„Immer ein großes Kind geblieben“

Roland Grundheber berichtet am Sonntag in der Europahalle, was er als Clown Frolando auf seiner 1800 Kilometer langen Wanderung von Trier nach Rom erlebte. Foto: Malte LegenhausenRoland Grundheber alias Clown Frolando hat im Leben das gefunden, wonach andere angestrengt suchen: sich selbst. Dazu brauchte er seine Wanderschuhe, Landkarten – und seine rote Clownsnase natürlich. Der 55-Jährige wanderte vergangenen Mai in dreieinhalb Monaten vom Trierer Dom – wo er den Pilgersegen erhielt – bis nach Rom. Seine lebensbejahende Einstellung, sein Frohsinn und seine rote Nase haben ihn dabei ständig begleitet. Diese Erlebnisse und Gefühle möchte er am Sonntag teilen und lädt um 20 Uhr zu einer Multimedia-Show mit Sänger Thomas Kiessling in der Europahalle ein.

16vor: Sie sagen, Sie haben mehrere Persönlichkeiten in sich vereint – den Kunstmaler, den Karikaturisten und den Clown Frolando. Wer ist dieser Clown?

Roland Grundheber: Der Clown ist eine ganz sensible Figur und er hat sehr viele Facetten. Es gibt einen Clown der Stille (atmet tief ein), der einen Saal leer saugt, nur mit einem Atemzug. Es gibt diesen Dummen August, es gibt viele Clowns, aber eins haben sie alle gemeinsam: Sie erlauben sich eine moralische Grenze zu überschreiten und in diesem Neuland, darf er sich bewegen.

Ich mache Ihnen das mal fest anhand so eines Stuhls. Für die meisten Leute ist ein Stuhl ein Stuhl. Und für einen Clown sind diese Gegenstände nicht festgelegt. Für einen Clown kann es sein, dass er zu einem Schaukelinstrument verkommt (setzte sich auf einen Stuhl und wippt vor und zurück), dass man Auto darauf fährt (er hält ein imaginäres Lenkrad in den Händen) und untendrunter durchkrabbeln kann. Der Clown denkt weiter und die Dinge haben kein Ende. Und dafür benutzt er seine Fantasie, seine Neugier.

16vor: Das heißt, als Clown muss ich die Fähigkeit haben, die Dinge anders zu sehen?

Grundheber: Ich denke, diese Fähigkeit hat jeder. Wenn wir mal überlegen, wie wir als Kind waren. Was wir da in die Sachen reininterpretiert haben, und diese Fähigkeit, diese Fantasie geht nicht verloren. Sie wird nur im Erwachsenenalter langsam weggedrückt. Alle großen Geister, alle Erfinder, alle Wissenschaftler nutzen diese Fähigkeit, diese Fantasie, um in die Dinge einzudringen. Sie sind nicht intelligenter als andere, sie machen nur eins nicht: Sie legen ihre Fantasie nicht ab! Ich bin immer ein großes Kind geblieben in einem Erwachsenen.

16vor: Wann haben Sie den Clown in sich entdeckt?

Grundheber: Der war schon immer da. In der Schule hat man versucht, ihn auszutreiben.

16vor: Sie waren also auch schon der Klassenclown?

Grundheber: Ja, das wurde damals anders abgetan, als „Zappelphilipp“. Dann hat die Gesellschaft versucht, ihn mir auszutreiben, indem sie mich maßregelte: Kannst du nicht mal ernst sein? In meinem alten Beruf war überhaupt kein Raum für diesen Clown. Das war eine Beamtenwelt. (Grundheber war damals bei der Bahn AG tätig.)

Was dann so hartnäckig anklopfte über die ganzen Jahrzehnte ist es wert, dass man es ausbildet. Ich bin in die Clownschule in Mainz, habe ein berufsbegleitendes Studium gemacht und habe dann festgestellt, dass alle Dinge, die wir da gelernt haben, schon in mir drin waren. Dann spricht man von einem Talent.

Und der Clown in mir, ist eigentlich auch der Regisseur in meinem Leben, der lässt mich auch öfters stolpern. Ich folge Impulsen, und wenn ich in irgendeiner Situation bin und dieser Clown meldet sich wieder und es ist unangemessen, dann folge ich ihm trotzdem. Zum Beispiel (lacht verschmitzt): Ich bin mal auf einer Bühne gewesen vor vielen Leuten. Da war der Bürgermeister, und während er mir die Hand hinhält, sagt der Clown: „Nein, jetzt gibst du sie ihm nicht, du machst’n Knicks.“ (Macht einen graziösen Knicks.) Und dann gehe ich dem Impuls nach und mache diesen Knicks.

16vor: Wie wird auf Sie reagiert, wenn der Clown sich in unangemessenen Situationen zu Wort meldet?

Grundheber: Sehr verschieden. Aber die Reaktionen sind mir eigentlich auch egal. Denn ich mache die Reaktionen nicht, um eine Reaktion hervorzurufen, sondern weil mir in dem Moment danach ist. Und wenn andere sagen: „Hast du diese Unverschämtheit gesehen?“, dann ist das ihr Problem, denn ich bin aus einer Norm herausgebrochen. Ich erlaube mir, etwas zu erlauben. Und da tun die meisten Menschen sich schwer mit.

