„Das Wort ‚Kunst‘ wird sehr oft missbraucht“

"Das Wort 'Kunst' wird sehr oft missbraucht." Trotz zahlreicher Auszeichnungen nennt sich Achim Wendel deshalb "Regisseur und Kameramann" und nicht "Filmkünstler". Foto: privatAchim Wendel kommt aus Morbach, wohnt aber mittlerweile im schnieken Trier-Süd. Der sympathische Filmemacher hat bei einer Tasse Kaffee im „Simplizissimus“ viel zu erzählen. Kein Wunder: Sein Kurzfilm „London liegt am Nordpol“ wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung als „besonders wertvoll“ eingestuft und gehört zum festen Bestand des Goethe-Instituts. Mit einem weiteren Kurzfilm, „Pizza Amore“, gewann er schon während seiner Stuttgarter Studienzeit zwölf Auszeichnungen auf in- und ausländischen Filmfestivals. Seine Komödie „Der Männerclub“ wurde von Stefan Raab in der Sendung „TV Total“ vorgestellt. Da könnte man schon mal vor lauter „Huch“ und „Hach“ im Pelzmantel aus dem Mercedes steigen. Macht Achim Wendel aber nicht, denn er ist erstens keiner, der es nötig hätte und zweitens angenehm bescheiden.

16vor: Sie wohnen mittlerweile wieder in der Region beziehungsweise in Trier, waren aber ein paar Jahre weg von hier.

Achim Wendel: Ja, ich habe früher in der Nähe von Morbach gewohnt und hobbymäßig Filme gedreht. Im zweiten Anlauf, nachdem ich eine ganz normale Ausbildung gemacht hatte, habe ich irgendwann gesagt: „Okay, ich versuche ein Studium im Bereich Film“ und bin deswegen nach Stuttgart gegangen. Nach dem Studium stand ich vor der Wahl, in Stuttgart zu bleiben, in den Hunsrück zurückzugehen oder in eine Filmmetropole. Da habe ich mich aus einem Impuls heraus für was ganz anderes entschieden, nämlich für Trier, wo ich mich sehr wohl fühle. Das ist für mich ein sehr schöner Spagat zwischen dem ganz einsamen Hunsrück und der ganz großen Stadt. Ich bin sehr viel unterwegs und immer ganz froh, in eine etwas gemütlichere Stadt zurückzukommen als zum Beispiel Berlin.

16vor: Sie haben gesagt, am Anfang war Film eher ein Hobby. Gab es dann irgendwann ein Schlüsselerlebnis oder bestimmte Orientierungspunkte, wo für Sie klar war, genau das machen zu wollen?

Wendel: Ich glaube, bei mir war das tatsächlich so, dass ich irgendwann bei einer ganz normalen Veranstaltung eine Kamera in die Hand bekommen habe und dann merkte, dass das Filmen mir Spaß macht. Wobei mir damals sehr schnell klar wurde, dass es nicht nur um die technische Seite geht, sondern eigentlich ums Geschichtenerzählen.

Dann habe ich zwei absolute Amateurfilme gemacht, die wirklich einfach nur geschrieben und gedreht waren, ohne dass ich mich großartig vorgebildet hätte in dem Bereich. Die waren eigentlich viel zu ausufernd. Nichtsdestotrotz sind sie recht gut angekommen. Mit einem habe ich sogar einen Filmpreis gewonnen, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Das hat mir einfach so einen Spaß gemacht, dass ich mir sagte: „Da möchte ich mehr daraus machen.“ Aber ich merkte, in dem Rahmen, also sowohl mit dem, was ich kann und weiß, als auch mit dem, was ich an Umfeld habe, geht das so nicht weiter.

Den Sinn im Studium habe ich dann nicht nur darin gesehen, technische Sachen zu lernen, sondern auch, Gleichgesinnte kennenzulernen und den eigenen Horizont zu erweitern. Um auch auf einem anderen Niveau denken zu können, was die Umsetzung von Ideen angeht. Mir ist zwar der Inhalt am wichtigsten, aber ein Film ist ja auch ein audiovisuelles Erlebnis.

16vor: Sie haben vorhin erwähnt, dass schon einer Ihrer ersten Filme mit einem Preis ausgezeichnet wurde.

