Über Gebühr verunsichert

Mehr als 1000 Gebührenbescheide über 650 Euro hat die Universität Trier in der vergangenen Woche an Studierende verschickt, die in bislang gebührenfreien Zusatzzertifikaten wie „Deutsch als Fremdsprache“ eingeschrieben sind. Ein Sachzwang, der sich aus der Novellierung des Hochschulgesetzes ergibt, behauptet die Universitätsleitung. Eine Behauptung, die nicht stimmt, kontert das Bildungsministerium. Die Trierer Hochschule habe in den letzten Jahren irrtümlich keine Gebühren erhoben – und müsse das unter Umständen auch jetzt nicht, heißt es aus Mainz. Die Lage ist verworren, die betroffenen Hochschüler sind verunsichert; manche rechnen bereits mit Massenexmatrikulationen, sollte die Gebühr tatsächlich erhoben werden.


TRIER. Der Gang zum Briefkasten bescherte in den vergangenen Tagen vielen Studierenden eine unangenehme Überraschung: Das Studentensekretariat der Universität Trier hatte insgesamt 1065 Studiengebührenbescheide an Teilnehmer von Zusatzzertifikaten verschickt; Programme, in denen Qualifikationen über das eigene Studienfach hinaus erworben werden können. Gender Studies fallen ebenso darunter wie Deutsch als Fremdsprache (DaF), mit über 800 Teilnehmern das Zusatzzertifikat mit dem größten Zulauf.

Bislang wurden die zwölf Programme kostenfrei angeboten, ab dem Sommersemester 2012 sollen die Teilnehmer jetzt mit 650 Euro Studiengebühren zur Kasse gebeten werden – zusätzlich zum regulären Semesterbeitrag von rund 220 Euro. Wie sich diese Maßnahme mit dem Selbstverständnis einer Landesregierung decken soll, die sich das gebührenfreie Studium auf die Fahnen geschrieben hat, fragen sich nicht nur die betroffenen Hochschüler, sondern auch das Bildungsministerium in Mainz.

Ministerium: Das entspricht nicht den Tatsachen

In seinem Gebührenbescheid stellt das Studentensekretariat der Uni Trier die Regelung jedenfalls als Resultat der Hochschulgesetznovelle der rot-grünen Landesregierung dar. Eben jenes Gesetz, mit dem die Koalition im vergangenen Dezember die Studienkontenregelung abschaffte und mit dem „der Weg der Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums konsequent weiter beschritten“ werden sollte. In dem Gebührenbescheid heißt es nun: „Durch das Dritte Landesgesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vom 20. 12. 2011 […] wurde die Landesverordnung über die Gebühren in den Bereichen Wissenschaft, Weiterbildung und Forschung […] dahingehend geändert, dass ab Sommersemester 2012 […] eine Studiengebühr für die Teilnahme an einem Zusatzstudiengang an einer Hochschule eingeführt wird und diese 650,00 Euro je Semester und pro Zusatzstudiengang beträgt.“

Wer diese Mitteilung liest, muss daraus schließen, dass es sich bei den geplanten Gebühren um eine Vorgabe handelt, die sich aus dem novellierten Gesetzestext ergibt. Zweifel an dieser Sichtweise sind jedoch angebracht, denn anders als in dem Schreiben vermittelt, beinhaltet das Gesetz überhaupt keine neue Verpflichtung, Gebühren zu erheben. Konfrontiert mit einer Anfrage, reagierte Universitätspräsident Professor Michael Jäckel am späten Montagnachmittag mit einer Pressemitteilung. In dieser bekräftigt der Präsident seine Darstellung, dass die Novellierung des Hochschulgesetzes der Grund für die geplante Gebührenerhebung sei. Ein Sachzwang, den man bedaure: „Wir haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir als Konsequenz dieser Änderung eine drastische Reduzierung der Studierbereitschaft solcher Angebote erwarten. Die ersten Proteste lassen erkennen, dass es dazu kommen wird. Die Universitätsleitung wird das Ministerium daher erneut auf diese Problematik hinweisen.“

Eine Sicht der Dinge, die das Bildungsministerium in Mainz entschieden zurückweist: Nach Rücksprache mit der zuständigen Abteilung der Hochschule habe diese eingeräumt, dass die Universität Trier diese Gebühren bislang „irrtümlicherweise nicht erhoben“ habe, erklärte eine Ministeriumssprecherin am Montag. Die Behauptung in dem Gebührenbescheid, dass die in Rede stehende Gebühr durch die Novelle des Hochschulgesetzes eingeführt wurde, entspreche somit „nicht den Tatsachen“. Dem Vernehmen nach zeigten sich auch Angehörige der rot-grünen Koalition irritiert darüber, dass aus dem Gesetz, das Studiengebühren abschaffen sollte, neue Studiengebühren abgeleitet werden. Von keiner anderen rheinland-pfälzischen Hochschule sind derzeit ähnliche Pläne bekannt. An der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz etwa werden Zusatz-, Aufbau- und Ergänzungsstudiengänge sowie Zusatzzertifikate weiterhin gebührenfrei angeboten.

