„Und ewig grüßt das Murmeltier“

Es soll einfach nicht sein: Wie schon gegen Berlin, wie schon in München, lieferte die TBB Trier auch am Dienstagabend gegen den Deutschen Meister Brose Baskets Bamberg einen großen Kampf ab – und stand am Ende des dramatischen Spiels nach Verlängerung doch ohne Punkte da. Die Oberfranken setzten sich mit 75:70 (31:32; 63:63) letztlich glücklich durch. 5446 Zuschauer in der Arena waren restlos begeistert, was Henrik Rödl zumindest den Ansatz eines Lächelns ins Gesicht zauberte. „Es war wieder ein Riesenevent mit dieser phantastischen Kulisse“, sagte Triers Trainer. An seiner Enttäuschung über die Niederlage aber änderte das nichts. „Aber ich bin davon überzeugt, dass der Knoten platzen wird“, betonte der Offenbacher. „Ich bin aber auch gespannt, wann das sein wird.“

TRIER. Was sollte er auch sagen? Dass er stolz auf diese Mannschaft ist. Ja. Dass er seinen Männern ein großes Lob zollt. Auch das. Der Kämpfer Rödl aber war schon wenige Minuten nach der Schlusssirene einen ganzen Schritt weiter. „Wir müssen positiv in die weiteren Wochen gehen“, sagte er, das Kompliment des Kollegen Chris Fleming noch im Ohr. „Ich kann Trier nur loben.“ Bambergs Trainer sprach aus, was wohl alle dachten. „Ich habe Respekt vor der Leistung dieser Trierer Mannschaft, Respekt für die Arbeit von Henrik“, so der US-Amerikaner. Rödl schaute, nickte und verarbeitete die Niederlage auf seine Weise. „Und ewig grüßt das Murmeltier, ja, wie in diesem Film fühle ich mich im Moment.“ Eine Prise Galgenhumor gewürzt mit einer Spur Sarkasmus – Triers Trainer untermalte seinen Satz mit einem Augenzwinkern. Er ist davon überzeugt, dass die Erfolge kommen.

Aktuell aber lügt die Tabelle nicht. Trier liegt auf einem Abstiegsplatz: Alles, was jetzt noch zählt, sind Punkte. Sonst nichts. Nach den jüngsten Siegen von Frankfurt und Ludwigsburg ist die TBB dort angekommen, wo man nie sein wollte – zumindest aber am Ende der Saison nicht sein will. Als Vorletzter ist die Luft extrem dünn, die Abstiegsangst verursacht Gedankenkrebs. Nur Siege helfen da als Medizin, und warum nicht gleich gegen den Meister? Das wäre ein Ausrufezeichen, wie man es sich fetter nicht wünschen könnte. Schließlich ist Bamberg heuer beileibe nicht die Übermannschaft des letzten Jahres. Die Oberfranken haben ihre Probleme gegen körperlich robuste, aggressive Mannschaften. Wie zuletzt im Europapokal, als der Meister in der Gruppenphase ausschied.

Sicher, Trier würde an seine physischen und psychischen Grenzen gehen müssen, um überhaupt den Hauch einer Siegchance zu haben. Aber vor dieser Kulisse, vor diesem Publikum, das wie ein Mann geschlossen hinter seiner Mannschaft stand, könnte die Sensation möglich sein. Alles musste passen und Bamberg das Spiel schon vor dem ersten Wurf im Geiste abgehakt haben, dann wäre der hohe Favorit zu stürzen. Fleming staunte nicht schlecht, als Trier nach kurzem Bamberger Strohfeuer alle Hemmungen und jeden Respekt vor dem Titelverteidiger ablegte. „Wir sind eben noch keine Mannschaft“, ging Fleming denn auch hart mit seinen Spielern ins Gericht. „Und wir haben eben keine Angst gehabt“, sagte Triers Nationalspieler Philip Zwiener. „Das hat uns so stark gemacht.“

Dru Joyce wirbelte, Maik Zirbes zeigte dem Kollegen Tibor Pleiß, wie man sich unter dem Korb Platz verschafft, und Fleming wurde an der Seitenlinie immer hektischer. So hatte der US-Amerikaner sich das nicht vorgestellt. Die Roten aus Oberfranken verursachten ihrem Trainer starke Kopfschmerzen. Immer wieder fasste sich Fleming an die Stirn, gestikulierte, beschwor, fluchte still vor sich. Es half nicht. Trier bestimmte den Rhythmus des Spiels, der Meister aber hechelte hinterher. Mit der 19:17-Führung nach zehn Minuten setzte die TBB eine deutliche Duftmarke. Nicht Bamberg zauberte hier, weil Trier das nicht zuließ. Und hätte die Freiwurfquote nicht bei unterirdischen 43 Prozent (3/7) gelegen, der Meister wäre im ersten Viertel regelrecht überfahren worden.

