„Tatsächlich sind wir magersüchtig“

Auf der gestrigen Sitzung des Stadtrates haben die Fraktionen von CDU, SPD, FDP sowie Teile der Freien Wähler den Vorschlägen der Verwaltung zur Konsolidierung des Haushaltes zugestimmt – allerdings unter einer Prämisse: Mit den Vereinen und Verbänden aus dem Jugend- und Sozialbereich, die ihre Arbeit durch die Sparvorgaben teilweise gefährdet sehen, soll noch einmal Rücksprache gehalten werden. Ein Kompromiss, der an der Sparvorgabe in Höhe von fünf Prozent oder insgesamt 168.000 Euro indes nicht rüttelt. Vor und während der Ratssitzung hatten die freien Träger ihren Protest lautstark kundgetan. OB Klaus Jensen wehrte sich gegen den Vorwurf, die Stadt betreibe im Sozialbereich Kahlschlagpolitik. Kritik wurde erneut an der Rolle der Kommunalaufsicht laut, deren Auflagen für die Genehmigung des städtischen Haushalts für das laufende Jahr die erneute Sparrunde notwendig gemacht hatten.

TRIER. Das schwüle Wetter passte gut zur aufgeheizten Stimmung vor dem Rathaus. Dort hatten sich eine Stunde vor Beginn der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause Mitarbeiter und Unterstützer der freien Träger versammelt, um mit Reden und Pfiffen gegen die Sparvorgaben der Stadt zu demonstrieren. Die wird ihre Zuschüsse schon im laufenden Jahr um fünf Prozent kürzen, manche Einrichtungen sehen hierdurch Teile ihrer Arbeit gefährdet. Dass die Stadt erneut den Rotstift ansetzen musste, hat sie der Kommunalaufsicht zu „verdanken“.

Nachdem rund 20 Vereine und Verbände vor zwei Wochen in einem offenen Brief ihren Widerstand angekündigt hatten, nutzten sie nun die Kundgebung, um die Folgen der geplanten Kürzungen zu verdeutlichen. So kündigte der Leiter des Exzellenzhauses, Hilger Hoffmann, an, dass man die Jugendhilfe des Kultur- und Jugendzentrums im Norden der Stadt durch den Wegfall von rund 15.000 Euro Zuschuss zurückfahren müsse. Andere trifft es gleich doppelt hart: Bettina Bulitta-Steimer vom Mergener Hof erklärte, dass auch das Bistum seine Zuschüsse um 10.000 Euro kürzen werde. „Dadurch fällt eine halbe Stelle weg, und wir können unsere Einrichtung in den Ferien nicht vier Wochen lang öffnen.“ Nach Ansicht von Jörg Drekopf, dem Vorsitzenden des Stadtjugendrings Trier, hat letztlich die gesamte Gesellschaft an den Folgen der Kürzungen zu leiden, da viele Projekte mit Integrationswirkung nicht mehr in der Form weitergeführt werden könnten. Er betonte, dass „Kinder und Jugendliche das Gefühl haben müssen, dass sie der Gesellschaft angehören.“ Angesichts der langfristigen Mehrausgaben, die durch die jetzigen Kürzungen zu erwarten seien, warf er unter lautstarkem Beifall die Frage auf: „Was ist mit der systemrelevanten Jugendarbeit?“ Die Vorsitzende der Liga der Wohlfahrtsverbände und Direktorin des Diözesan-Caritasverbands, Sandra Bartmann, kritisierte insbesondere das „Rasenmäherprinzip“, das den Kürzungen ohne Rücksicht auf die finanzielle Lage der einzelnen Vereine zugrunde liege. Sie forderte stattdessen eine ordentliche Planung, da bislang „ohne inhaltliche Auseinandersetzung“ gespart werden solle.

Damit lag sie ganz auf der mehrheitlichen Linie des Stadtrates. In der Debatte zur Haushaltskonsolidierung wurde Kritik am Vorgehen der Verwaltung laut. CDU-Ratsmitglied Jürgen Plunien beklagte unter anderem die Kommunikationspolitik der Verwaltung. Maria Ohlig von der SPD-Fraktion warf Sozialdezernentin Angelika Birk einen „unfairen Umgang“ mit den Betroffenen vor und forderte „eine intensivere Abstimmung mit den freien Trägern.“ Auch die Freien Wähler beklagten das Vorgehen des Stadtvorstandes, „die Leistungen ohne Absprache mit den freien Trägern zu kürzen.“ Als „grundsätzlich richtig“ wertete Tobias Schneider von der FDP die Konsolidierungsmaßnahmen. Linkspartei und Grünen stellten die Alternativlosigkeit der Sparmaßnahmen hingegen in Frage. Nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden der Linken, Katrin Werner, sind die Vorgaben unsozial und würden vor allem die Schwachen der Gesellschaft treffen. Petra Kewes von den Grünen schlug in eine ähnliche Kerbe und erklärte, dass die Stadt Trier prinzipiell kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem habe. Schützenhilfe erhielt sie dabei von Parteikollegin Corinna Rüffer, die die Sparvorgaben der Kommunalaufsicht geißelte: „Es wird so getan, als gebe es noch große Speckpolster. Tatsächlich sind wir aber magersüchtig“.

Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion wurde denn auch von anderen Fraktionen ins Visier genommen. Schon Tage vor der Sitzung hatten die Grünen dem OB vorgeworfen, dass er nicht formal Widerspruch gegen den Bescheid der Behörde eingelegt hatte. Jensen ließ die Kritik nicht auf sich sitzen. Bereits im April habe er die Vorgaben allen Fraktionen zugeleitet, erklärt er. Auch wäre man nach Darstellung des Stadtchefs mit einer Klage „nicht aus der Nummer rausgekommen“, im Gegenteil: Bis ein rechtskräftiges Urteil ergangen wäre, hätte die Stadt laut Jensen einen Nothaushalt fahren müssen. Die Folgen für die freien Träger wären dann noch schlimmer gewesen, ist Jensen überzeugt.

Auch die im Brief der Vereine und Verbände geäußerte Kritik wies der  Oberbürgermeister erneut zurück. So habe man die Bruttoausgaben im Bereich „Soziales“ von 65 auf 69 Millionen Euro erhöht. Dies betreffe insbesondere die Leistungen der Jugendarbeit, für die nun 4,3 Millionen Euro vorgesehen seien, im Vergleich zu 2,7 Millionen Euro im Jahre 2009. Dennoch räumte er ein, dass es sich bei den geplanten Kürzungen um eine Einschränkung handele, die einige Träger stärker treffe, als andere.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.