„Es gab keine echte Strukturdebatte“


Kürzlich beschloss der Senat der Universität, künftig 1,5 Millionen Euro beim Personal einzusparen. Daneben sind weitere mittelfristige Maßnahmen angedacht, um bevorstehende Haushaltsengpässe auszugleichen. Diese stoßen allerdings auf verbreitete und teils heftige Ablehnung bei Mitarbeitern und Studenten. Die Kritik entzündet sich unter anderem an einem neuen Studiengang, der entgegen aller Sparmaßnahmen den Fächerkanon der Hochschule erweitern soll. Wie mit dem verabschiedeten Strukturpapier in der Praxis umgegangen werden soll, scheint derweil niemand wirklich zu wissen. Außerdem beklagen manche der Beteiligten, dass eine ernsthafte Debatte über die langfristige Ausrichtung der Trierer Universität bislang ausgeblieben sei.

TRIER. Als sich vorvergangene Woche die Vertreter eines großen Fachbereichs der Universität Trier trafen, um über das weitere Vorgehen der Strukturdebatte zu beraten, sollte dies eine der eher kürzeren Sitzungen der Kommission werden. Bereits nach einer guten halben Stunde war die Zusammenkunft beendet. Der Grund für die knappe Beratung: Keiner der Beteiligten wusste so recht, was nun genau zu unternehmen sei, um den Fachbereich entsprechend der Vorgaben des Senatsbeschlusses zu reformieren. Anscheinend wissen außer der Hochschulleitung bisher nur wenige Mitarbeiter, wie sie mit den Strukturentscheidungen weiter verfahren sollen.

Auf seiner Sitzung am 14. Februar entschied das oberste Entscheidungsgremium der Uni über ein Ergebnispapier, welches die Hochschule für die nächsten Jahre neu aufstellen soll. Davon betroffen sind alle größeren Verwaltungseinheiten an der Hochschule, also neben den Fachbereichen auch zentrale Einrichtungen wie die Universitätsbibliothek, das Rechenzentrum (heute ZIMK) sowie die allgemeine Verwaltung. Die Vorgaben bedeuten ab 2014 eine Einsparung von 1,5 Millionen Euro beziehungsweise drei Prozent des Personalhaushalts und beinhalten darüber hinaus Empfehlungen für mittel- bis langfristige Umstrukturierungen innerhalb der Fachbereiche. So verlagert sich beispielsweise im Fachbereich III eine Professorenstelle von der Kunstgeschichte in die Politikwissenschaft, die Betriebswirtschaft bietet zusätzlich ein neues Nebenfach an und der Fachbereich I erweitert sein Angebot um den Studiengang der „Klinischen Pflege“. Daneben werden fachbereichsübergreifende Aufgaben wie die Fachdidaktik für alle Lehramtsstudiengänge sowie das Qualitätssicherungsprogramm finanziell stärker unterfüttert.

Die nun beschlossenen Richtlinien sind Folge der Haushaltsengpässe, die mit dem Wegfall der Langzeitstudiengebühren, einer Erhöhung der Lehrvorgabe für Professoren sowie fehlender Mittelzuweisung für Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst für das kommende Jahr entstanden sind. Auf mittlere Sicht rechnen die Verantwortlichen zudem aufgrund der einsetzenden Schuldenbremse in den Landeshaushalten und dem möglichen Wegfall von Sonderprogrammen wie dem Hochschulpakt mit Mindereinahmen von jährlich insgesamt 7,5 Millionen Euro. Daher galt bis zum nun verabschiedeten Papier zusätzlich ein Einstellungsstopp von neun Monaten für unbefristete Stellen. Der Kanzler der Universität, Dr. Klaus Hembach, ist mit dem Verfahren der Strukturdiskussion bisher „sehr zufrieden“. Trotzdem ist ihm klar, dass ein Großteil der Vorgaben des Abschlussberichts ohne konkrete Formulierungen auskommen: „Bisher haben wir nur die Grundzüge festgelegt. Die eigentliche Arbeit wird uns in den nächsten eineinhalb Jahren beschäftigen.“

Scharfe Kritik von Personalratschef

Doch längst nicht alle blicken so zuversichtlich in die Zukunft, wie die Hochschulleitung. Bereits im Vorfeld der Senatssitzung wandten sich Studierende des Faches Kunstgeschichte mit einem offenen Brief an Präsident Michael Jäckel und die Senatoren, in dem sie das Schicksal des Faches durch die Entscheidungen der Strukturkommission besiegelt sehen und zur Ablehnung des Ergebnispapiers aufrufen (wir berichteten). Scharfe Kritik an den Empfehlungen kommt auch aus der Feder von Werner Rüffer. Im Nachgang der Sitzung veröffentlichte der Vorsitzende des Personalrates – der auch selbst an den Gesprächen der Zentralen Strukturkommission teilgenommen hatte – ein Memorandum, in dem er mit dem Ablauf der Strukturdebatte hart ins Gericht geht. Gleich auf der ersten Sitzung sei deutlich geworden, dass wesentliche Leitlinien und damit die grobe Marschrichtung bereits im Vorfeld festgestanden hätten. Letzthin sei es dann nur noch „um Verlierer und Gewinner“ gegangen. Das Abstimmungsergebnis im Senat gibt ihm Recht: So votierte fast die Hälfte der Gremiumsmitglieder im Februar nicht für die Beschlussvorlage der Strukturkommission.

