Trierer Lichtkunst in Frankfurter Palmengarten

HTLuminaleLIgthCan_01Sie haben 20 Kilogramm Klarsichtfolie um Puppen gespannt, haben Internetseite um Internetseite nach ungiftigem Kunstnebel durchforstet und sich den Kopf darüber zerbrochen, wie Licht in Kleidung unsere Kommunikation verändert: Für 26 Studenten der Hochschule Trier stand im vergangenen Semester alles im Zeichen der „Luminale“. Am Sonntag hat eine der weltgrößten Veranstaltungen für Lichtkunst in Frankfurt begonnen, die Intermedia- und Modedesignstudenten präsentieren noch bis zum 4. April ihre drei Projekte im Palmengarten der Mainstadt.

TRIER/FRANKFURT AM MAIN. Am Nachmittag hätten sie noch gedacht, es könne nicht schlimmer kommen. Am Abend wussten sie: Es kann. Denn auch weit nach Mitternacht war die Arbeit noch nicht getan. Lange Nächte, kurze Tage, das ist das Programm von insgesamt 26 Studenten der Hochschule Trier, die derzeit im Rahmen der Lichtmesse „Luminale“ im Frankfurter Palmengarten ihre Projekte präsentieren. Und weil Licht nun einmal am besten in der Dunkelheit ausprobiert werden kann, surrt die Kaffeemaschine seit vergangenen Dienstag ohne Unterlass.

Katharina Ehrles studiert im siebten Semester Intermedia Design an der Trierer Hochschule. Schon seit Anfang der Woche sind sie und ihre Kommilitonen emsig dabei, zwischen Kakteen und tropischen Pflanzen sowie im Foyer des botanischen Gartens Puppen in Camouflage-Kleidung aufzustellen und umzurücken, sie bohren Haken in Wände und spannen meterweise Folie dazwischen. Dann warten sie auf die Dämmerung, um die Lichtstrahler einzuschalten und festzustellen, dass die Mannequins nicht richtig angeleuchtet werden. Um dann die Projektoren wieder umzustellen und erneut die Lichtkegel zu prüfen. „Für uns ist das eine sehr intensive Erfahrung, unsere Gruppe hat nicht nur in den vergangenen Tagen eine Dynamik entwickelt, die uns nun trotz aller Anstrengung nicht aufhören lässt“, sagt Ehrles.

Die siebte „Luminale“ in Frankfurt bildet das Rahmenprogramm zur „Light+Building“, der weltgrößten Messe für Licht und Gebäudetechnik in Frankfurt. Nachdem sich die Besucher tagsüber darüber informiert haben, welche Batterie sich am besten eignet, um den Strom aus dem Windrad am Haus zu speichern, und wie sich Jalousie, Heizung oder Beleuchtung auch von unterwegs steuern lassen, können sie am Abend die Stadt in voller Leuchtkraft bewundern. Zum ersten Mal sind in diesem Jahr auch Trierer Studenten dabei. Sie steuern vom 30. März bis zum 4. April drei von insgesamt rund 180 Projekte bei.

HTLuminaleSurplusDas erste Projekt sind die Lichtgießkannen. Drei Gießkannen stehen in einem Raum voller Nebenschwaden, die Besucher können aus ihnen Licht statt Wasser gießen. Durch den Nebel wird das Licht im Raum gebrochen und gestreut. Ebenso, wie aus einer Gießkanne nicht gleich ein Schwall an Wasser kommt, nimmt auch der Raum nur langsam das Licht aus der Kanne auf und färbt sich. Die Idee zu dem Projekt haben Daniel Gilgen, Professor für Intermedia Design an der Hochschule, und seine Studenten bereits 2011 auf der Bundesgartenschau in Koblenz getestet, für die „Luminale“ wurden nun einige Schrauben nachjustiert – so entleert sich die Farbe, aus Projektoren in den Raum gestrahlt, etwa nicht mehr schlagartig aus der Kanne, sondern zeitverzögert. Die Besucher sollen so den Farbwechsel im Raum noch bewusster erleben.

