Vier dicke Pfunde in Essen

Müde Knochen, steife Muskeln, aber ein bärenstarker Auftritt: Eintracht Trier hat am Mittwochabend Rot-Weiss Essen vor 5812 Zuschauern im Georg-Melches-Stadion klar mit 4:0 (2:0) Toren bezwungen. Damit holte der SVE erstmals in der laufenden Saison drei Siege in Serie. Weil der Reisebus schon kurz hinter Bitburg defekt war und zudem Stau auf den Autobahnen in Richtung Ruhrgebiet vorherrschte, kam der Trierer Tross erst kurz vor der geplanten Anstoßzeit (19.30 Uhr) an der Hafenstraße an. Raus aus dem Bus, hinein ins Getümmel: Die Elf von Roland Seitz knüpfte nahtlos dort an, wo sie gegen Borussia Mönchengladbach aufgehört hatte. Entsprechend zufrieden war Triers Trainer. „Das war heute eine hervorragende Gesamtleistung von uns. Die Jungs haben einfach Spaß gehabt, und das hat man gesehen“, sagte Seitz.

ESSEN/TRIER. Professionalität vor einem Auswärtsspiel sieht gewöhnlich anders aus – selbst dann, wenn nur noch um die berühmte goldene Ananas gespielt wird. Gegen 14 Uhr war der Trierer Tross in Richtung Ruhr-Metropole aufgebrochen. Erst wenige Minuten vor dem festgesetzten Anstoß (19.30 Uhr) erreichten Spieler, Trainer und Betreuer das Georg-Melches-Stadion an der Hafenstraße. Eine Buspanne hinter Bitburg und Staus im Ruhrgebiet hatten sie aufgehalten. Zeit zum Akklimatisieren blieb nicht mehr. Schiedsrichter Lasse Koslowski verschob seinen Anpfiff zwar um 15 Minuten, doch das reichte den Trierern gerade einmal, um Schuhe, Stutzen und Schienbeinschoner anzuziehen. Anscheinend sind Seitz‘ Männer dann jedoch am stärksten, wenn kaum Zeit zum Nachdenken bleibt. Denn wie hatte Seitz am Dienstag gesagt. „Mir ist es lieber, wir kommen kurz vor knapp, als dass wir viel zu früh da sind und sich Langeweile breit macht.“

Heuer war es aber auch dem Trierer Trainer deutlich zu knapp: Schließlich bereitet sich eine Profimannschaft unter normalen Umständen knapp eine Stunde auf eine Begegnung vor. Im Spiel Fünf-gegen-Zwei, mit kurzen Sprints, bis der Schweiß kommt. Die Muskeln müssen warm, der Kopf frei werden. Letzte taktische Anweisungen runden das Programm ab. Seitz hingegen musste seine Männer ins kalte Wasser werfen. Zudem hatte Triers Trainer einen seiner wichtigsten Spieler zu ersetzen. Jeremy Karikari fehlte an der Hafenstraße. Der gebürtige Hamburger, der sonst immer den Deckungsverbund vor der Viererkette zusammenhält, musste wegen seiner Leistenprobleme und eines grippalen Infektes passen. Für ihn rückte Thomas Kraus zurück in die Startelf. Der Franke kam auf der für ihn ungewohnten linken Mittelfeldseite zum Einsatz, weil Benjamin Pintol rechts spielte. Fahrudin Kuduzovic teilte sich mit Daniel Bauer, der Karikari ersetzte, die Aufgaben im zentralen Mittelfeld.

Angesichts der bescheidenen Voraussetzungen staunten die Zuschauer beider Lager an der Hafenstraße nicht schlecht, dass die Eintracht nicht nur der ersten Sturm-und-Drang-Phase des Aufsteigers widerstand, sondern sich mit zunehmender Spieldauer sogar vom Essener Druck befreien konnte. RWE wollte die Verunsicherung der Gäste von Beginn an ausnutzen. Holger Lemke, der in Hermeskeil geboren und fußballtechnisch in der Eintracht-Jugend groß wurde, bevor er nach dem Abstieg des SVE in die Oberliga 2006 zur SV Elversberg wechselte, hatte die erste Möglichkeit des Spiels (14.). Torhüter Dennis Lamczyk schickte den Kollegen mit einem weiten Abschlag auf die Reise. Doch Lemke war im Abschluss zu überhastet.

Trier kontert eiskalt

Zehn Minuten später hatte erneut Lemke die Essener Führung auf dem Kopf. Nach präziser Flanke von Roberto Guirino wuchtete Lemke das Spielgerät gegen die Laufrichtung von André Poggenborg. Triers Schlussmann aber war auf dem Posten und wehrte den Ball nicht nur beim Kopfstoß des Esseners, sondern auch beim zweiten Versuch der Gastgeber ab. Wie Effektivität geht, bewies die Eintracht dem Aufsteiger auf der Gegenseite. Pintol besorgte beim ersten wirklich gefährlichen Angriff gleich das 0:1 (35.). Die Elf, die hier im Kaltstart von Null auf 100 musste, legte wie eine Spitzenmannschaft nach. Ahmet Kulabas luchste Karim Avci den Ball ab – freie Bahn für den Trierer Stürmer, der zum 0:2 vollstreckte.

