Auf bessere Nachbarschaft

Grenzenlos: Mit ihrem Fotoprojekt "Silent Neighbours" will Nica Junker 'schweigsame Nachbarn' aus aller Welt verbinden und sie über fünf grundlegende Fragen zum (Miteinander-)Reden bringen. Am Sonntag hat die Installation in Trier eröffnet. Foto: Gianna Niewel„Was haben Sie zum Frühstück gegessen?“ Die Frage scheint banal. Die Antworten sind umso interessanter: „Sardellenpizza“, „eier+brooot“, „Nutella pur“. Die Frage nach dem Frühstück ist eine von fünf, die die saarländische Künstlerin Nica Junker jahrelang selbst gestellt hat und gestellt bekam. Nun müssen die Besucher ihres Fotoprojekts „Silent Neighbours“ in der Tufa ebendiese Fragen beantworten, nachdem sie ein Foto von sich gemacht und dies bearbeitet haben. Die ausgedruckten Fotos mit den kleinen Geschichten lädt Junker dann auf ihre Homepage und vernetzt so Menschen aus aller Welt. Nach Saarbrücken, Luxemburg und Metz macht die Ausstellung seit Sonntag in Trier Halt, um die „schweigsamen Nachbarn“ der Großregion zumindest digital ein Stück näher zu bringen.

TRIER. Die vierte Frage kann unangenehm werden: „Wie haben Sie heute jemanden glücklich gemacht?“ Sie setzt voraus, dass man an diesem Tag schon einem anderen Menschen eine Freude gemacht hat. Grübeln. Die Hand verharrt auf der Computermaus, dann vorsichtiges Tippen auf der Tastatur. „Ich habe meiner Freundin Tee gemacht“, hat ein Asiat geantwortet, „Mit einem Lächeln“, hat ein blondes Mädchen geschrieben. Die Antworten werden mit einem Beamer an die Wand geworfen, für einige Sekunden sind sie zu sehen. „Kommt später“, hat ein junger Mann auf Englisch geschrieben. Das Bild wechselt. Eine Frau, die auf dem Foto Grimassen schneidet, hat nur mit drei Fragezeichen geantwortet.

„Silent Neighbours“ heißt die Installation der saarländischen Künstlerin Nica Junker, Bürgermeisterin Angelika Birk (B90/Grünen) hat das Kunstprojekt am Sonntag in der Tufa eröffnet. Die Besucher können kostenlos an einem Computer in einem Foto-Automaten ein Bild von sich machen und das anschließend bearbeiten und verfremden: Mit Schwarz-Weiß-Effekten, Spiegelungen oder mit verschiedenen Bilderrahmen. Mit Schnurrbärten, Hornbrillen oder Krähen. Es gibt rote Herzen und Rosen für Verliebte oder die, die es gerne wären. Und Regenwolken und Blitze für die, die genug haben von großen Gefühlen.

Ist das Bild fertig bearbeitet, müssen fünf Fragen beantwortet werden. Die erste lautet: „Woran hast du heute Morgen unter der Dusche gedacht?“ Die Antworten lassen meist darauf schließen, dass die Person zu spät dran ist, ein junger Mann hat schlicht „Brüste“ geschrieben. Die zweite Frage ist die nach dem Frühstück, es folgt „Wohin gehst du gerade?“ und die Frage, wie man an diesem Tag jemanden glücklich gemacht hat. Die letzte Frage lautet „Was sind deine Pläne für heute Abend?“ – „Schlafen“ oder „Ich entspanne“ sind die meistgenannten Antworten.

„Die Fragen scheinen zunächst banal, erst auf den zweiten Blick verraten sie etwas über den, der sie beantwortet“, erklärt Nica Junker, die an der Filmhochschule Babelsberg Filmregie studiert hat. Die zweite Frage nach dem Frühstück etwa sage etwas darüber aus, ob die Person gestresst sei: Menschen in Eile tränken nur Kaffee, sie antworteten mit wenigen Worten, sagt die 38-Jährige. Wer gut gelaunt sei, der schreibe ganze Sätze und gestalte das Foto bunter – besonders beliebt sind die Herzen, nicht nur bei Mädchen. Die Frage danach, wie man zur Zufriedenheit anderer beigetragen hat, soll die Menschen daran erinnern, weniger ichbezogen zu denken. Und vielleicht sogar ermuntern, den Rest des Tages dementsprechend zu nutzen.

Junker selbst hat sich die Fragen unzählige Male gestellt: 2001 hat die Künstlerin aus Neunkirchen einige Wochen in New York gearbeitet, mit ihrer dortigen Chefin verband sie rasch eine Freundschaft. Als die Zeit in den Staaten zu Ende war, haben die beiden sich Briefe und Postkarten geschrieben – aus langen Abhandlungen über die Erlebnisse der vergangenen Tage und Wochen wurde irgendwann eine Liste aus ebendiesen Fragen.

2008 hat Junker dann während ihres Fotografie-Studiums in London an einem Künstler-Wettbewerb der Deutschen Bank teilgenommen – und gewonnen. Ihre Idee: Mit den fünf Fragen und dem Foto-Automaten sammelt sie Alltagsgeschichten von Menschen aus verschiedenen Ländern. Am 14. Februar 2009 eröffnete sie „Silent Neighbours“ in Shanghai und Tokio, wo sie als Studentin längere Zeit gelebt hat: „Wer am Valentinstag allein war, hatte so etwas zu tun. Paare konnten den Tag auf einem Foto festhalten.“ Seit einem Jahr ist Junker nun mit ihrer Installation in der Großregion unterwegs, je drei Monate hat sie bereits in Saarbrücken, Luxemburg und Metz Halt gemacht, die letzte Station ist noch bis 14. Februar 2014 die Tufa.

„Gerade hier im Dreiländereck passt das Projekt hervorragend“, findet Junker. Sind die Fotos bearbeitet und die Fragen beantwortet, können die Karten ausgedruckt und verschickt werden. Junker lädt sie zudem auf der Homepage des Projekts hoch, etwa 2500 Menschen sind schon Teil ihrer Galerie. „Wenn eine Auswahl hiervon mit dem Beamer an die Wand geworfen wird, werden die ehemals ’schweigsamen Nachbarn‘ über die Grenzen der Länder hinaus vernetzt, sie sprechen quasi miteinander und können sich mithilfe der Antworten kennenlernen“, erklärt Junker. Chinesen und Japaner etwa hätten viele Vorbehalte gegenüber der jeweils anderen Kultur und seien erstaunt zu sehen, dass sie auf grundlegende Fragen doch ähnliche Antworten hätten. Dass nicht jeder die Fragen ernst nimmt, stört Junker nicht: „Es geht in erster Linie darum, dass die Besucher Spaß haben.“ Und Spaß, sagt sie, verbinde schließlich auch.

Das Projekt „Silent Neighbours“ in der Tufa hat geöffnet dienstags, mittwochs und freitags von 14 bis 17 Uhr, donnerstags von 17 bis 20 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Montags ist geschlossen. Weitere Informationen auf www.silentneighbours.com.

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