Wendel: Das war „Gekauftes Glück“. Ich sag‘ jetzt mal: ein Anti-Drogen-Film. Ein ganz ausuferndes Projekt, von der Länge her fast ein Spielfilm. Ansonsten ein totaler Amateurfilm. Für mich hat das schon was bedeutet, dafür einen Preis zu kriegen. Das war eigentlich vorher für mich so ein Ding, von dem ich dachte, das zeige ich ein paar Freunden und dann ist gut. Aber im Studium habe ich dann mehrere Filme gemacht und einer war wirklich sehr erfolgreich, entgegen aller Erwartung, und hat zehn oder mehr Filmpreise gewonnen, auch international.

Das war für mich eine komplett neue Welt, ins Ausland zu fahren, auf Festivals, und da tatsächlich mit anderen Filmen mithalten zu können. Das hat mir im Studium nochmal klar gemacht, dass ich das jetzt wirklich hauptberuflich machen möchte, aber auch einen Weg finden muss, künstlerisch frei zu bleiben.

16vor: Hat man eigentlich schon einen entscheidenden Schritt gemacht, wenn man solche Preise gewinnt oder ist es doch eher so, dass man sich ständig neu positionieren muss?

Wendel: Ich glaube, man muss immer aktiv bleiben. Es hat mir schon gewisse Vorzüge gebracht, weil ich sehr viele Leute kennengelernt habe und es mir zum Beispiel auch möglich war, eine Webseite zu machen, in die man was schreiben kann. Da kamen mir die Preise natürlich sehr gelegen.

Es war mir auch wichtig, mir selbst dadurch sagen zu können: „Ja, es kann auch klappen, nicht nur, dass du dein Studium irgendwie zu Ende machst.“ Trotzdem muss man sich immer aufs Neue beweisen. Du hast vielleicht mit einem Kurzfilm einen Preis gewonnen, möchtest aber gerne mal einen Werbespot machen. Da kannst du dir von deinem Kurzfilmpreis nicht so viel kaufen, weil das verschiedene Metiers sind.

Oder du drehst im Ausland oder Unterwasser oder was weiß ich – du fängst immer von Null an, wenn du einen Film machst. Da ist bei mir nie Routine reingekommen. Ich habe eigentlich bei jedem Projekt das Gefühl: „Oh Gott, schafft man das?“ Ich fühle mich immer eher wie ein Anfänger. Ich glaube auch, dass diese Demut eine wichtige Säule ist, um immer wieder Projekte zu machen, die eine Relevanz haben und um nicht in Selbstgefälligkeiten und Bequemlichkeiten zu verfallen.

16vor: Apropos Demut. Auf Ihrer Webseite bezeichnen Sie sich als Kameramann und Regisseur und nicht etwa als Filmkünstler.

Wendel: Ich tue mich sehr schwer mit solchen Sachen. Was macht man? Ich habe mir überlegt, ich führe entweder Regie oder Kamera oder beides, natürlich auch andere Sachen. Ich schreibe, ich mache den Schnitt, aber eigentlich ist es meistens einer von den beiden Bereichen. Das Wort „Kunst“ wird ja sehr oft missbraucht. Ich versuche, die Sachen zu machen, die mir wichtig sind.

Film-Still aus "London liegt am Nordpol", der mit Jugendlichen aus der Region umgesetzt wurde.16vor: Sie haben einige Kurzfilme gedreht. Ist das eine Sache, die Sie sehr begeistert oder ist das eher aus der Not geboren, dass man zum Beispiel nicht genügend Geld hat, um ein Projekt größer zu gestalten?

Wendel: Am Anfang war es natürlich auch aus der Not geboren. Dass die Kapazitäten nur für den Kurzfilm gereicht haben. Inzwischen habe ich auch schon professionellere Langfilme gedreht. „Der Männerclub“, ein saarländisches Projekt, wurde mit totalem Sparkurs gedreht und kleinem Team, wir haben viel improvisieren müssen. Aber wir haben einen Spielfilm gemacht, der dann auch einen Vertrieb gefunden hat. Das ist zwar schön, aber ich würde bei einem Projekt immer abwägen: Ist es ein Kurzfilm oder ein Langfilm?

