Wirbel um Ausschreibung der Trierer FH

Die Trierer Fachhochschule sorgt mit einer Ausschreibung für kontroverse Diskussionen: Für die externe Ideenfindung zur Neugestaltung der Internetpräsenz hat man sich ausgerechnet einer Plattform bedient, die als Inbegriff des Preisdumpings in der Kreativbranche gilt. Der in Hannover lebende Designer Achim Schaffrinna hat dieses Vorgehen in einem offenen Brief scharf kritisiert – und damit eine Welle der Empörung ausgelöst. An der FH gibt man sich gelassen: Der Sachverhalt werde in dem Schreiben falsch dargestellt, es handle sich nur um eine „erste Ideenfindung“. Derweil hat die Diskussion im Internet sich von dem ursprünglichen Sujet emanzipiert – und verhandelt Grundfragen der Arbeitsbedingungen für Kreative.

TRIER. Eigentlich wollte die Fachhochschule alles richtig machen: Um ihrer Seite einen neuen Anstrich zu verpassen, schrieb sie einen Aufruf zur Ideenfindung auf ihrer eigenen Website aus. Am vergangenen Montag war auf der Startseite eine Meldung mit dem Titel „Wettbewerb Redesign fh-trier.de“ zu lesen. Alle Studierenden, hieß es da, seien aufgerufen, Vorschläge für die visuelle Neugestaltung zu machen. Eine Jury werde die drei besten Vorschläge ermitteln, die mit 500, 300 und 100 Euro ausgezeichnet würden. „Wir haben brilliante Erfahrungen mit der Beteiligung von Studierenden gemacht, zuletzt bei dem Projekt ‚Studier in Trier‘. Deshalb haben wir zuerst einen internen Wettbewerb ausgeschrieben“, erklärt Professor Axel Kihm, Vizepräsident der FH, gegenüber 16vor. Anschließend wurde der Wettbewerb jedoch zusätzlich  extern ausgeschrieben – „auch, um Studierenden außerhalb unserer Hochschule die Möglichkeit zur Teilnahme zu geben“, betont Kihm. Das Honorar für den Designvorschlag: 600 Euro abzüglich Provision.

Dieses Vorgehen hat im Internet das ausgelöst, was gemeinhin „Shitstorm“ genannt wird: Bislang 100, meist wütend zustimmende Kommentare hat ein offener Brief erhalten, den der Designer Achim Schaffrinna an die Leitung der FH adressiert hat. Er spricht von einer „peinlichen Geringschätzung“ der eigenen Studierenden und Lehrkräfte: „Ist keiner dieser Studierenden in der Lage, das Design für den neuen Webauftritt zu erstellen? Gibt es im Fachbereich Gestaltung keine Professoren, denen man zugetraut hätte, das Redesign mit Studierenden als Projekt durchzuführen?“, fragt Schaffrinna in dem Schreiben, das er am vergangenen Freitag auf seinem Blog „Designtagebuch“ publik gemacht hat.

„Wie groß muss die finanzielle und personelle Not sein?“

Noch größer als über die externe Ausschreibung ist die Empörung jedoch über das Medium, das die FH gewählt hat. Ausgerechnet bei der Crowdsourcing-Plattform „12Designer“, die vielen professionellen Designern als Symbol für den Niedergang des gestaltenden Berufsstandes gilt, hat die Hochschule die Ausschreibung inseriert. Der sperrige Begriff Crowdsourcing ist eine Wortschöpfung aus den englischen Wörtern „Crowd“ (Menschenauflauf) und „Outsourcing“, dem Auslagern einer Aufgabe – zu meist billigeren Konditionen für den Auftraggeber. Dementsprechend behaftet ist auch das Phänomen des kommerziellen Crowdsourcings: Hier arbeiten nicht viele Menschen gemeinsam an einem Projekt, sondern jeder für sich reicht eine Idee ein – bezahlt wird aber meist nur der eine, der schließlich das Rennen macht. Für viele Designer, die versuchen, von ihrer Arbeit zu leben, ist der Begriff deshalb gleichbedeutend mit einer anderen Wortschöpfung: „Preisdumping“.

„Wie groß muss die finanzielle und personelle Not der FH Trier sein, um derlei Crowdsourcing-Plattformen, auf denen Designleistungen ausschließlich zu einem Bruchteil marktüblicher Preise abgerufen werden, zu konsultieren!“, klagt Schaffrinna an – und trifft damit offenbar den Nerv vieler Leser, die seinen Brief kommentiert haben: „Ich finde es ziemlich peinlich für eine Fachhochschule, die Studenten im Bereich Kommunikationsdesign ausbildet, sich Vorschläge für ein Design einholen zu müssen. Zusätzlich ist es ein Unding, auch noch solch eine Ausschreibung bei Dumping-Anbietern auszuschreiben“, kommentierte ein Leser. Auch der Trierer Designer Calin Kruse kritisiert das Vorgehen seiner ehemaligen Ausbildungsstätte: „Es ist schon absurd, dass die Institution, die Designer ausbildet und ‚auf den Markt wirft‘, deren Markt gleichzeitig kaputt macht.“

