Höfken-Hempel statt Holbein

Erst seit einigen Jahren kümmern sich die Museen in Deutschland um die Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte in der Zeit von 1933 bis 1945. Während Gedenk- und Dokumentationsstätten des Nationalsozialismus fest im historischen und kulturellen Bewusstsein etabliert sind, wird in den Heimat- und regionalgeschichtlichen Museen meist die NS-Zeit der Region dargestellt. Wie aber die Museen selbst im Dritten Reich agierten und für Propagandazwecke genutzt wurden, ist eine relativ junge Forschungsdisziplin. Das Stadtmuseum Simeonstift stellte sich als erste Trierer städtische Institution kritisch seiner Vergangenheit. Die Kunsthistorikerin und 16vor-Redakteurin Bettina Leuchtenberg wurde 2011 beauftragt, die Geschichte der Einrichtung zu untersuchen.

TRIER. Mehr als 30 Jahre mussten vergehen, bis Museen damit begannen, sich mit ihrer eigenen Geschichte in der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Das, was deren tägliches Brot ist – Geschichte aufarbeiten und möglichst niedrigschwellig darzustellen, um ihrem Bildungsauftrag nachzukommen – scheint nur vordergründig spät zu beginnen. Fällig war nicht nur etwa ein Generationenwechsel, sondern auch das gewachsene Bewusstsein, als Institution Spielball gewesen sein zu müssen für die eigene Trägerschaft. So gab das Deutsche Museum 2010 mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgesellschaft eine der maßgeblichen Publikationen heraus, welche die Zeit des Museums unter dem faschistischen System aufarbeiten.

Im selben Jahr fand im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg ein Symposium mit Beiträgen aus verschiedenen Häusern statt und 2011 publizierte das Frankfurter Städel Museum umfangreich seine eigene Geschichte. Zahlreiche kleinere Museen haben das Thema seitdem zu ihrem eigenen gemacht und forschen selbst bzw. lassen extern forschen. Hinzu kommt die meist desolate Quellenlage, die eine Aufarbeitung besonders schwierig macht, denn auch die Kulturinstitutionen waren weder von Bombentreffern noch von Plünderungen und Diebstählen während der Kriegsjahre verschont.

Genau das macht die Geschichte des Trierer städtischen Museums überschaubar. Das Stadtmuseum Simeonstift selbst besitzt nur weniger als einen Meter Aktenordner plus diverse Pappendeckel mit teils unleserlichen Dokumenten, denen man ansieht, dass sie entweder aus Kriegstrümmern gerettet werden konnten oder so massiv verrußt sind, dass sie zu unleserlichen Blättern wurden. Dr. Walter Dieck, langjähriger Leiter der Trierer Museums, hat nach seiner aktiven Dienstzeit eine knapp 600-seitige Biografie verfasst, die unter kritischer Berücksichtigung der „Oral History“ betrachtet wurde, aber zahlreiche Daten und Hinweise gibt, die sonst nicht mehr vorhanden wären. Diese Quellen bildeten neben den Personalakten und Künstlerbriefen im Stadtarchiv Trier, einigen Dokumenten im Landeshauptarchiv in Koblenz sowie im Bundesarchiv Berlin die Grundlage für die erste wissenschaftliche Aufarbeitung des Städtischen Museums in der NS-Zeit.

Seit den 20er Jahren wurden die städtischen Sammlungen von Friedrich Kutzbach in der Steipe und im „Roten Haus“ am Trierer Hauptmarkt betreut. Von 1935 bis 1945 leitete der aus Wernigerode stammende Kunsthistoriker Dieck, seit 1932 Mitglied der NSDAP, das städtische Museum, modernisierte die Räume und zog 1937/38 mit der Sammlung in den ehemaligen Marstall des Kurfürstlichen Palais. Hier war geplant, ein „Großmuseum der Deutschen Westmark“ einzurichten, welches alle Trierer Museen unter einem Dach zusammenfassen sollte. Bis zum Ende der Nazi-Diktatur verfügte das städtische Museum hier über repräsentative Räume, die der Direktor mit mehr als 30 Ausstellungen bespielte. Nach dem Kriegsausbruch 1939 waren alle wertvollen Bestände in Sicherheit gebracht worden, so dass der größte Teil der Bestände jahrelang nicht präsentiert werden konnte.

Um die Kulturinstitution auch für propagandistische Zwecke nutzen zu können, beschloss die Trierer Stadtverwaltung mit Genehmigung des Regierungspräsidenten, Kunstgegenstände zu verkaufen, die „nichtdeutscher Herkunft“ entstammten und somit nicht in die Ausrichtung des Museums auf „heimatliche Grundlage“ passten. So verlor die Stadt Trier Gemälde holländischer und italienischer Meister aus der Sammlung Hermes, italienische Kunst aus dem 13. bis 18. Jahrhundert sowie zahlreiche grafische Arbeiten unter anderem von Dürer, Holbein und Rembrandt. Diese Beispiele machen deutlich, dass Verkäufe von Museumsbeständen kein adäquates Mittel sind, um Sammlungen aufzubauen. Kurz vorher wurde aus dem Stadtarchiv Trier zum selben Zweck bereits der zweite Band der Gutenberg-Bibel verkauft.

Von dem Erlös erwarb das Museum im geringen Umfang zeitgenössische Werke von Künstlern, die zum Teil auch in den großen Münchner Propaganda-Ausstellungen zu sehen waren, darunter Skulpturen von Kurt Zimmermann und Annie Höfken-Hempel. Wichtiger jedoch war dem Kunsthistoriker Dieck, die Trierer Sammlung mit Werken zur Darstellung der lokalen und regionalen Geschichte ab 1500 zu vervollständigen. Noch heute bestücken zahlreiche von Dieck erworbene Werke die Dauerausstellung oder komplettieren die Sonderausstellungen. So erwarb er beispielsweise Zeichnungen von Ramboux, Gemälde von Januarius Zick, Simon Meister und Heinrich Foelix. Zeitgenössische Künstler lud er ein, Porträts der Stadt anzufertigen, die das Museum ankaufte. Diese Tradition lebt bis heute fort.

Bei der Planung der Ausstellungen musste sich Walter Dieck regelmäßig mit dem Landeskulturverwalter des Gaus Koblenz-Trier bzw. Moselland abstimmen, was mit wenigen Reibungsverlusten funktioniert hat. 1945 von seinem Amt suspendiert, kümmerte sich Dieck sofort um Wiedereinstellung. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er von der französischen Besatzungsmacht als Mitläufer eingestuft. In seiner zweiten Amtsperiode von 1951 bis 1961 leitete der wieder das städtische Museum, welches sich seitdem im Simeonstift befindet.

Die ausführlichen Forschungsergebnisse sind in dem Aufsatz  „Das Städtische Museum Trier in der NS-Zeit 1933-1945. Eine Institutionsgeschichte“ nachzulesen, der Anfang Dezember 2012 im Kurtrierischen Jahrbuch erscheint.

Bettina Leuchtenberg

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