„Der Staat darf seine Feinde nicht finanzieren“

Lange hatte es den Anschein, als bliebe Trier von braunen Umtrieben verschont. Spätestens mit dem Einzug des NPD-Kreisvorsitzenden in den Stadtrat vor drei Jahren und wiederholten Aktionen der rechtsextremistischen Partei auf Straßen und Plätzen, hat sich diese Wahrnehmung als Illusion herausgestellt. Robert Ackermann studierte an der Universität Trier und engagierte sich in der kulturellen Szene. Nun hat der Politikwissenschaftler und Journalist ein Buch über die NPD geschrieben. Ackermann interviewte hierfür die gesamte Parteispitze und unterzog die Aussagen einer wissenschaftlichen Analyse. 16vor traf sich mit ihm in Berlin und sprach über die Erfolgsaussichten der NPD, mögliche Gegenstrategien und Argumente für ein Verbot der rechtsextremen Partei.

16vor: Herr Ackermann, für Ihr Buch haben Sie die komplette Führungsriege der NPD interviewt und sich dadurch auch mit den inhaltlichen Aussagen der Parteifunktionäre beschäftigt. Die meisten Parteien hingegen meiden eine Auseinandersetzung mit dem Gedankengut und setzen stattdessen auf ein Totschweigen der NPD – so auch in der Trierer Kommunalpolitik. Eine wirksame Strategie?

Robert Ackermann: Auf kommunaler Ebene lernen viele den Umgang mit der NPD erst dann, wenn sie bereits in den Gemeinderäten und Rathäusern präsent ist. Deutschlandweit hat die NPD im Moment rund 400 kommunalpolitische Mandate. Der Umgang mit NPD-Abgeordneten bewegt sich stets in einem Spannungsfeld: Wer der NPD zu viel Aufmerksamkeit schenkt, gibt den Nazis die Möglichkeit, das Parlament als Bühne zu nutzen. So hat mir der ehemalige Parteichef Udo Vogt verraten, dass die NPD nach dem sogenannten AIDA-Modell vorgeht, einem Konzept aus der Werbebranche. Das Akronym steht für Attention – Interest – Desire – Action. Zunächst geht es der Partei also darum, Aufmerksamkeit zu bekommen. Wird die NPD jedoch ignoriert, kann sie sich als einzig wahre und diskriminierte Oppositionspartei generieren. Im sächsischen Landtag reagiert zum Beispiel lediglich je ein Redner aus den Regierungs- und Oppositionsparteien auf Anträge der NPD, ansonsten wird ihnen keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt.

16vor: Sollte man Ihrer Meinung nach ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD einleiten? Wo doch einige der Unterstützer des NSU aus dem braunen Dunstkreis der NPD kommen.

Ackermann: Ralf Wohlleben, der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der thüringischen NPD, ist bislang der einzige NPD-Funktionär, dem man eine direkte Verbindung zu der rechten Terrorzelle nachweisen kann. Dennoch: Die NPD ist das politische Sprachrohr einer menschenverachtenden Ideologie, die solche Auswüchse wie den NSU hervorgebracht hat. Auf der Straße ist diese Ideologie richtig gefährlich. Ich bin für ein NPD-Verbot, weil ich denke, dass der Staat seine Feinde nicht finanzieren darf. Die NPD bekommt über die Parteienfinanzierung zwischen einer und eineinhalb Millionen Euro pro Jahr. Mit den Geldern wird beispielsweise die Infrastruktur finanziert, die die Durchführung von Demonstrationen ermöglicht. Dort trifft sich dann die gewaltbereite rechte Szene, die eng mit der NPD verwoben ist. Meines Erachtens ist das absurd.

16vor: Ein Verbot könnte dazu führen, dass die Verhaltens- und Denkmuster, von denen die NPD profitiert, nicht mehr problematisiert und von der öffentlichen Wahrnehmung ausgeblendet werden. Keine Partei – kein Problem?

Ackermann: Ein Verbot bedeutet ja nicht, dass die Basisarbeit gegen Rechts zum Erliegen kommt. In den Gemeinden wird bei der Jugend- und Sozialarbeit gegen Einstellungen am rechten Rand vor-gegangen. Ich glaube nicht, dass man die NPD nur um der Auseinandersetzung willen bestehen lassen sollte. Das Problem des Rechtsextremismus muss man weiterhin an der Basis bekämpfen.

16vor: In vielen Ländern Europas sitzen rechtspopulistische bis offen rechtsextremistische Parteien in den Parlamenten oder sind gar in der Regierungskoalition vertreten. Wieso kann die NPD in Deutschland – so die Hauptthese Ihres Buches – keinen Erfolg haben?

