Damit sie wissen, was sie tun
Vergangene Woche kündigte Facebook an, WhatsApp zu übernehmen – für 19 Milliarden US-Dollar oder umgerechnet 13,843 Milliarden Euro. Ein Kaufpreis, der ziemlich genau dem entspricht, was das Land Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr eingenommen hat. 13,818 Milliarden verzeichnete der Mainzer Finanzminister 2013 an „bereinigten Gesamteinnahmen“. Die Teilnehmer eines Workshops an der Kurfürst-Balduin-Realschule plus dürften solche Zahlen herzlich wenig interessieren, sie ließen sich am Montag vielmehr darüber informieren, wie es Facebook und Co. mit dem Datenschutz halten – oder auch nicht; und worauf junge und auch ältere Menschen achten sollten, wenn sie sich zu den Nutzern sozialer Netzwerke gesellen und manches allzu bereitwillig von sich preisgeben. Man wolle das Bewusstsein schärfen, nannte der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Edgar Wagner, das Ziel der Workshops. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) betonte, es gehe letztlich um die Frage: „Weiß man, was man tut?“
TRIER-WEST/PALLIEN. Es geht nun um Personen mit einem gewissen Bekanntheitsgrad. Um Promis, oder besser: Es geht um Fotos, die von Prominenten gemacht werden. Julia Szwerinski nennt beispielhaft Olli Kahn. Der hat seine sportliche Karriere zwar schon einige Jahre hinter sich, doch im Computer-Raum der Kurfürst-Balduin-Realschule plus scheinen den einstigen Bayern- und Nationaltorwart alle zu kennen. In den eigenen vier Wänden genieße auch ein Olli Kahn Privatsphäre, erklärt die Referentin, ihn durch die Fensterscheibe beim Kochen zu fotografieren, sei nicht erlaubt, sagt Szwerinski. „Und wenn er den Müll runterbringt?“, will Elias Richter wissen. Gute Frage!
Elias ist Schüler der Klasse 8b und damit an diesem Morgen einer der Teilnehmer des Schülerworkshops „Datenverantwortung und Datenschutz“. Seit drei Jahren wird diese Veranstaltung vom Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) angeboten – als Teil des Regierungsprogramms „Medienkompetenz macht Schule“. Etwas Vergleichbares gebe es in keinem zweiten Bundesland,sagt LfDI-Chef Edgar Wagner im anschließenden Pressegespräch, womit er ein wenig sich selbst und die Mitarbeiter seiner Behörde lobt. Ziel des Angebots sei es, junge Onliner möglichst frühzeitig über Risiken und Gefahren bei der Internetnutzung zu informieren. Dabei wird den Schülern unter anderem vermittelt, was sie bei der Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook beachten und wie sie mit persönlichen Daten umgehen sollten.
„Jeder hat ein Recht am eigenen Bild“, erklärt Julia Szwerinski und wird konkret: „Wenn ich sage: Die in der 8b, die sehen doch alle super aus, da mache ich jetzt ein Foto und stelle das ins Netz! Wäre das okay?“ Natürlich nicht. Man müsse zunächst das Einverständnis desjenigen einholen, der fotografiert werde, gibt Pedro Torres zu bedenken; auf Nachfrage ergänzt er, dass im Falle von Minderjährigen auch die Eltern nach ihrem OK gefragt werden sollten. Soweit die Theorie, die Praxis sieht bekanntlich oft anders aus. Und in Sachen praktische Erfahrungen hinken die Erwachsenen oft hinter her. „Die junge Generation lebt im Internet, meine Generation lebt mit dem Internet“, erklärt die Ministerpräsidentin die Ausgangslage. Malu Dreyer informiert sich an diesem Montag über den Workshop, zwei Unterrichtsstunden hat sie sich Zeit genommen um zu sehen, wie die Jugendlichen das Angebot annehmen. Die Fragen seien zum Teil „extrem anspruchsvoll“, findet die Regierungschefin.
