es schaffen, alle an einen Tisch zu bekommen.“ Der Vorstandssprecher erwartet von den Ultras, dass sie sich weiteren Gesprächen nicht verweigern. Gemeinsam mit Vertretern der Polizei, des Fanprojekts und auch des Klubs will er die Probleme lösen. „Weil wir sonst ja nie Ruhe bekommen. Und gerade die brauchen wir im Verein, um gemeinsam erfolgreich zu sein.“ Er jedenfalls sei jederzeit gesprächsbereit. „Das muss aber auch für die andere Seite gelten“, fordert Wilhelmi, der ausdrücklich das soziale Engagement der Ultras abseits der Stadien lobt. Am Freitag letzter Woche übergaben Mitglieder der Gruppierung eine Spende über 1.000 Euro an den „Förderverein krebskranker Kinder Trier“. Es ist die zweite Geldspende von „Insane Ultra“ an den Verein innerhalb eines Jahres. „Was sie da machen“, so Wilhelmi, „ist wirklich vorbildlich.“

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