In der Hochschulleitung der FH sieht man den Sachverhalt durch Schaffrinnas Schreiben falsch dargestellt. „Die Reaktionen wäre angemessen, wenn es keine hausinterne Ausschreibung gegeben hätte“, kontert Vizepräsident Kihm, räumt aber ein: „Uns war nicht bewusst, dass die Crowdsourcing-Plattform in einem so schlechten Ruf steht“. Verantwortlich für diese Idee sei ein „Mitarbeiter aus dem Bereich Gestaltung“ gewesen, „der sich öfters mit solchen Dingen beschäftigt“, so Kihm. Man habe zusätzlich auf eine Crowdsourcing-Plattform gesetzt, weil die Beteiligung der Studierenden nicht einschätzbar sei: „Wer gerade für Klausuren lernt oder eine Abgabe vorbereitet, kann verständlicherweise keine Kreativpause für dieses Projekt einlegen. Wenn wir in vier Wochen ohne Entwurf dastehen, hätten wir allerdings ein Problem. Deshalb sind wir mit der doppelten Ausschreibung auf Nummer sicher gegangen“, erklärt der Vizepräsident.

Damit entkräftet er zwar den Vorwurf, die FH traue ihren eigenen Leuten das Projekt nicht zu; den schwerwiegenderen Brand vermag diese Erklärung jedoch nicht zu löschen. Das Honorar von 600 Euro, so Kihm, sei für die geforderte Leistung branchenüblich und angemessen. „Es geht wirklich nur um das Design und die Kreatividee – wir verlangen nicht, dass uns jemand für das Honorar eine komplette Seite einrichtet“, erklärt Kihm. Die Ideenfindung sei nur eine „erste Phase“, deren Ergebnisse in einer zweiten Phase von Profis umgesetzt würden. Die Formulierung „nur eine Idee“, die bereits medial verbreitet wurde, sollte beschwichtigen, goss aber stattdessen neues Öl ins Feuer. „Was für eine Unverschämtheit und Ignoranz gegenüber der Leistung! Als wenn das Hin- und Herbewegen der Maus über eine Programmmaske der eigentliche Kern der Arbeit wäre“, kommentiert ein Leser den O-Ton des Vizepräsidenten.

Hochschule wehrt sich gegen Kritik

Auch Sascha Timplan, Kommunikationsdesign-Student an der FH, schüttelt den Kopf über das Vorgehen: „Design bedeutet nicht nur, eine schicke Verpackung zu schaffen“, sagt er. „Es gehört mehr dazu: Zu einem guten Design gehört auch, sich vorher Gedanken über die Strukturen zu machen – eine Ausschreibung wie diese ist nicht mal eben nebenbei zu realisieren, wenn etwas Vernünftiges dabei herauskommen soll.“ Vor allem aber ist er verärgert über das Signal, das seine Fachhochschule an ihre Studierenden sendet: „Aufgabe einer Ausbildung ist es auch, ein realistisches Bild vom eigenen Marktwert zu vermitteln – Ausschreibungen wie diese tragen nicht dazu bei“. Bei Gestaltern im Bekanntenkreis erlebe er regelmäßig, wie schwierig es vor allem für Berufsanfänger sei, angemessene Preise für ihre Arbeit zu verlangen. Ein angemessener Stundenlohn liegt für ihn bei 60 bis 70 Euro für einen ausgebildeten Designer, der freischaffend arbeitet.“Auf den ersten Blick mag sich das nach viel anhören, wenn Steuern, Versicherungen und Miete gezahlt sind, bleibt wenig davon übrig.“

Ihm geht es um die grundsätzliche Frage nach Wert und Wertschätzung von Design. Auch in Schaffrinnas bundesweit gelesenem Blog hat sich die Diskussion zwischenzeitlich ausgeweitet und verhandelt nun auch die ganz elementare Frage nach dem Wert der Arbeit, die sich für die Gruppe der kreativ Tätigen mitunter dringlicher stellt als für sogenannte „handfeste“ Berufe: Wie bemisst man den wirtschaftlichen Wert einer kreativen Idee? Welchen Weg legt ein Gestalter zurück, bevor ein erster Entwurf für ein Logo vorliegt? Welche Arbeits- und Lebensbedingungen finden ausgebildete Designer in einer Branche vor, in der ein günstiger Preis mehr zählt als gestalterische Qualität?

Der Stein des Anstoßes ist dabei schon seit Tagen von der Bildfläche verschwunden. Ursprünglich mit einer Laufzeit bis 11. Juni versehen, wurde die Ausschreibung bei „12Designer“ von den Seitenbetreibern „vorübergehend deaktiviert“, erklärt Kihm. Mit einem Rückzieher der Hochschule habe das allerdings nichts zu tun, der Grund seien „Rückfragen technischer Art“ von Seiten der Betreiber. „Wir scheuen die Auseinandersetzung nicht. Aber für eine Beteiligung der FH-Leitung muss die Diskussion sich in konventionelle Kommunikationswege begeben“, verlangt er. Man werde mit einer Stellungnahme reagieren, sobald Schaffrinnas Brief in schriftlicher Form eingegangen sei. Der Brief, den der Designer nach eigenem Bekunden am Freitag abgeschickt hat, scheint Trier noch nicht erreicht zu haben – bis Mittwochabend ließ die Fachhochschule keine öffentliche Mitteilung verbreiten. Ob eine Antwort mit der gleichen Verve im Netz rezipiert werden wird wie Schaffrinnas Schreiben, ist fraglich.Der Imageschaden für die Trierer FH, die ihr überregionales Renommee vor allem dem Fachbereich Gestaltung verdankt, scheint dagegen sicher.

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