Man kann nicht sagen, dass alle Schüler hellauf begeistert bei der Sache wären, doch einige der Jungen und Mädchen beteiligen sich rege und lassen erkennen, dass sie mit Facebook und vielem anderem längst firm sind. Wie man beispielsweise eine App runterlädt, muss man Pedro und Elias oder Svenja nicht mehr erklären. Für sie ist das Smartphone ein ständiger Begleiter. Kaum setzt die Ministerpräsidentin zur Verabschiedung an, wollen sie allesamt noch ein Foto schießen. Malu Dreyer macht bereitwillig mit, „ich bin ja auch so ein Promi“, scherzt sie. Gut möglich, dass sich ihr Foto schon auf dem ein oder anderen Facebook-Profil findet.
Die kostenlosen Schülerworkshops „Datenschutz und Datenverantwortung“ werden seit Herbst 2010 vom LfDI an weiterführenden Schulen und seit 2012 auch an Grundschulen angeboten. „Wir wollen den Schülern nicht einreden, dass sie sich von Facebook verabschieden sollen. Das wäre ja auch lebensfremd“, sagt Wagner. „Aber wir wollen, dass die Schüler darüber nachdenken. Entscheiden müssen sie dann selbst“. Malu Dreyer drückt es ähnlich aus: „Es geht um die Frage: ‚Weiß man, was man tut? Und welche Konsequenz zieht man dann daraus?“ Soll heißen: Nach der Veranstaltung sollen die Kinder und Jugendlichen wissen, was sie tun; und vielleicht werden sie manches dann auch bewusst lassen und beispielsweise einmal weniger „Datenfreigabe akzeptieren“ klicken, wenn der Anbieter darum bittet. Vier Stunden dauern die Workshops, das reiche, um das „Verständnis digitaler Grundprinzipien“ zu vermitteln, so Dreyer. Bislang wurden rund 1.300 Workshops durchgeführt, knapp 40.000 Schülerinnen und Schülern im Land nahmen das Angebot schon wahr. „Es ist wichtig, dass die „Digital Natives“ weiterhin über die Bedeutung ihrer Nutzerdaten aufgeklärt werden“, ist Wagner überzeugt. Der Landesbeauftragte spricht von der „digitalen Kompetenz“ als einer „Schlüsselkompetenz“, nach Lesen, Schreiben und Rechnen entwickle diese sich zu einer „vierten Kulturtechnik“.
„Wir sind mitten auf dem Weg“, sagt Wagner und weist auch auf die besonderen Schwierigkeiten bei der Vermittlung des Themas hin. „Man muss immer auf dem Laufenden sein, um von den Schülern akzeptiert zu werden“. Hinzu komme: Anders als bei der Verkehrserziehung fielen die Eltern als Vorbilder meist aus, zudem gebe es keine über die Jahrzehnte gewachsenen festen Regeln. „Auf der Datenautobahn sieht es einfach noch anders aus“, insbesondere was die Verkehrsregeln anbelangt. Geht es nach Malu Dreyer, dann einigen sich die Verantwortlichen auf europäischer Ebene alsbald auf einen einheitlichen Rechtsrahmen. „Eigentlich bräuchten wir globale Regelungen“, so Dreyer.
Doch weil diese über kurz oder lang nicht kommen dürften, wollen der Landesbeauftragte und seine freien Mitarbeiter weiter das Bewusstsein schärfen. „Das scheint uns der sinnvollste Weg.“ Schulleiter Eugen Lang macht auf eine weitere Schattenseite aufmerksam: „Wir haben einen sehr großen Handlungsbedarf beim Thema Cyber-Mobbing“. Dieses Phänomen nehme zu und beschäftige immer häufiger Lehrer und Eltern, und bisweilen werde die Polizei hinzugezogen um den Schülern deutlich zu machen, dass ihr Verhalten nicht selten auch eine Straftat darstelle, so Lang.
Umfassende Informationen zum Thema finden Sie auch auf folgender Homepage.
Einen Beitrag über Cyber-Mobbing lesen Sie hier: „Nie zurückmobben!“
von Marcus Stölb