Auf Facebook formiert sich der Protest

Möglich ist das unter anderem unter Bezugnahme auf eben jenen Gesetzestext, der von der Trierer Uni-Leitung als Wurzel des Übels verkauft wird. Ein nicht unwesentlicher Passus bleibt im Schreiben des Studentensekretariates unerwähnt: „Die Gebühr kann, wenn für das Lehrangebot ein besonderes öffentliches Interesse besteht oder im Falle der Bedürftigkeit einer oder eines Teilnehmenden, ermäßigt oder erlassen werden.“ Das Ermessen über ein „öffentliches Interesse“ liegt demnach bei der Hochschule. Das Ministerium empfiehlt der Uni offen, diese Möglichkeit zu prüfen und auf die Gebühr ganz zu verzichten oder eine Ermäßigung in Betracht zu ziehen.

Dass es sich bei dem Zusatzzertifikat Deutsch als Fremdsprache (DaF) um eine Qualifikation von hohem öffentlichem Interesse handelt, steht nicht nur für den Germanistik-Studenten Martin Müller außer Frage. Er warnt in einem Brief an die Ausländerbeauftragen auf Kreis-, Länder- und Bundesebene vor möglichen Massenexmatrikulationen im DaF-Zertifikat, die eine volle Studiengebühr nach sich ziehen könnte. „Eine derartige Hochschulpolitik widerspricht jeglicher Forderung nach einer gelingenden Integration, da sie einer professionellen schulischen und außerschulischen sprachlichen Förderung und Unterstützung von Migranten entgegenwirkt“, schreibt er darin und fordert die Stellen auf, sich dem Protest der Studierenden anzuschließen.

An der Uni Trier sind die betroffenen Studierenden unterdessen verunsichert bis verzweifelt. Im Referat für Hochschulpolitik gaben sie sich am Montag die Klinke in die Hand. „Sie möchten wissen, was sie jetzt machen können“, sagt Susanne Knütter, Referentin für Hochschulpolitik. „Das Geld, die Gebühren zu bezahlen, hat fast niemand.“ Besonders drastisch stellt sich die Situation für jene dar, die in mehreren Zusatzzertifikaten eingeschrieben sind und unvermittelt mit drohenden Studiengebühren von mehreren Tausend Euro pro Semester konfrontiert sehen. Im Referat plant man eine koordinierte Reaktion, ein Anwalt wurde beauftragt, den Sachverhalt zu prüfen. „Eine Massenexmatrikulation würde auch Arbeitsplätze in den betreffenden Stellen gefährden, ganz abgesehen davon, dass durch diese einseitige finanzielle Belastung einkommensschwache Kommilitonen einmal mehr diskriminiert werden“, sagt Susanne Knütter.

Nicht nur auf dem Campus vermutet mancher hinter den Gebührenplänen eine versteckte Kompensation der abgeschafften Studienkonten. Innerhalb weniger Tage haben sich über 250 Betroffene in einer Facebook-Gruppe zusammengeschlossen. Unter dem Banner „DaF-Studierende wehrt euch! Gegen 650€ Studiengebühren“ wird beraten, wie auf den Zahlungsbescheid reagiert werden kann. Viele wollen vorerst Widerspruch einlegen, weil sie im Falle einer tatsächlichen Einführung der Gebühr ihr Zertifikat abbrechen müssten.

Eine von ihnen ist Sabine Scherer. Sie studiert Politikwissenschaft und Germanistik auf Magister und Lehramt. Das Zertifikat ist für sie nicht allein im Hinblick auf das Arbeiten in der hiesigen Grenzregion attraktiv. „Auch für eine spätere Lehrtätigkeit ist die Zusatzqualifikation, angesichts von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, wertvoll“, erklärt sie, „Deutsch-Muttersprachler zu sein reicht dabei nicht aus.“ Dem kommenden Semester sieht sie mit Sorge entgegen: „Zwar werde ich in diesem Semester mit meinem DaF-Studium fertig. Wenn ich allerdings immatrikuliert bleiben muss, um das Zertifikat zu bekommen, dann ist das bittere Fazit: Die Summe von 650 Euro werde ich nicht aufbringen können.“

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