Die Kunst des Ausziehens

Petits Fours sind kleine Gebäck-Kunstwerke aus der französischen Küche, die aus feinem Biskuitteig mit köstlichen Crèmes und Marzipan gezaubert werden. Sinnlich für die Augen und Ohren sind „The Petits Fours“. Die Künstlergruppe bietet einen stilvollen Mix aus Burlesque, Tanz, Gesang und Comedy. Bevor am Donnerstagabend nach gut anderthalb Stunden für „The Petits Fours“ der Vorhang im Trierer Theater fiel, hatten die Tänzerinnen mehrmals kunstvoll die Hüllen fallen lassen.

TRIER. Wer einmal auf einer Erotikmesse oder einer normalen Tabledance-Bar dem auf einer Bühne dargebotenen Entkleidungsvorgang beigewohnt hat, weiß, dass dies oft den entgegengesetzten Effekt als beabsichtigt haben kann. Nicht selten zuckt dabei das darin schlecht ausgebildete Personal in minderwertiger Unterwäsche schnell und unrhythmisch zu lautem Kirmestechno. Dies hat mit Erotik so viel zu tun wie belgischer „Bel Ami“-Sekt (halbtrocken) mit einem „Dom Pérignon“.

Richtig prickelnd und geschmackvoll hingegen ist die Show von „The Petits Fours“. Die Burlesque-Tänzerinnen des Ensembles machen Ausziehen zur Kunst. Wie zum Beispiel „Golden Treasure“. Die üppige Tänzerin im Südsee-Outfit wickelt sich aus ihrem Bastrock, der ausgerollt zu einem Sichtschutz wird, hinter dem sie sich mit gespielt unschuldigem Blick von ihrem Höschen und ihrem Muschel-BH entledigt, sodass nur noch sogenannte Pasties die Brustwarzen und die Scham bedecken.

Zoe Scarlett aus Basel ist heißer als Käsefondue und schärfer als jedes Schweizer Offiziersmesser. Mit ihrem verführerischen Lächeln kann sie Gletscher zum Schmelzen bringen. Dem Schweizer Pin-up-Model könnte man stundenlang beim Ausziehen zuschauen. Nicht, um sie nackt zu sehen – darum geht es in der klassischen Burlesque nicht -, sondern weil ihr lustvolles Entkleiden schon eine, nein, die erotische Attraktion ist. In einer Nummer trägt sie einen Rock aus Dutzenden am Bund haftenden Tüchern, die sie einzeln „pflückt“ und dabei jedesmal so entzückt-überrascht schaut, dass mehr ihre Mimik als die lichter werdende Unterleibsbekleidung betört.

Bei Mademoiselle Parfait de la Neige trifft Ballett auf Burlesque. Die studierte Balletttänzerin zeigt vor allem klassische Nummern wie die Puppe, die mit einem Schlüssel aufgezogen werden muss, oder eine Erwachsenen-Version von Fächertanz, bei der sie den Betrachter lange im Unklaren lässt, ob sie überhaupt bekleidet ist.

„The Petits Fours“ bestehen aber nicht nur aus einer Zutat. Mademoiselle Felicitas d’Orange präsentiert ausgezeichnete Travestie, zum Beispiel in der Rolle der Diva, die sich entsprechend divenhaft von zwei Zimmermädchen für bevorstehenden Herrenbesuch ausziehen lässt. Diva la Kruttke verkörpert eine andere Form dieses Frauentyps. Die überdrehte Schlampe, die sich auch schon mal wenig damenhaft mit dem Fächer unter den Achseln wedelt, ist im Theater auf der Suche nach ihrem Blind Date „Long John 69“. Zur Überbrückung singt sie Coversongs mit angenehm unfeinen, eigenen Texten über Männertypen („Tiescha“ zu „Fever“) und Schlampendefinitionen („Schlampe“ zu „Downtown“) und informiert die 400 Besucher nicht allzu schockiert über derbe, ihr entgegenbrachte Anmachsprüche („Na, Praline, willste ’ne Füllung?“).

Kultivierter sind die Auftritte der hinreißenden „Cool Cats“, die in engsitzenden Matrosenkostümen und im Stile der Andrews Sisters – nicht nur wegen „Bei mir bist du schoen“ – Originale der 20er bis 60er Jahre zum Besten geben. Die laut Ansagetext „süßesten Früchte, die je gebacken wurden“, können jedoch auch anders: So bringen sie mit ihren Verführkünsten drei Herren aus dem Publikum auf der Bühne ganz schön ins Schwitzen und präsentieren zum Schluss eine Zirkusnummer mit strenger, peitschenschwingender Dompteurin.

Einer der wenigen Männer, der dabei die Fassung wahren kann, ist Monsieur Olivier. Der stumme Diener räumt hinter den Damen her und springt auch mal als Statist ein. Dazu wäre auch die ein oder andere Zuschauerin geeignet gewesen, denn ein paar Besucherinnen kleideten sich wundervoll nach dem Geschmack der 50er und 60er Jahre. Der Lautstärke bei der Mitsingnummer „Hit the Road, Jack“ nach zu urteilen, waren bei der Revue weibliche Gäste in der Überzahl. Vielleicht hat die Show den Männern aber auch einfach nur die Sprache verschlagen.

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