Widerstand entlang der Westtrasse

folie 63 KopieSeit zwei Jahrzehnten wird sie diskutiert, nun scheint eine Reaktivierung der Trierer Westtrasse in Reichweite gerückt. Ab Dezember 2018 sollen Personenzüge links der Mosel verkehren und im Halbstundentakt den Westen der Stadt mit Luxemburg und Wittlich, aber auch Konz und Saarburg verbinden. Bis zum Start müssen fünf neue Haltepunkte realisiert sein. Den Bau der Stationen finanziert das Land, der SPNV Nord will noch in diesem Jahr die Ausschreibungen auf den Weg bringen, damit die richtigen Fahrzeuge pünktlich zur Verfügung stehen. Doch im März muss zunächst der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss fassen. Bei einer Veranstaltung in der Europäischen Kunstakademie wurde deutlich, dass es bei einigen Anwohnern und auch Stadträten Bedenken gegen die Reaktivierung gibt. Vor allem in Euren fürchtet man sich vor zusätzlichem Lärm und mutmaßt, dass bald auch mehr Güterzüge auf der Strecke fahren könnten.

TRIER. Im Juni weilte der Mainzer Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) in Trier, gemeinsam mit dem Chef des Koblenzer Zweckverband Schienenpersonennahverkehr (SPNV) Nord, Dr. Thomas Geyer, hatte der Sozialdemokrat gute Nachrichten mitgebracht: Das Land stellt für den Bau von fünf Haltepunkten entlang der Westtrasse 21 Millionen Euro bereit und übernimmt damit die kompletten Kosten für die Realisierung der Stationen. OB Klaus Jensen (SPD) und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) sprachen von einer „großen Chance“, denn eigentlich fällt die Finanzierung von Haltepunkten in die Zuständigkeit der Kommunen, was auch einer der Gründe dafür ist, dass es in Sachen Regionalbahn seit mehr als einem Jahrzehnt nicht vorangeht. Im Dezember 2017 sollten alle fünf Haltepunkte – von Ehrang-Hafenstraße über Pallien (Kaiser-Wilhelm-Brücke), Trier-West (Römerbrücke), Euren (Eisenbahnstraße) bis Zewen (Kantstraße) – verwirklicht sein, hieß es vor sieben Monaten. Ein ambitionierter Fahrplan, doch betonten die Verantwortlichen seinerzeit allesamt auf Nachfrage, dass dieser einzuhalten sei (wir berichteten).

Vergangenen Donnerstag nun präsentierte der städtische Verkehrsplaner Wilko Kannenberg in der Europäischen Kunstakademie eine Folie, aus der hervorgeht, dass der ursprüngliche Zeitplan schon jetzt nicht mehr zu halten ist. Aktuell rechnen Stadt und SPNV Nord nun damit, dass  ab Dezember 2018 Personenzüge auf der Trasse verkehren werden. Selbst das wäre rekordverdächtig, denn bislang gibt es zwar erste Kostenschätzungen und auch ungefähre Vorstellungen davon, wie die Stationen und deren Umfeld gestaltet werden könnten, doch bevor es an die detaillierte Planung geht, muss zunächst der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss fassen. Am 18. Februar sollen die Ratsmitglieder darüber entscheiden, ob die Umsetzung des Regionalbahnkonzeptes Trier „mit hoher Priorität entsprechend der Aussagen dieser Vorlage weiter verfolgt“ wird. Zu den Aussagen dieser Vorlage zählt die Festlegung auf die besagten fünf Haltepunkte, die in einem ersten Schritt gebaut werden sollen; wobei Ehrang-Hafenstraße bereits beschlossene Sache ist, wie Kannenberg deutlich machte. So habe die Bahn AG ursprünglich für die Sanierung des bestehenden Bahnhofs in Ehrang eingeplante Mittel bereits für den neuen Haltepunkt vorgesehen. Der alte Ehranger Bahnhof soll aufgegeben werden.

Skeptiker warnen vor zusätzlichem Güterverkehr

Nach den Gutachten eines Planungsbüros ist in der Hafenstraße mit bis zu 1.700 ein- und aussteigenden Fahrgästen täglich zu rechnen. Ein vergleichbar hohes Fahrgastpotenzial könne noch die geplante Station an der Kaiser-Wilhelm-Brücke vorweisen, so Kannenberg. Am alten Trier-Wester Bahnhof, der ebenfalls zu neuem Leben erweckt werden soll, sei mit mehr als 1.000 Reisenden zu rechnen, in Zewen mit rund 600. In Euren kalkulieren die Planer indes mit nur knapp 300 Nutzern am Tag. Doch gerade hier scheint der Widerstand gegen eine Reaktivierung der Trasse nicht unerheblich, vor allem Hausbesitzer aus dem noch relativ jungen Wohngebiet „In den Särken“ melden massive Bedenken an. Man fürchte zusätzlichen Lärm und einen Wertverfall der eigenen Immobilie, erklärte eine Eigentümerin. Das Eurener Ortsbeiratsmitglied Richard Ernser (FWG) warnte vor der Möglichkeit, schon bald könnten „bis zu 70 Güterzüge“ täglich und auch während der Nachtstunden über die Trasse rollen. Ernser verwies auf Überlegungen, wie die völlig überlastete Rhein-Schiene entlastet werden könnte. In diesem Zusammenhang war in Mainz auch die Option ins Spiel gebracht worden, einen Teil der Züge aus dem Kölner Raum künftig durch die Eifel zu schicken.

