„Hindenburg verdient diese Ehrung nicht!“

Mit klarer Mehrheit hat sich der Stadtrat grundsätzlich für eine Umbenennung der Hindenburgstraße ausgesprochen. Ob diese auch kommen wird, scheint allerdings noch nicht ausgemacht. Denn nachdem die Ratsmitglieder auf Antrag der Grünen das Signal gaben, dass sie den früheren Reichspräsidenten nicht mehr als Namensgeber wünschen, sollen nun zunächst noch die Bürger angehört werden. Am Ende wird dann erneut der Stadtrat entscheiden müssen. Der Abstimmung vom vergangenen Dienstagabend war eine kontroverse aber insgesamt sachliche Debatte vorausgegangen. Neben der SPD unterstützten auch FWG und Linke den Grünen-Vorstoß.

TRIER. Der Streit entzündete sich weniger an der Person und dem Wirken Hindenburgs. Seine unrühmliche Rolle als „Steigbügelhalter“ Hitlers, überzeugter Antidemokrat und Verteidiger des Röhm-Putsches ist heute Konsens, abweichende Positionen finden sich allenfalls auf braunem Morast. Gegenstand der Kontroverse war vielmehr die Frage, ob die Umbenennung von Straßen und Plätzen nicht zur Negierung der deutschen Geschichte führe – und wie weit diese getrieben werden solle?

Reiner Marz (Die Grünen) holte bei der Begründung des Antrags seiner Fraktion weit aus: „Es braucht ein ständiges Ringen um die Demokratie“, erklärte er. Dabei, so der Antragsteller weiter, müsse man auch auf Vorbilder zurückgreifen können. Durch eine Benennung von Straßen und Plätzen stelle man die Leistungen und die Vorbildfunktion einer Persönlichkeit heraus. Mit Blick auf die Lage des Willy-Brandt-Platzes und der Konrad-Adenauer-Brücke erklärte er, dass „ein guter Teil der Erinnerungskultur in Trier an die Peripherie gedrängt“ sei. Sodann kam der Grüne darauf zu sprechen, dass sich eine „militaristische und demokratiefeindliche Linie“ durch alle Entscheidungen Hindenburgs ziehe. Marz erwähnte auch einen Vorschlag des Trier-Forums, das empfiehlt, die Straße in „Synagogenstraße“ umzubenennen.

CDU: Grüne haben Anlieger nicht im Blick

Die Christdemokratin Dorothee Bohr wies darauf hin, dass die Stellungnahmen über die Beurteilung Hindenburgs seit der Debatte vor fünf Jahren weiterhin lesenswert seien und aus Sicht ihrer Fraktion heute noch Gültigkeit hätten. Damals hatte der Stadtrat auf Antrag der CDU eine Umbenennung des Hindenburg-Gymnasiums (HGT) in Humboldt-Gymnasium Trier beschlossen. Ein weiterführender Vorschlag der SPD, die schon seinerzeit auch eine Umbenennung der Hindenburgstraße forderte, hatte im Stadtrat aber keine Mehrheit gefunden (wir berichteten). „Straßenschilder dienen auch der Orientierung in der Zeit“, so Bohr. Eine Auseinandersetzung mit der „Provokation Hindenburg“ gebe es nur, sofern sein Name in der Öffentlichkeit bestehen bleibe. Zudem erklärte sie: „Die Anwohner haben Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Interessen.“ Von den 30 bis 40 Anliegern wolle keiner die Umbenennung, behauptete Bohr, die auch kritisierte, dass die Initiative für den Vorstoß der Grünen nicht im Ortsbeirat Trier-Mitte behandelt wurde. Schließlich sei das parteilose Mitglied der Grünen-Ratsfraktion, Dominik Heinrich, dort Ortsvorsteher. „Die Grünen haben die Anlieger nicht im Blick“, folgerte die Unionsfrau.

