„Dann gehen hier die Lichter aus“

Die Auszeichnung ist die eine, die finanzielle Realität die andere Seite. Heute Abend erhält das Fanprojekt Trier das „Qualitätssiegel nach dem Nationalen Konzept Sport und Sicherheit“ der Koordinationsstelle aller Fanprojekte in Frankfurt. Damit wird die sozialpädagogische Arbeit des Projektes in den letzten zweieinhalb Jahren gewürdigt. Ob diese mit den rund 100 Fußballfans allerdings fortgeführt werden kann, ist derzeit höchst fraglich. Dem Exzellenzhaus als Träger fehlen für 2011 zugesagte Gelder. In der so genannten Drittel-Finanzierung teilen sich das Land Rheinland-Pfalz, der DFB und die Stadt Trier die Kosten von 90.000 Euro. Bisher hat die Stadt jedoch nur 15.000 Euro überwiesen, weil sie auch den Landkreis Trier-Saarburg beteiligt wissen will. Sollte das Geld nicht fließen, müsste das Exhaus neben den noch ausstehenden 15.000 Euro aus kommunalen Mitteln zugleich 30.000 Euro Fördermittel an den DFB und das Land zurückzahlen. Unter Umständen droht dem Träger dann sogar die Insolvenz.

TRIER. Hilger Hoffmann sieht dieser Tage alles andere als glücklich aus – und das, obwohl das Trierer Fanprojekt nach mehr als zwei Jahren intensiver sozialpädagogischer Arbeit mit Fußballfans nun dafür sogar mit einem Qualitätssiegel ausgezeichnet wird. Der 57-jährige Diplomsozialpädagoge und Leiter des Exzellenzhauses redet im Gespräch mit 16vor erst gar nicht um den heißen Brei herum. „Sollten wir als Träger auf der Finanzierung sitzen bleiben, wäre das für das Exhaus ein Desaster“, sagt Hoffmann ohne Umschweife. „Dann gehen hier die Lichter aus, und dem Exhaus droht möglicherweise sogar die Insolvenz.“

„Im Stich gelassen“ fühle er sich von der Politik. „Wir haben bei den zuständigen Behörden alle Anträge gestellt, aber bis heute nichts gehört“, sagt Hoffmann. „Von daher weiß ich nicht, wie es weitergeht.“ Bei der so genannten Drittel-Finanzierung des Projektes teilen sich die Stadt Trier, das Land Rheinland-Pfalz und der Deutsche Fußballbund (DFB) die Kosten von 90.000 Euro im Jahr. Der DFB überweist seine Zuschüsse allerdings nur dann, wenn auch die beiden anderen Kostenträger ihren Beitrag in vollem Umfang über 30.000 Euro geleistet haben. Das ist nicht geschehen: Das Land kürzte seinen Zuschuss um 2.000 Euro auf 28.000 Euro, die Stadt überwies bisher für 2011 ihren Anteil von 15.000 Euro.

Kompliziert wird es beim Verhältnis zwischen der Stadt Trier und dem Landkreis Trier-Saarburg. Der ehemalige Trierer Sozialdezernent Georg Bernarding wollte den Kreis als Kostenträger mit im Boot haben, weil viele der Fußballfans, die das Angebot des Fanprojektes nutzen, aus dem Umland kommen. Das funktionierte für die Jahre 2009 und 2010 auch reibungslos und unbürokratisch, weil die Sparkasse über die Einnahmen des PS-Sparens den Anteil des Kreises aufbrachte. 2011 zog sich die Bank jedoch zurück, der Kreis aber will aus seinen Haushaltsmitteln kein Geld für das Trierer Projekt zuschießen.

Eine schriftliche Vereinbarung zwischen Stadt und Kreis existiert nach Informationen von 16vor nicht. Allerdings soll es einen Schriftwechsel zwischen Triers Sozialdezernentin Angelika Birk (Grüne) und Landrat Günther Schartz (CDU) geben. Davon weiß auch Exhaus-Leiter Hoffmann. „Frau Birk hat sicher ein Problem“, sagt er, „weil sie auf die Beteiligung des Kreises wohl nicht pochen kann.“ Trotz zweimaliger Nachfrage unserer Redaktion waren weder Birk noch Schartz am Dienstag für eine Stellungnahme erreichbar.

Hoffmann und seinen Mitarbeitern aber läuft die Zeit davon, weil am Ende des Jahres auch der DFB und das Land einen Teil der Zuschüsse zurückfordern könnten, sollte das fehlende Geld aus kommunaler Hand bis dahin nicht eingegangen sein. Dabei stehen beim Fußballbund in Frankfurt rund eine Million Euro als Zuschuss für die deutschen Fanprojekte zur Verfügung. „Wir könnten vom DFB noch weit höhere Zuschüsse erhalten, wenn sich die beiden anderen Partner ebenfalls stärker beteiligen würden“, erklärt Hoffmann. Bis zu 60.000 Euro pro Jahr seien für Trier möglich. Nicht von ungefähr lobt Hoffmann den DFB auch ausdrücklich: „Er ist sicher der verlässlichste der drei Partner.“