Ackermann: Nicht zuletzt die Sarrazin-Debatte hat gezeigt, dass viele Menschen in Deutschland ausländer- bzw. vor allem islamfeindlich eingestellt sind. Die NPD vermag dies nicht für sich zu nutzen. Das hat zum einen mit der politischen Kultur zu tun, wie sie sich in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hat. Auf der anderen Seite ist die Partei selbst an ihrem Misserfolg schuld. Die können einen Großteil der Erfolgsthemen der anderen Parteien am rechten Rand nicht imitieren. Denn sie schöpfen einen großen Teil ihres Selbstverständnisses aus der Verbindung zum historischen Nationalsozialismus – im Gegensatz zu den anderen Parteien am rechten Rand Europas, die in der Regel akribisch darauf achten, damit nicht in Verbindung gebracht zu werden. Hinzu kommt, dass die NPD sehr antisemitisch geprägt ist und sich unter anderem deswegen mit antiislamischer Propaganda schwertut …

16vor: …wieso das?

Ackermann: Die NPD begrüßt den Hass vieler arabischer Länder auf Israel – frei nach dem Motto „Der Feind deines Feindes ist dein Freund“. Daneben gibt es inhaltliche Berührungspunkte zwischen der NPD und dem fundamentalistisch ausgelegten Islam. Beide sind antimodernistisch geprägt und haben beispielsweise Probleme mit Homosexualität und der Emanzipation der Frau. Viele Rechtspopulisten im Ausland aber fahren gerade mit Islamkritik große Erfolge ein.

16vor: Heißt das, wenn die NPD islamfeindlicher auftreten würde, hätte sie Erfolg?

Ackermann: Ganz so einfach ist das nicht. In einigen Regionen treten sie durchaus mit entsprechender Propaganda in Erscheinung. Der NPD mangelt es an vielem. Die erfolgreicheren Rechtsaußenparteien haben z.B. in der Regel eine charismatische Führungsfigur an der Spitze. Meist sind das rhetorisch glänzende Persönlichkeiten, denen die Medien die Gelegenheit geben, ihr Charisma auszuspielen. Holger Apfel – der aktuelle NPD-Chef – ist weder ein großer Redner, noch jemand, der im deutschen Bürgertum irgendeine Form von Ansehen genießt.

16vor: Vor kurzem hat Christian Worch, ein bekannter Kameradschaftsnazi, eine neue Partei mit dem Namen „Die Rechte“ gegründet. Könnte er zur Galionsfigur werden, die der rechten Szene in Deutschland so sehr fehlt?

Ackermann: Worch ist alles andere als eine Integrationsfigur im Rechtsaußenspektrum. Das ist ein Hardcore-Straßennazi, der stark polarisierend wirkt und sich nicht die Mühe macht, eine bürgerliche Maske aufzusetzen. Sympathisanten aus dem bürgerlichen Lager – als solche Leute, die Thilo Sarrazin gut finden – wird er nicht mobilisieren können. Davon abgesehen halte ich die Bedeutung der Partei „Die Rechte“ für medial absolut übersteigert.

16vor: Um Erfolg zu haben, müssten die Stimmenjäger rechts der CDU also ein passendes Medium finden, das auch im bürgerlichen Lager gut ankommt?

Ackermann: Als Thilo Sarrazins Buch auf den Markt kam, haben bei einer Umfrage der Bild am Sonntag 18 Prozent der Befragten angegeben, dass sie eine „Sarrazin-Partei“ wählen würden, wenn es sie denn gäbe. Daran kann man erkennen, dass die Gefahr wächst, sobald eine Person, die im bürgerlichen Lager prominent und akzeptiert ist, rechtspopulistische Parolen verbreitet. Das hat man auch im Jahr 2001 an der Partei Rechtsstaatliche Offensive des Amtsrichters Ronald Schill in Hamburg gesehen, die zum Glück in der Versenkung verschwunden ist.

16vor: Wie sieht es mit der Gefahr einer „Abzweigung nach Rechts“ aus (Heiner Flassbeck), wenn sich das Märchen vom gesunden Dauerexport als Mär erweist und Deutschland in eine Rezession stürzt, die viele Protestwähler an die Wahlurnen treibt?

Ackermann: Seit der Bankenrettungskrise haben in Europa in der Tat extremistische Parteien Zulauf bekommen. Die Gefahr besteht auch in Deutschland, mit einem großen Unterschied: Ein großer Teil der Protestwahlstimmen in diesem Land wird von der Linkspartei abgefangen. Dies betrifft gerade den Sozialprotest, mit dem auch Rechtsaußenparteien häufig punkten wollen.

16vor: „Die Rechte“ hat bereits angekündigt, an den kommenden Europawahlen 2014 teilzunehmen. Zu dem Zeitpunkt könnte das Protestwählerpotential sehr hoch sein.

Ackermann: Die Rechtsextremisten kündigen viel an und neigen in manchen Fällen auch zur Selbstüberschätzung. Ich bin skeptisch, ob die überhaupt genügend Unterschriften zusammenbekommen, um da antreten zu dürfen.

Das Buch „Warum die NPD keinen Erfolg haben kann: Organisation, Programm und Kommunikation einer rechtsextremen Partei“ ist im Juli beim Verlag Barbara Budrich erschienen.

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