Es gab einmal einen Film, „London liegt am Nordpol“, der hätte auch das Potenzial für einen längeren Film gehabt. Das war ein Film aus der Sicht von geistig behinderten Jugendlichen geschrieben – aber, okay, die Darsteller waren Jugendliche, Laien, es gab nur die Sommerferien als zeitlichen Rahmen. Da haben wir uns bewusst reduziert, um konzentriert arbeiten zu können.

Aber es gab auch schon Filme, wo ich sage: „Das ist definitiv ein Kurzfilm gewesen.“ Da wäre mir soviel mehr nicht mehr eingefallen, weil es abgeschlossen war und die Qualität dann vielleicht in der Effizienz lag. Aber nichtsdestotrotz arbeite ich im Moment an einem Script für einen Langfilm und ich denke, dass das nächste Projekt ein Spielfilm wird. Länger und aufwändiger als die letzten.

16vor: Wie läuft das, wenn Sie einen neuen Film drehen wollen? Haben Sie ein bestimmtes Thema oder eher eine visuelle Idee?

Wendel: Manchmal gibt es ein Thema, wo man denkt, da müsste man was zu machen. Manchmal gibt es auch eine kleine Ausgangssituation, die man sieht und mitnimmt. Oder ein kleines Erlebnis, das man selbst hat. Ich kann es für mich gar nicht pauschal sagen, wie das geht. Manchmal arbeite ich auch sehr strukturiert, weil man das ab einem bestimmten Punkt muss bei Filmproduktionen. Manchmal ist es aber auch so, dass aus einem verrückten Gedanken, wenn man dem die Zeit gibt, besonders schöne Sachen werden. Es ist ja leider auch so, dass man verschiedene Projekte cancelt und auf Eis legt, das gehört halt einfach dazu. Deswegen ist es für mich auch schwierig zu sagen, ob aus einer Idee was wird.

16vor: Aktuell haben Sie vor, mit der Trierer Band „My First Robot“ ein Musikvideo zu drehen. Ist das Ihr erstes Musikvideo?

Wendel: Ich habe schon zwei, drei Musikvideos gedreht, wobei das Video mit „My First Robot“ schon eine andere Qualität hat, weil es wirklich eine Geschichte gibt und ich sehr dahinter stehe. Die anderen waren auch interessante Sachen, aber hier ist besonderes Herzblut dabei.

16vor: Wie ist das gelaufen? Haben Sie sich einen Song ausgesucht oder ist die Band mit einem bestimmten Plan auf Sie zugekommen?

Wendel: Zuerst wollten wir einen Song vom ersten Album nehmen. Das war eigentlich schon vorletztes Jahr oder Anfang letzten Jahres angedacht. Aber dann waren wir uns alle nicht mehr ganz sicher. Die Band meinte dann auch, dass sie zu viel Abstand zu den Songs hat und es nicht mehr das ist, was sie aktuell umtreibt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir nochmal Zeit vergehen lassen, und wenn sie dann einen Song haben, den sie gut finden und unter dem ich mir auch was vorstellen kann, gehen wir es nochmal an.

16vor: Können Sie schon was über das Video verraten?

Wendel: Es soll um eine Hochzeit gehen, die feudal anmutet. Um den Weg des Herzens und gesellschaftliche Erwartungen. Eigentlich hatte meine Freundin die Idee dazu, und wir dachten, dass es irgendwas mit den 20er Jahren zu tun haben sollte – die Männer in Anzügen, die Frauen mit Federboas, verrückte Tanzchoreographien. Es wird auch eine sehr skurrile Figur geben, die für die Hochzeitsgesellschaft nicht sichtbar ist. Das Video wird wie gesagt die Diskrepanz zeigen zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen und dem, was das Herz einem sagt, dass was wir gerne machen möchten.

Die Band „My First Robot“ dreht am Sonntag, 16. Februar, von 14 bis 20 Uhr unter der Regie von Achim Wendel ein Musikvideo im Kasino am Kornmarkt. Wer schon immer mal für fünf Minuten berühmt werden wollte, sollte dort unbedingt mitmachen. Aber auch alle, die einfach mit netten Leuten einen spannenden Tag verbringen wollen, sind herzlich eingeladen. Wer Lust und Zeit hat, mailt bitte an statisten@myfirstrobot.net. Wegen der Organisation wären folgende Angaben hilfreich: Alter, Foto, Telefonnummer, ist ein Kostüm vorhanden? Lust zu tanzen, vielleicht sogar mal Paartanz gemacht?

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