Gut, dass Mozart mit im Spiel war

Mit Mozarts „Don Giovanni“ füllt man auch heute noch die Häuser. So auch das Trierer Theater, wo anlässlich der aktuellen Premiere am vergangenen Sonntag bereits in Erwartung des Opern-Klassikers vorab allgemein positive Theaterlaune herrschte. Am Ende jubelte das Publikum, beklatschte frenetisch die Akteure auf der Bühne und im Orchester. Nur der Regisseur musste sich den schmähenden Buh-Rufen eingefleischter Opern-Fans und Kennern der Materie stellen. Er nahm’s gelassen, denn auch das gehört zum Ritual des Genres.

TRIER. Ist Don Giovanni nun ein Frauenhasser, der mit jeder erfolgreichen und minutiös von seinem Diener Leporello aufgelisteten Verführung einen weiteren narzisstischen Triumph über das weibliche Geschlecht feiert? Oder ist er ein Getriebener, einer, der, wie Max Frisch es formuliert hat, letztlich jedoch unfähig zu lieben, ohne Du bleibt? Vieles spricht dafür, dass dieser spanische Edelmann ein weder Tod noch Teufel fürchtender, skrupelloser Frauen-Verschlinger ist. Er weiß, dass ihn die Frauen zerstören werden, und so muss er sie zuvor zerstören. Doch merkwürdigerweise erscheint Don Giovanni in der Begegnung mit den Frauen zu keiner Zeit als wirklich überlegen, gar groß. Erst unter Männern weiß er, der einen Dauerkrieg gegen die männlichen Frauenbeschützer führt, sich „mannhaft“ zu behaupten. So tötet er ohne Skrupel den seiner Tochter Donna Anna zur Hilfe eilenden Commendatore. Doch dieser wird am Ende sein Schicksal besiegeln, wenn er, verbündet mit den Mächten einer anderen Welt, zurückkehrt und den „Frevler, der mich tötete“, der ewigen Verdammnis zuführt.

Die Trierer Inszenierung von Thomas Münstermann zeigt Don Giovanni als wenig sympathischen, rein genitalgesteuerten Rambo, der unter permanent erektiler Erregung zu stehen scheint. Dass die Damen in seiner Nähe schwächeln, steht zwar im Libretto, wirkt ob der Plumpheit der Verführungsszenen jedoch wenig glaubhaft. Fallen Frauen eines Standes wie Donna Elvira wirklich auf so einen Typen gleich mehrfach rein? Spätestens aber die Charakterisierung der Frauengestalten durch Münstermann als würdelose Wesen hätte einen Sturm der Entrüstung unter den weiblichen Zuschauern auslösen müssen.

Oder sind die Damen zu Beginn des 21. Jahrhunderts toleranter als jene der 1790er Jahre, die Mozarts Oper schlicht als „Beleidigung des gesamten weiblichen Geschlechts“ empfanden? Sollte man Mitleid für die tragische Figur der Donna Elvira haben oder doch mehr für Claudia-Denise Beck, die in ihrer Rolle mehr einem pubertär-schmollenden Teenie glich als einer Frau gehobenen Standes? Donna Elvira ist bei Mozart und Da Ponte das Synonym für Würde, nicht so bei Münstermann. Überhaupt scheint Münstermann mehr auf niederschwelliges Amüsement zu setzen. Masetto etwa, der beinah gehörnte Ehemann von Zerlina, wird als depperter Clown mit Papageno-Zügen dargestellt, und Leporello mutet äußerlich an wie ein Guildo-Horn-Verschnitt. Eher peinlich die als Barock-Engelchen kostümierten Orchestermusiker, die in der Ballsaal-Szene zum Tanz aufspielen. Nach der Devise „Gute Miene zum blöden Spiel“ schienen sie das Ganze wenigstens mit halbwegs Fassung zu tragen.

An sich gelungen ist die Ausstattung von Axel Schmitt-Falkenberg. Die Szenerie zu Beginn suggeriert in ihrer reliefartigen Tiefenwirkung Pracht und Opulenz, erinnert an die Impastotechnik spanischer Barockmeister. Das Verschieben und neu zusammenfügen variabler Bauelemente ließe mit einfachsten Mitteln Raum für Gestaltung, hätte man nicht irgendwann den Eindruck, dass aus lauter Spaß am Schieben pausenlos geschoben wurde. Und welche Bedeutung schließlich die vier unentwegt auf- und abmarschierenden Fackelträger hatten, das mag das große Geheimnis des Abends bleiben. Wirkliche Erleuchtung haben sie wohl niemandem gebracht.

Wie gut aber, dass Mozart im Spiel war. So war der Abend zumindest musikalisch halbwegs gerettet. Überstandenes Premierenfieber und „learning by doing“ geben Hoffnung, dass hier denn auch mit den kommenden Vorstellungen sowohl im Orchester als auch auf der Bühne noch eine Steigerung im Bereich des Möglichen liegt. Manches im Orchester klang stellenweise noch zu zögerlich und blass, ließ letzte Sicherheit vermissen. Insgesamt aber ließ Valtteri Rauhalammi Mozarts unendlichen Farbreichtum mit sängerfreundlicher Dynamik genüsslich ausspielen. Denkanstöße kamen nicht von der Bühne, sondern wie bei Mozart üblich von den „kritischen“ Zwischentönen der Partitur.

Auf der Bühne fehlte zu Beginn ebenfalls die Sicherheit, grobe Patzer waren da nicht zu überhören. Das Damen-Trio Joana Caspar (Donna Anna), Claudia-Denise Beck (Donna Elvira) und Evelyn Czesla (Zerlina) hat noch immer mit dem berüchtigten Vibrato zu kämpfen (ein Tremolo wäre als technische Verzierung gezielt und damit kontrolliert einsetzbar), das gerade in den Koloraturen immer wieder ein plastisches Äquivalent zur Heisenbergschen Unschärferelation abgibt.

In den Mittellagen sind die Stimmen dann deutlich ruhiger, zudem auch von angenehmem Timbre. Dass Donna Elviras große Arie im zweiten Akt zur Persiflage wird, ist einem vom Regisseur verordneten, gegen die Musik gerichteten Bewegungsablauf geschuldet – welch vertane Gelegenheit!

Durchgehend überzeugen können Amadeu Tasca als Don Giovanni und Alexander Trauth als Leporello. Letzterer verfügt zudem über eine ausgeprägte Mimik, die im Verbund mit seinen schauspielerischen Qualitäten seiner Rolle ganzheitlichen Charakter gibt.

Allzu blass hingegen ist die Rolle des Don Ottavio geraten (die langen hellblonden Haare passen so gar nicht zur Physiognomie des Gesichts). Zwar verfügt Svetislav Stojanovic durchaus über tenorale Strahlkraft in der Stimme, doch weniger forcierte Kraft in den Höhen ließe mehr Raum für geschmeidigen Glanz. Der Commendatore und auch Masetto waren mit Pawel Czekala adäquat besetzt.

Weitere Infos und Termine finden Sie hier.

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