„Wir sind bei unserer Arbeit ohnehin schon am Limit“, sagt Thomas Endres. Der Magister für Politik, Volkswirtschaftslehre und Soziologie leitet das Trierer Fanprojekt. Ihm zur Seite steht Markus Ankerstein als Diplompädagoge. Endres hat eine ganze, Ankerstein eine halbe Stelle. Sollte die Finanzierung nicht gesichert sein, müssten nicht nur die Räumlichkeiten in der Metternichstraße geschlossen werden, auch Endres und Ankerstein säßen zunächst einmal auf der Straße. Um sich selbst machen sie sich keine Gedanken, wohl aber um die vielen Jugendlichen, die dann unbetreut zurückblieben. „Wir leisten hier klassische Jugendsozialarbeit“, sagen beide unisono, „für die der Fußball der Aufhänger ist.“

Durch die Vertrauensbasis, die sich im Projekt zu den Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufbaue, sei eine Rundumbetreuung gewährleistet. Endres und Ankerstein besorgen Ausbildungsplätze, helfen bei der Jobsuche, bereiten Bewerbungsgespräche vor. „Wir haben aber auch Eltern hier sitzen, die mit ihren Problemen zu uns kommen, weil sie Rat suchen, wie sie mit ihrem Sohn oder ihrer Tochter am besten umgehen sollen“, erzählt Endres. Bei schweren häuslichen Konflikten, die nicht mehr gelöst werden können, kümmert sich das Fanprojekt ebenfalls um Alternativen – notfalls auch mit der Suche nach einer eigenen Wohnung.

Im zweiten Ansatz legen Endres und Ankerstein den Schwerpunkt auf die Bildungsarbeit. So wurde unter anderem eine Fahrt zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslager Struthof im Elsaß organisiert. Ständig im Programm sind so genannte U18-Fahrten zu Auswärtsspielen der Trierer Eintracht, auf denen Alkohol und Zigaretten tabu sind. „Wir sprechen mit den Jugendlichen aber auch über Thor-Steinar-Klamotten, die ja in der rechten Szene als Erkennungssymbol gelten“, berichtet Endres. Seitdem sei im Fanprojekt niemand mehr in solcher Kluft erschienen. Ankerstein ist sich ebenso wie Endres der Problematik bewusst, sagt aber zugleich: „Bei den Ultras beispielsweise gibt es sicher nicht mehr rechtes Gedankengut als prozentual im Rest der Gesellschaft.“ Grundsätzlich sei die hiesige Fanszene aber eher unpolitisch.

Immer wieder waren Fans des Regionalligisten Eintracht Trier, die hauptsächlich im Projekt betreut werden, in der Vergangenheit mit rassistischen Äußerungen oder Gewalt in die Schlagzeilen geraten. Endres kritisiert jedoch die pauschale Verurteilung der Fans. „Das sind sicher keine Chorknaben, aber sie werden auch allzu oft schlecht behandelt.“ Oft stünden sie zwischen allen Fronten – zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz. „Und wenn du dann als junger Mensch an einem Bahnhof ankommst und dir alle Rechte genommen werden, weil du erstmal nur Fußballfan bist, dann erzeugt das eben eine schlechte Stimmung.“

Endres macht das oft fehlende Fingerspitzengefühl der Polizei am Beispiel des Pokalspiels zwischen Mehring und der Eintracht fest. Auf dem Dorfplatz an der Mosel erwarteten mehrere Dutzend Polizisten in voller Kampfmontur die Fans des SVE. „Sogar von der Polizei haben wir die Rückmeldung erhalten, dass dies übertrieben war“, sagt Endres. „Die Jungs wurden nur als Sicherheitsrisiko behandelt, nicht als Gäste.“ Ankerstein fordert keineswegs weniger Polizeipräsenz bei problematischen Spielen, sondern eine andere Politik der Ordnungskräfte. „Die meisten Fans sind offen für Argumente, aber wenn sie von Polizei, Justiz und von Teilen der Presse immer nur die volle Breitseite bekommen, erzeugt dieser Druck auch Gegendruck.“

Endres hingegen fordert eine „Kennzeichnungspflicht auch für Polizisten“, etwa durch einen Namenszug an der Uniform. „Damit im Zweifelsfall auch geklärt werden, wer für was verantwortlich ist.“ Beim Thema „Pyrotechnik“ hingegen wünscht sich Ankerstein einen offenen Dialog zwischen den organisierten Fangruppen und dem DFB. „Der Ansatz der Gruppen ist es ja, die Pyrotechnik aus der Illegalität zu holen und das Problem selbst zu regulieren.“ Darüber aber werde nicht gesprochen, sondern schon der Ansatz von Funktionären „gnadenlos niedergemacht“. Das sei ein Widerspruch in sich, „weil wir auch hier nur durch den Dialog Fortschritte machen können“.

„Wir verstehen uns als kritische Lobbyisten der Fußballfans“, sagt Endres. Oft sei das Bild gerade der UItras in der Öffentlichkeit verzerrt. „Wir sehen die Jungs aus einem anderen Blickwinkel, weil wir sie kennen.“ Als vor einem Pokalspiel der Eintracht rechtsgerichtete Flugblätter über Nacht im Moselstadion ausgelegt wurden, machten sich Mitglieder der Trierer Ultras auf, diese zu entfernen. „Daran sieht man, dass die Dinge oftmals anders sind, als sie nach außen erscheinen.“

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