Fleming nutzte die kurze Pause, um seiner Mannschaft unmissverständlich klar zu machen, dass hier mit angezogener Handbremse noch nicht einmal ein Blumentopf zu gewinnen sein würde, geschweige denn das Spiel. Von jetzt auf gleich aber lässt sich der Schalter nicht umlegen, lassen sich die vielen leichten Fehler, die sich Bamberg leistete, nicht abstellen. Marc Slaughter und auch Nationalmannschaftscenter Pleiß waren nur Schatten ihrer selbst. Null Punkte bis zur Pause für beide machten deutlich: Bamberg war auch nach 20 Minuten noch nicht richtig im Spiel angekommen.

Dafür spielte Trier bis zum Seitenwechsel seine wohl beste Halbzeit der Saison. Als Nate Linhart den Ball kurz vor der Sirene unter dem frenetischen Jubel der restlos begeisterten Fans durch den Ring setzte, war klar: Bamberg würde mit einem Rückstand in die Kabine gehen. Dass der mit einem einzigen Punkt (31:32) denkbar knapp ausfiel, lag auch an den Unparteiischen. Wiederholt zeigte sich das Trio auf dem Bamberger Auge extrem kurzsichtig. So kassierte Rödl ein technisches Foul wegen Reklamierens. Dabei hatte Triers Trainer zuvor nur zwei klare Fouls an seinen Spielern angemahnt, die von den Schiedsrichtern nicht geahndet worden waren. Die Konzessionsentscheidung war ein zweites technisches Foul – diesmal gegen den Bamberger Anthony Tucker.

Der Meister hatte sich im Spiel gehalten einzig über seine individuelle Klasse, die sich auch von der Ersatzbank aus bemerkbar machte. Rödl aber musste seinen Stammkräften nach dem Wechsel Ruhepausen einräumen, um im letzten Spielabschnitt alles auf Sieg setzen zu können. Der Offenbacher kalkulierte die zwischenzeitliche Schwächephase bewusst ein: Joyce und Zirbes bekamen ihre Auszeiten, Zwiener durfte zum Durchatmen auf die Bank, Linhart ebenso. Bamberg nutzte das aus. Die Oberfranken übernahmen das Kommando, schraubten ihren Vorsprung sukzessive in die Höhe – bis zum 55:46 nach dem dritten Viertel.

Doch die TBB kam zurück. Mit aller Kraft, mit dem letzten Willen. Oskar Faßler machte den Dreier, Linhart traf, Dragan Dojcin traf, und Zwiener erzwang mit zwei weiteren Punkten den Ausgleich zum 63:63. Bamberg wankte, Bamberg strauchelte. Rödl nahm seine letzte Auszeit. Noch einmal beschwor er seine Männer, noch einmal hauchte er ihnen den Glauben an die eigene Stärke ein. Joyce hätte den Favoriten endgültig stürzen können: Der Ball verweilte kurz auf dem Ring, fiel aber nicht – Verlängerung.

Zwei Dreier des Bamberger Anton Gavel und ein weiterer umstrittener Pfiff der Schiedsrichter entschieden die Partie in der Extrazeit. Gavels Klasse war der eine Faktor, das nicht gegebene Foul am Trierer James Washington der andere. Beim 69:72 rammte Slaughter Washington den Ellenbogen in die Seite. Der Trierer fiel, der Bamberger stolperte über ihn. Statt Foul gegen den Meister und Freiwürfe für Trier gaben die Unparteiischen Ballbesitz für die Oberfranken. Gavel setzte den Schlusspunkt, und Zwiener konnte nur noch appellieren. „Wir dürfen jetzt auf keinen Fall panisch werden“, forderte der Nationalspieler. „Natürlich ist das ärgerlich, dass wir gut spielen und trotzdem nicht gewinnen, aber das wird sich ändern.“

Davon ist auch sein Trainer felsenfest überzeugt. Mit einem Sieg will Rödl am Freitag aus Tübingen nach Trier zurückkehren. „Das wird sicher nicht leicht, aber wir fahren dahin, um zu gewinnen.“ Er hofft auf den Knoten. „Schließlich muss der ja irgendwann platzen.“

TBB Trier: Linhart (16), Joyce (15), Saibou, Zwiener (12), Dojcin (2), Faßler (2), Seiferth (4), Washington (1), Picard, Zirbes (15), Bynum (3).

Brose Baskets Bamberg: Suput (5), Tadda (3), Jenkins (9), Schmidt, Neumann (2), Pleiß, Roberts (16), Jacobsen (7), Tucker (7), Gavel (20), Monse, Slaughter (6).

Viertelstände: 19:17; 32:31; 46:55; 63:63; 70:75 (OT)

Zuschauer: 5446

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