Wie kam es zu einem solch knappen Ergebnis, beschwor doch Präsident Jäckel immerfort die konsensuale Ausrichtung des Diskussionsprozesses? Senatsmitglied und AStA-Referent Enrico Liedtke bestreitet, dass eine offene Gesprächskultur während der Beratungen geherrscht habe: „Es gab keine echte Strukturdebatte. Auch die Kommunikation zwischen Fachvertretern und -mitgliedern verlief alles andere als reibungslos“. Auch Liedtke war wie Rüffer Mitglied der zentralen Strukturkommission und hat bei der entscheidenden Abstimmung gemeinsam mit den anderen studentischen Senatsmitgliedern ein Gruppenveto eingelegt, welches zwischenzeitlich die Rechtsabteilung der Universität für ungültig erklärte.

Kritik kommt auch von Dekanseite. So beklagt zum Beispiel der Verantwortliche im Fachbereich II, Professor Ulrich Port, die Grenzziehung zwischen den Fachbereichen: „Ich hätte mir gewünscht, dass wir eine universitätsweite Debatte geführt hätten, die nicht an den Grenzen der einzelnen Fachbereiche Halt macht.“ Manche Beobachter gehen noch weiter und sprechen der Grundsatzdiskussion ihre profilbildenden Zielsetzungen ab. Es sei eine „Debatte ohne Parameter“ gewesen, der also der inhaltliche Kompass gefehlt habe. Nach dieser Lesart waren für die Entscheidungen der zentralen Strukturkommission vor allem die Interessenvertretung einzelner Fächer sowie deren Berufsorientiertheit maßgeblich, lässt sich aus dem Papier doch ansonsten keine gesamtuniversitäre Vision herauslesen.

Aderlass bei der Kunstgeschichte

Ein Beispiel für die Prinzipien, an denen sich der eingeschlagene Konsolidierungskurs orientiert, bietet das Fach Kunstgeschichte. Ausschlaggebend für den Aderlass, den es mit dem Strukturpapier in den nächsten Jahren zu leisten hat, war ein bis heute erbitterter Streit zwischen zwei Professoren, die sich während der Moratoriums-Zeit in der Geschäftsführung des Faches abwechselten. Die unterschiedlichen Meinungen der beiden Kollegen mündeten in eine „blamable Außendarstellung“, wie die Beteiligten unumwunden zugeben. Hierauf entschied die zentrale Strukturkommission, in den nächsten sechs Jahren, zeitgleich mit der Pensionierung zweier Wissenschaftler, das Fach um eben diese Planstellen zu kürzen und damit das Lehrpersonal um ein Drittel zu reduzieren. Profitieren wird davon zunächst die Politikwissenschaft, die während der Verhandlungen auch den Dekan des Fachbereichs stellte. Der heutige Geschäftsführer der Kunsthistoriker, Professor Gottfried Kerscher, wirft den Entscheidungsträgern der Hochschule sowie dem Fachbereichsrat vor, keine inhaltliche Debatte über die Strukturplanung des Faches zugelassen zu haben. Der Fachbereichsreferent Werner Grasediek spricht von „Signalen der Hochschulleitung“ im Vorfeld der Beratungen. Nun finden weitere Gespräche zwischen den Fachvertretern und dem Präsidium statt.

Das Bildungsministerium in Mainz bewertet die Strukturentscheidungen aus Trier neutral, die Aufhebung des Moratoriums trifft dagegen auf Zustimmung. Damit folgen die Landespolitiker einer Linie, die Wissenschaftsministerin Doris Ahnen (SPD) bereits bei ihrer Teilnahme an der Senatssitzung im November des vergangenen Jahres vorgab. Die Zurückhaltung beim Thema Konsolidierung ist auch deshalb verständlich, weil an anderen Universitäten des Landes wie etwa der in Mainz eine umfassende Strukturdiskussion bisher ausblieb, wie eine Anfrage von 16vor ergab. Für die Einrichtung des umstrittenen dualen Studiengangs Klinische Pflege sagt das Ministerium eine Anschubfinanzierung von 100.000 Euro zu. Die Universität rechnet sogar damit, dass einer der beiden vorgesehenen Lehrstühle in den ersten sechs Jahren durch Zuwendungen des Landes abgedeckt werden kann.

Dies war wohl der Hauptgrund, warum Präsident Jäckel auf die Einrichtung der Klinischen Pflege drängte – ein Studiengang, der bis auf einen Teilbereich der Psychologie keine Verbindungen zu anderen Fächern schafft, wie es in dem Strukturpapier wiederholt gefordert wird. Dieses Vorhaben dient nicht nur als Beispiel für das Unverständnis, das bei vielen Hochschulangehörigen das Procedere der Strukturdebatte auslöste, sondern lässt darüber hinaus auf grundsätzliche Absichten der Universitätsleitung für die folgenden Jahre der Amtszeit Jäckel schließen. Sprach dieser während seiner Bewerbungsrede für das Präsidentenamt vor zwei Jahren noch von „effizientem Idealismus“, einer „Uni made in Trier“ und hob das „studium generale“ hervor, geht es nun im Fach Philosophie um eine „optimale Ressourcenauslastung“ und bekommt die EDV-Abteilung einen neu installierten „Chief Information Officer“, kurz CIO. Es tritt darin ein Mentalitätsunterschied zutage, mit dem auch Personalrat Rüffer einen seiner Denkanstöße überschrieb: „Zeitgeist oder Geisteswissenschaft?“

Volker Haaß / Johann Zajaczkowski 

(Anm. d. Red.: Die Redaktion hat auch Universitätspräsident Professor Michael Jäckel zur Strukturdebatte befragt. Vereinbart war ein ausführliches Wortlautinterview, welches im Nachgang zu diesem Beitrag erscheinen sollte. Bedauerlicherweise wurden bei der Autorisierung des transkribierten Gesprächs Änderungen und Ergänzungen vorgenommen, die wir in ihrem Umfang nicht akzeptieren konnten. Unserem journalistischen Selbstverständnis entsprechend, sieht die Redaktion deshalb von einer Veröffentlichung des autorisierten Interviews ab.)

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