Stadt Trier kontra NPD
TRIER. Die Stadt Trier hat eine von der NPD für diesen Samstag angemeldete Versammlung untersagt. Unter dem Motto „Wir sind das Volk“ will die rechtsextremistische Partei am 75. Jahrestag der Pogromnacht eine Kundgebung veranstalten.
Als Kundgebungsorte seien von der NPD der Bahnhofsvorplatz oder alternativ der Viehmarkt genannt worden, teilte das Rathaus mit.
In der städtischen Anordnung mit sofortiger Vollziehung heißt es, die Kundgebung stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, da an diesem Tag, dem in der Gesellschaft ein eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukomme, grundlegende soziale und ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletzt würden. So werde seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland mit dem 9. November der Judenpogrome von 1938 gedacht. Die Erinnerung an die Ausschreitungen und an die millionenfachen Morde an jüdischen Menschen sei gekennzeichnet von Trauer, Schmerz und Mitleid mit den Opfern der Gräueltaten. „Die Verantwortung vor der Geschichte, sich aktiv dafür einzusetzen, dass sich so etwas nie mehr wiederholen darf, und der Respekt vor den Opfern des unfassbaren Geschehens der Pogromnacht, die den Beginn eines millionenfachen Mordens an jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern darstellt, gebietet es der Stadt und ihren Verantwortungsträgern, die Demonstration der NPD an diesem Tag nicht zuzulassen“, heißt es in der Verbotsbegründung weiter. Das stille Gedenken an den 9. November 1938 sei höher einzuordnen, als das von der NPD beantragte und beanspruchte Grundrecht der Versammlungsfreiheit.
„Es ist in der Zwischenzeit nur allzu offensichtlich geworden und entlarvend, dass die extremistische NPD ihre Kundgebungen bevorzugt an jenen Tagen abhalten will, die dem Gedenken der Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft gewidmet sind“, so Oberbürgermeister Klaus Jensen und Ordnungsdezernent Thomas Egger in einer ergänzenden Erklärung. Wenn an diesen Tagen NPD-Aktivisten ihre rechtsradikalen Parolen öffentlich machen dürften, komme dies im Nachhinein einer Verhöhnung der von den Nazis ermordeten oder geschändeten ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gleich. Die Stadt könne dies nicht widerspruchslos hinnehmen.
Das demokratische Deutschland gedenkt in diesem Jahr des 75. Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. In jener Nacht und in den darauffolgenden Tagen schändeten und zerstörten die Nationalsozialisten in den meisten deutschen Städten jüdische Synagogen oder setzten sie in Brand. Viele Geschäfte und Häuser wurden von den Nazis geplündert, hilflose jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger gedemütigt, beraubt, verhaftet oder ermordet. Der 9. November 1938 markiert den Übergang von der sozialen Ausgrenzung und Diskriminierung zur offenen Verfolgung und Vernichtung der Juden in der NS-Diktatur, der sechs Millionen Juden zum Opfer fielen.
Die Stadt Trier gedenkt auch in diesem Jahr gemeinsam mit der jüdischen Kultusgemeinde am Samstag, 9. November, 18 Uhr, an der Stele am Zuckerberg/Metzelstraße, die an den Standort der alten und zerstörten Synagoge erinnert, der schrecklichen Ereignisse vor 75 Jahren.
Oberbürgermeister Klaus Jensen wird gemeinsam mit der kommissarischen Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde, Jeanna Bakal, einen Kranz niederlegen. Eine Schweigeminute, Worte des Gedenkens und ein Gebet in hebräischer Sprache runden die Feierstunde ab. Zur Teilnahme sind alle Bürgerinnen und Bürger, die damit auch ein Zeichen des Widerstands gegen rechtsextremistische Aktivitäten in Trier setzen, eingeladen.
Auch im vergangenen Jahr hatte die NPD für den 9. November eine Versammlung angemeldet. Seinerzeit hatte die Stadt diese ebenfalls untersagt, doch hatte das Verwaltungsgericht dieses Verbot unter Auflagen außer Kraft gesetzt mit der Folge, dass die rechtsextremistische Partei doch eine Kundgebung abhalten durfte (wir berichteten). Es ist davon auszugehen, dass die NPD nun erneut das Gericht anrufen werden.
von Marcus Stölb