Ein Clown bedient keine Erwartungshaltungen. Clown sein – oder überhaupt Künstler sein – ist eine permanente Reise ins Unerwartete. So, und das macht das Leben so viel spannender.

16vor: Sie wollen als Maler mit Ihren Bildern und als Clown Freude unter die Menschen bringen…

Grundheber: Darum geht’s! Dass ich Freude vermittle! Und deswegen mache ich auch diese Multimedia-Show. Ich war dreieinhalb Monate unterwegs, zu Fuß, nach Rom und da gibt’s Einiges zu erleben, grade als Clown. Und das ist diese Freude, die ich weitertransportieren will.

"Ich folge Impulsen, und wenn ich in irgendeiner Situation bin und dieser Clown meldet sich wieder und es ist unangemessen, dann folge ich ihm trotzdem." Illustration: Roland Grundheber16vor: Was kann das Publikum bei Ihrer Multimedia-Show am Sonntag erwarten?

Grundheber: Das Publikum bekommt einen Vortrag einer Reise, der nicht alltäglich ist. Ich gebe den Menschen die Möglichkeit, mit den Augen eines Clowns, sitzend von Trier nach Rom zu reisen und an den lustigen Begebenheiten teilzunehmen. Und damit ihnen nicht langweilig wird unterwegs, reiche ich einen Cocktail – und dieser Cocktail ist gefüllt mit Informationen, mit Bildern, es geht in Richtung Kabarett, es gibt viel Humor. Dann gibt es Gefühl – das wird von Thomas Kiessling transportiert, der Streckenabschnitte besingt, der die Alpen groß singt. Etwas melancholisch, weil ich will, dass die verschiedenen Eigenschaften eines Clowns – ein Clown ist auch mal so euphorisch, wie er traurig sein kann – zeigt.

Ein kleines Beispiel: Ich sitze in den Bergen – ein wunderschöner Tag, 28 Grad, blauer Himmel, 1600 Meter – auf einem riesigen Stein und schäle mir ’ne Apfelsine. Von weitem kommt ein ganzes Rudel Bergsteiger mit ihrer Hightech-Uniform. Jetzt sehen die da oben ’nen Clown sitzen, mit einer Clownspuppe als Wanderstab, mit einem Rucksack, mit Blümchen dran und ’ner schwarzen Melone, der eine Apfelsine schält. Und als die mich gesehen haben, endete an dieser Stelle ihre Einmaligkeit. Bis dahin waren sie Abenteurer, bis dahin waren sie wer in ihrer Ausrüstung. Und jetzt sitzt da ohne Ausrüstung ’n Clown, der noch sagt: „Ich bin aufm Weg nach Rom, ich muss dahinten über den Pass.“ Da konnte man sehen, wie all das, was sie bis dahin ausgemacht hat, aus ihnen rauslief. Man erwartet ja da oben ’nen Rettungsdienst, man erwartet da oben eine Schneelawine, alles mögliche, aber keinen Clown, der ’ne Apfelsine isst!

16vor: Wie kamen Sie zu der Idee von Trier nach Rom zu laufen?

Grundheber: Vor Jahren war in Trier die Konstantin-Ausstellung. Da wurden römische Stücke aus der Zeit von Kaiser Konstantin ausgestellt. Ich war mir die Ausstellung anschauen. Da war eine Büste von Cäsar, die schaute ich mir genau an und habe dabei entdeckt, dass Cäsar dieselbe Nase hatte wie ich. So ’ne römische Nase, die so leicht gebogen ist. Und da wuchs in mir der Gedanke – weil Cäsar ja hier in der Region damals vor zweitausend Jahren rumgewildert hat – ob ich nicht – aufgrund von dieser Nase – mit Cäsar verwandt bin. Könnte ja sein, dass der damals ’ne Mätresse hatte. Diese Frage hat mir keine Ruhe mehr gelassen, und ich musste diesem Impuls nachgehen, ob Cäsar vielleicht mein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater war. Und dann habe ich mich auf die Suche nach der Wahrheit gemacht. Bin als Clown darunter, in der Hoffnung, dass wenn ich in Rom ankomme – oder unterwegs schon – einen Impuls höre, der dann sagt: „Salve Frolando, ich bin dein Großvater! Wie schön, dass du da bist!“ Ich muss aber sagen: Der Impuls kam nicht.

16vor: Wie hat diese Wanderung Sie verändert?

Grundheber: Was mich am meisten auf dieser Reise beeindruckt hat, war die Addition von vielen Momenten und vielen Gefühlen – und wenn ich das jetzt zusammenrechne, kommt eins dabei raus: Dass ich so gut selbst mit mir auskomme. Ich war immer der Meinung, dass meine ganzen Aktivitäten dahingehend sind, dass ich mich noch nicht richtig kenne. Aber mal drei Monate allein, da merkt man, wie nah man sich ist. Da kommt man erst mal an sich ran. Auch die Erwartungshaltungen, die andere Menschen an mich hegen – also, dass ich mich hätte melden müssen – waren irgendwann so ausgedünnt, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe.

Es war eine Reise zu mir, für mich und für andere auch. Es war ’ne lustige Reise, es war ’ne tolle Reise, ich habe Sachen erlebt, die ich niemals auf einer hunderttausend Dollar teuren Kreuzfahrt hätte erleben können. Niemals!

Weitere Infos über Roland Grundheber und zur Show am Sonntag in der Europahalle finden Sie hier.

Malte Legenhausen

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