Doch nicht alles, was in der Theorie funktioniert, schafft auch den Praxistest. So mussten die Studenten stundenlang nach ungiftigem Nebel suchen, der die tropischen Pflanzen nicht angreift oder darauf lebende Kleintiere tötet. Fündig wurden sie schließlich bei einer Hamburger Firma „Für den Palmengarten stand immer im Vordergrund, dass die Pflanzen auf keinen Fall beschädigt werden“, sagt Gilgen, der den Studenten zusammen mit einem Kollegen vor Ort hilft.

In seinem Seminar „Medienräume“ haben sich die zwölf Intermedia Design Studenten ein Semester lang jede Woche drei Stunden lang mit Vorbereitung und Konzeption der Messe beschäftigt, bei einem der Projekte auch in Zusammenarbeit mit 14 Modedesign-Studentinnen aus dem fünften Semester. Auf 650 Quadratmetern stehen fünfzehn Puppen, zwischen denen etwa 20 Kilogramm Klarsichtfolie gespannt ist. Die angehenden Modedesinerinnen haben die Kleidung für die Puppen entworfen – Kleider aus altem Militärstoff in grün und braun, Rücke aus Tüll in türkis, Taschen mit Trägern aus aneinander gereihten Patronen.

Die Intermedia Designer betreiben nicht nur eine Bar und sind Ansprechpartner, wenn die Technik streikt, sie sind auch verantwortlich für das Drumherum: Sie haben die 15 Projektoren platziert und getestet, die Bilder und Farben ausgewählt, die auf die Puppen gestrahlt werden oder zu Werbezwecken Leuchtstäbe mit dem Namen ihren Studiengangs beklebt. Sie haben sich auch überlegt, wie zwischen den Puppen Verbindung geschaffen werden kann: Ihre erste Überlegung waren Baumwurzeln, weil die den Naturcharakter der Kleidung unterstreichen, diese Idee haben sie jedoch ebenso verworfen, wie Zeltstoff in Tarnfarbe und Holzstämme. Jetzt sind die Puppen mit 20 Kilogramm Klarsichtfolie umspannt, auf die Bilder projiziert werden und die das Licht teilweise reflektieren und teilweise durchlassen: „Für uns waren sie am ästhetischsten“, sagt Ehrles.

Für das dritte Projekt, mit dem sich die Hochschule präsentiert, dienten Glühwürmchen als Vorbild. Denn wenn die kleinen Leuchtkäfer über Lichtsignale kommunizieren, wieso sollten Menschen das dann nicht auch können? Für Tania Frankjaer ist dieser Gedanke Herausforderung, nicht Hindernis. Die 37-Jährige ist Intermedia Design Studentin an der Hochschule Trier, im Rahmen ihrer Masterarbeit hat sie sich überlegt, wie und ob überhaupt auch Menschen über Licht kommunizieren können. Hierfür hat sie Anfang Januar neun verschiedene Strickkleider entworfen, spießig geschlossene, elegante oder eher sportliche. In die Kleider eingewoben: Leuchtdioden und Pulsmesser. Die Kleider hängen nun im Foyer des Palmengartens auf Infusionsständern, um die unfertige Laborsituation zu unterstreichen. Berührt man die Puppen, reagieren diese und blinken nach und nach im Rhythmus der eigenen Pulsfrequenz. Kommen sich zwei Puppen im Raum nahe, passen sie langsam ihre Blinksignale aneinander an.

Frankjaer hat am Nachmittag zum letzten Mal die Steckverbindungen probiert und die meterlangen Kabel unter den Kleidern unsichtbar werden lassen. Für ihre Abschlussarbeit interessiert sie ab Sonntagabend nun, wie die Zuschauer auf ihr Projekt „Glühwürmchen“ reagieren und ob sie merken, dass über das Leuchten und Aufblinken Kommunikation dargestellt werden soll. Ehrles und ihre Kommilitonen hingegen interessieren sich nach erfolgreich abgeschlossener Vorbereitung in erster Linie für eines: Schlaf.

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