Für Seitz war auch der Unterschied in den Kraftreserven ausschlaggebend für den letztlich klaren Erfolg. „Man hat schon gemerkt, dass Essen nach den vielen englischen Wochen müde war“, analysierte der Trierer Trainer. „Aber wir haben das auch sehr geschickt und kaltschnäuzig ausgenutzt.“ Mit hängenden Köpfen schlichen die Essener demnach in die Kabine. Sie hatten den Takt bestimmt, die Tore aber hatten clevere und ausgebuffte Trierer gemacht. So hatte sich Waldemar Wrobel das letzte Flutlichtspiel im altehrwürdigen Georg-Melches-Stadion, wo schon Fußball-Legenden wie Helmut „Boss“ Rahn und Willi „Ente“ Lippens kickten, nicht vorgestellt. In der kommenden Saison zieht RWE in die neue Arena in unmittelbarer Nachbarschaft um. Essens Trainer war ebenso bedient, wie die große Mehrheit der Zuschauer.

Doch es kam noch schlimmer für den Aufsteiger. Unmittelbar nach dem Seitenwechsel erhöhte Kraus nach Vorarbeit von Kulabas auf 0:3 (47.). Dann trug sich auch noch Chhunly Pagenburg in die Torschützenliste ein. Triers Stürmer staubte in der 69. Minute zum 0:4 ab, weil der eingewechselte Kevin Lehmann nicht klären konnte. Pagenburg durfte vier Minuten später gehen. Für ihn kam Alon Abelski. Seitz gönnte seinem etatmäßigen Spielmacher nach dessen langer Verletzungszeit angesichts des klaren Ergebnisses Spielpraxis. Christoph Anton kam später noch Kuduzovic (78.). Zuvor hatte bereits Denny Herzig den leicht angeschlagenen Bauer ersetzt (68.).

Weil die Messe spätestens mit dem dritten Treffer durch Kraus gelesen war, tat sich kaum noch etwas an der Hafenstraße. RWE war bemüht, den Schaden in Grenzen zu halten. Die Eintracht aber brachte den Vorsprung souverän über die Zeit. Thomas Drescher hatte sogar noch das 0:5 auf dem Fuß. Doch der Ball sprang nach seinem Freistoß vom Aluminium zurück ins Spiel (81.). Die knapp 100 Trierer Anhänger feierten ihre Mannschaft; die Essener hingegen den Abschied vom Georg-Melches-Stadion. Und das sogar trotz der Niederlage mit einem Feuerwerk. So hatten alle ihre Freude – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. „Klar hätten wir hier noch das eine oder andere Tor nachlegen können“, sagte Seitz. „Aber ich bin auch so zufrieden – hochzufrieden sogar.“

Rot-Weiss Essen: Lamczyk – Brauer, Jasmund, Wagner, Guirino – Grummel – Lemke (ab 61. Kuta), Koep, Avci (ab 52. Lehmann), Grund – Kaya (ab 65. Lenz).

Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Zittlau, Hollmann, Drescher – Bauer (ab 68. Herzig) – Pintol, Kuduzovic (ab 78. Anton), Kraus – Kulabas, Pagenburg (ab 73. Abelski).

Tore: 0:1 Pintol (35.), 0:2 Kulabas (37.), 0:3 Kraus (47.), 0:4 Pagenburg (69.)

Schiedsrichter: Lasse Koslowski (Berlin)

Zuschauer: 5812

Steven Lewerenz soll kommen

Noch ist der Vertrag zwar nicht unterschrieben. Geht es nach Roland Seitz, soll das aber in den nächsten Tagen geschehen. Eintracht Trier scheint sich mit Steven Lewerenz von RB Leipzig einig zu sein. Der 20-jährige Offensivspieler soll den Kader des SVE für die neue Saison verstärken. „Ja, ich gehe davon aus, dass wir uns einig sind“, sagte Seitz am Mittwochabend gegenüber 16vor. „Natürlich kann immer noch etwas passieren bei Vertragssachen, aber ich hoffe, dass wir die Verpflichtung in den nächsten Tagen auch offiziell bekannt geben können.“ Bereits in der Winterpause war Seitz mit Lewerenz, der mit seiner Reservistenrolle in Leipzig unzufrieden ist, in Kontakt getreten. Jetzt wurden die Verhandlungen im Hinblick auf die kommenden Spielzeit intensiviert.

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