Die SPD-Fraktion stellte sich derweil hinter die Grünen. Auch für die Sozialdemokraten stelle die Straßenbenennung primär eine Ehrung dar, die die Anerkennung für eine Person herausstreichen solle, erklärte Carola Siemon (SPD). Dagegen stehe die Hindenburgstraße für eine „Ehrung falscher Ideale.“ Die Sozialdemokratin bekräftigte den Vorschlag des Trier-Forums, über eine Umbenennung in „Synagogenstraße“ nachzudenken. Für Linde Andersen von der Linkspartei war die Sache so eindeutig, dass sie ihren Redebeitrag denkbar kurz hielt: „Hindenburg verdient diese Ehrung nicht!“ Unter den empörten Rufen einiger Ratsmitglieder äußerte Christiane Probst von den Freien Wählern die Ansicht, dass man den Antrag der Grünen auch für Populismus halten könne. Schon der Vorstoß der SPD im Jahre 2008 hätte viele Fragen aufgeworfen. Dennoch stehe die FWG hinter dem Antrag, erklärte Probst – allerdings nur unter der Bedingung, dass der Ortsbeirat an der Entscheidung beteiligt und die Anlieger gehört würden.

Das sorgte bei der CDU für Irritationen. Thomas Albrecht teilte die Auffassung der FWG, wonach die Umbenennung von Straßen Aufgabe der Ortsbeiräte sei. Dann jedoch, so der Christdemokrat weiter, könne die FWG dem Antrag nicht zustimmen, denn „damit ist eine Umbenennung beschlossen.“ Antragsteller Marz stellte mit Blick auf die unterschiedlichen Interpretationen klar: „Selbstverständlich gibt es eine Bürgerbeteiligung.“ Er verwies auf den letzten Absatz im Antrag. Dort heißt es: „Die Verwaltung wird beauftragt, die vorhandenen Instrumente der Bürgerbeteiligung für eine öffentliche Diskussion über einen neuen Straßennamen zu öffnen.“ Der Grüne zeigte sich offen für eine Antragsänderung, mit der auch die Stellung des Ortsbeirats erwähnt wird. Gleichwohl betonte Marz auch, dass die letzte Entscheidung beim Stadtrat liege. Schließlich solle der Antrag eine Diskussion in Gang setzen, bei der ein anderer Straßenname als Ergebnis eines öffentlichen Diskurses stehen müsse. Hier machte Dorothee Bohr deutlich, dass ihrer Partei an der Ergebnisoffenheit der Diskussion gelegen sei: „Es könnte sein, dass der Name ‚Hindenburg‘ bleibt.“ Vor diesem Hintergrund warf Marz der CDU „Meinungslosigkeit“ vor. Er appellierte an die Christdemokraten, den Prozess nicht von normativen Erwägungen abzulösen: „Es handelt sich um ein Votum darüber, in welche Richtung das gehen soll.“ Schützenhilfe erhielt er dabei von Peter Spang von den freien Wählern. Spang erklärte, dass der Rat sich nicht vor einer Entscheidung drücken dürfe. Das überzeugte die Christdemokraten nicht. Michael Witzel (CDU) entgegnete Marz leicht erbost: „Was Sie vorschlagen, ist eine Entmündigung der Ortsbeiräte.“

Unerwartet deutlich brachte sich Oberbürgermeister Klaus Jensen in die Debatte ein und verkündete, dass der Stadtvorstand den Antrag der Grünen unterstütze. Der OB erinnerte an die Diskussion von 2008, schon damals habe er die Position vertreten, dass es nicht sein könne, nur das Gymnasium umzubenennen und den Straßennamen aber beizubehalten. In Anbetracht der Forderungen nach einer weitreichenden Beteiligung der Anlieger stellte er klar: „Wir sind alle betroffen, nicht nur die Anlieger.“ Auch machte er deutlich, dass eine Frage dieser Tragweite nicht an Fragen wie der Anschaffung neuer Briefbögen festgemacht werden dürfe. Damit konterte er Kritik vonseiten der CDU, die auf die Kosten einer Neubenennung abhob, die auf die Anlieger zukämen.

Eine gänzlich andere Position vertrat Joachim Gilles (FDP): „Ist diese Debatte überhaupt nötig?“, fragte er. Die Stadt, so der Historiker weiter, habe schließlich dringendere Probleme. Zwar wolle er Hindenburg nicht glorifizieren, doch gehöre zu den historischen Fakten auch: „Hindenburg ist das erste und einzige direkt gewählte Staatsoberhaupt Deutschlands gewesen – mit den Stimmen des Zentrums und der SPD.“ Mit den Stimmen von SPD, Linkspartei, FWG und Grünen wurde der Antrag schließlich beschlossen. CDU und FDP stimmten dagegen, es gab eine Enthaltung. (mst)

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