Das sei aber völlig unwirtschaftlich, warf Jürgen Berg ein. Der Bahnexperte gab zu bedenken, dass eine Umleitung über die Eifel und entlang der Saar wesentlich länger dauere und damit für die Auftraggeber auch teurer werde, als die Züge weiter über die Rhein-Schiene fahren zu lassen. Zudem sei die Eifel-Strecke bekanntlich nicht elektrifiziert, weshalb es gleich noch einmal teurer werde. Und eines kommt noch hinzu: Es scheint kaum vorstellbar, dass über die marode Konzer Eisenbahnbrücke künftig Dutzende schwere Güterzüge rollen könnten. Das müssten sie bei einer solchen Umleitung aber, denn in Konz ist bekanntlich die letzte Möglichkeit, von der linken Moselseite auf die Saarstrecke zu wechseln. Auch das macht ein groß angelegtes Umleitungsmanöver für den Güterverkehr zu einem eher unwahrscheinlichen Szenario. Die anwesenden Anwohner lehnen allerdings auch die Personenzüge ab, denn mit denen sei auch nicht zu rechnen gewesen.

Falsch, entgegnete ein ehemaliger Eisenbahner aus dem Publikum, der seinen Beitrag ausdrücklich als Privatmeinung verstanden wissen wollte. Wer sich dazu entschließe, an einer voll funktionstüchtigen Bahnstrecke zu bauen, müsse auch damit rechnen, dass dort Züge fahren, gab er zu bedenken. Auch Wilko Kannenberg machte deutlich, dass es sich im Fall der Westtrasse völlig anders verhalte als etwa beim Neubau einer Bundesstraße. Auch ohne langwierige Genehmigungsverfahren sei es der Bahn und selbst anderen europäischen Verkehrsunternehmen grundsätzlich schon jetzt möglich, die Strecke zu befahren. Die Stadt hätte hierauf keinen Einfluss, so Kannenberg, allenfalls über politische Kanäle oder Petitionen könnten dann solche Pläne, wenn es sie denn gäbe, noch vereitelt werden.

Man müsse das Projekt Westtrasse als einen wichtigen Baustein des Mobilitätskonzepts sehen, erklärte derweil Iris Wiemann-Enkler, die Chefin des Stadtplanungsamtes. In einem leidenschaftlichen Plädoyer warb sie dafür, die Chancen des Vorhabens zu sehen. Erstmals seit vielen Jahren habe Trier die begründete Aussicht darauf, im regionalen Schienenverkehr einen großen Schritt voranzukommen und damit auch einen Beitrag dazu zu leisten, dass zumindest ein Teil des Autoverkehrs vermieden werden könne. „Wir sind doch alle Teil des Systems“, erinnerte sie die Zuhörer daran, dass jeder im Saal Verkehrsteilnehmer sei und – je nach Art seiner Fortbewegung – mehr oder weniger auch eine Belastung für andere. Für ihren Appell erhielt Wiemann-Enkler reichlich Applaus. Überhaupt schienen sich die Lager der Befürworter auf der einen sowie der Gegner und Skeptiker auf der anderen Seite an diesem Abend die Waage zu halten. Auch in der CDU, wo die Ortsvorsteher-Kandidaten aus Trier-West/Pallien und Heiligkreuz unterschiedliche Positionen bezogen: Während der Trier-Wester Horst Erasmy prophezeite, die Reaktivierung der Westtrasse werde zu stärkeren Staus in der Bonner- und Aachener Straße führen, weil die örtliche Bahnschranke häufiger zum Einsatz komme, erinnerte Theodor Wolber daran, dass man Menschen nur dann zum Umstieg auf den Nahverkehr bewege, wenn das Angebot attraktiv sei. Er jedenfalls begrüße die geplante Reaktivierung der Trasse, so Wolber.

Zweifel am Haltepunkt Eisenbahnstraße

Ob der Haltepunkt Eisenbahnstraße in Euren tatsächlich der beste Standort ist, darüber gehen die Meinungen selbst unter Befürwortern des Projekts auseinander. Nicht wenige sähen am Messepark mehr Potenzial, nicht zuletzt wegen der neuen Baugebiete dort und der Möglichkeit, den Messepark für Park & Ride zu nutzen. In den aktuellen Planungen rangiert ein solcher Haltepunkt allerdings nur unter „Priorität 3“ und damit noch hinter den Osttrassen-Stationen Kaiserthermen und Trier-Nord, aber vor St. Medard. Für letzteres gibt es absehbar kaum Aussichten auf Realisierung, wohl auch, weil die für diese Station prognostizierten Zahlen aus dem Jahr 2005 stammen, als kaum jemand damit rechnete, dass schon zehn Jahre später im nahe gelegenen Castelnau ein völlig neues Stadtquartier entstehen würde. Der Feyener Ortsvorsteher Rainer Lehnart (SPD) hofft nun, dass die Prognose für den Haltepunkt St. Medard alsbald aktualisiert wird.

Apropos Zahlen: An den Prognosen hegen Kritiker Zweifel. Kannenberg erklärte, in die Schätzungen seien die Ergebnisse von Haushaltsbefragungen ebenso mit eingeflossen wie die Bevölkerungszahlen im jeweiligen Radius von einem Kilometer und auch geplante neue Quartiere; auch habe das beauftragte Büro berücksichtigt, ob sich in diesem Umkreis größere Einrichtungen wie etwa das Schulzentrum Mäusheckerweg oder die Hochschule Trier befinden. Natürlich bleibe bei jeder Prognose ein Rest an Unsicherheit, doch dass es ein großes Potenzial an Fahrgästen gebe, daran zweifelt keiner der Beteiligten.

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