Quo vadis, Trierer Spitzensport?

Es knirscht und knackt im finanziellen Gebälk des Trierer Spitzensports. Rote Zahlen bei der TBB, rote Zahlen bei der Eintracht, tiefrote Zahlen bei den Miezen – alle strecken sich nach der immer kürzer werdenden Decke. Noch hält das längst fragile System, weil Trainer, Spieler und Spielerinnen Woche für Woche Höchstleistungen abrufen. Die organisatorischen und strukturellen Bedingungen der drei professionellen Klubs aber hinken dem eigenen Anspruch deutlich hinterher. Der Aufsichtsratschef der TBB, Dr. Ralph P. Moog, hat an Weihnachten die Konsequenz gezogen und tritt ab. Er dürfte nicht alleine bleiben. Martin Rommel, Geschäftsführer der Miezen, steht wegen der großen finanziellen Probleme des Vereins massiv in der Kritik, und sollte die Eintracht den angepeilten Aufstieg verpassen, könnten auch die Tage des dortigen Vorstandes gezählt sein. Eine sportliche Analyse von Eric Thielen zum Jahresende.

TRIER. Dies vorweg: Trier ist eine große Sportstadt. Das mag angesichts des üppigen kulturellen Erbes leicht in Vergessenheit geraten, ist aber unbestreitbar. Bundesliga-Basketball bei den Männern, Bundesliga-Handball bei den Frauen, Regionalliga-Fußball im Moselstadion sowie Rollstuhl-Basketball von europäischer Klasse zeichnen Trier aus. Hinzu kommen unzählige Vereine, welche Jahr für Jahr ihren Beitrag im Breitensport und bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen leisten. Auch der Sport ist ein kulturelles Erbe dieser Stadt. Ob sich Trier aber den professionellen Sport auch in Zukunft leisten kann, ist angesichts der wirtschaftlichen Realität fraglich. Die Fakten des nun ablaufenden Jahres geben wenig Grund zur Hoffnung.

Es ist ein fast täglicher Kampf um Kleinigkeiten. Roland Seitz hat sich längst daran gewöhnt. Der Trainer von Eintracht Trier muss um jeden Cent feilschen, wenn es darum geht, professionelle Bedingungen für sich und seine Spieler bekommen. Da geschieht es dann auch mal, dass die Mannschaft mit einem alten Stadtbus zu einem Auswärtsspiel fährt. Hotelübernachtungen werden von der Vereinsspitze nur genehmigt, wenn es überhaupt nicht anders geht, weil Seitz mit seinen Spielern sonst sogar zu spät zum Anstoß käme.

Manchmal platzt ihm der Kragen. Dann haut er auch mal in der Öffentlichkeit einen Satz ‚raus, der es in sich hat. „Irgendwann muss man sich schon überlegen, was man will“, sagte Seitz vor einigen Monaten. Das ging an die Adresse des Vorstandes der Eintracht. Es ist aber kaum mehr als eine Momentaufnahme, weil auch Seitz weiß, dass in der Geschäftsstelle des Klubs eben kein Goldesel mit entsprechender Ausscheidung an Edelmetall steht. Dann rudert der Trainer zurück und gibt sich bescheiden: „Wir leisten mit unseren Möglichkeiten sehr viel.“ Ob es für den großen Wurf reicht, wird er spätestens am 19. Mai 2012 wissen, wenn die Saison zu Ende ist.

So oder so wird er sich selbst kaum etwas vorwerfen können. Aus dem sportlichen Absteiger machte Seitz einen Titelaspiranten. Letztlich hatte Preußen Münster in der vergangenen Spielzeit die Nase vorne, und die Eintracht musste sich mit Platz zwei begnügen. Dafür holte der Trainer mit seiner Mannschaft gegen die favorisierte TuS Koblenz den Rheinlandpokal, warf in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals St. Pauli aus dem Wettbewerb, ehe der Hamburger SV den Traum vom ganz großen Geld in der Verlängerung zerstörte.

In der Liga liegt die Eintracht nach der Vorrunde über dem Soll. Seitz ist es wie schon im Vorjahr gelungen, selbst mit reduziertem Etat eine konkurrenzfähige Mannschaft zu formen. Trotz der Rückschläge mit den Heimniederlagen gegen Schalke, Mainz und Düsseldorf ist der SVE dem Tabellenführer aus Lotte auf den Fersen. Während Lotte allerdings in der Winterpause weitere Spieler verpflichten wird, muss Seitz darum kämpfen, zumindest einen Ersatz für den suspendierten Martin Hauswald zu bekommen. Neuverpflichtungen müssen schließlich nicht nur von der Vereinsspitze, sondern auch vom DFB genehmigt werden. Der Verband hatte für die Eintracht klare Transferauflagen erlassen.

Von solchen Problemen kann Thomas Happe nur träumen. Der Trainer der Miezen kämpft nicht um die Tabellenspitze, sondern um das sportliche Überleben. Erst am letzten Spieltag der alten Saison gelang der Klassenerhalt in der Bundesliga. Aktuell sind die Trierer Handballerinnen wieder Schlusslicht in der Liga. Hinzu kommen die massiven finanziellen Schwierigkeiten des Vereins. Immer wieder warten Spielerinnen und Trainer auf ihre Gehälter. Happe reichte sogar Klage beim Arbeitsgericht ein. Dennoch blieb der Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Los Angeles als Trainer in Trier – weil ihm strukturelle Veränderungen im Verein versprochen worden waren. Getan hat sich diesbezüglich bisher allerdings nichts.

Wo Happe längst ernüchtert ist, hofft Henrik Rödl noch. Dem Europameister von 1993 gelang, was Experten für unmöglich gehalten hatten. Er machte aus dem Abstiegskandidaten TBB Trier einen Aspiranten für die Meisterrunde. Nur knapp verpasste der Hesse mit seiner jungen Mannschaft im Frühling den Sprung unter die besten acht Teams. Die TBB wurde „Mannschaft des Jahres“ in der Region, Rödl „Trainer des Jahres“. Doch das ist Schnee von gestern. Heuer kämpft auch Rödl, weil seine Mannschaft von der Konkurrenz inzwischen sehr ernst genommen wird. Trier schwimmt im Abstiegsstrudel, der Sog in Richtung zweite Liga wird stärker. Der jetzt verkündete Rückzug von Aufsichtsratschef Ralph P. Moog macht in dieser Situation die Arbeit für Rödl nicht gerade einfacher.

Gemeinsam ist allen drei Trainern der tägliche Kampf gegen Windmühlen. Hier wie dort können Außendarstellung und Vermarktung der sportlichen Erfolge nicht mit dem eigenen professionellen Anspruch mithalten. Die Schere zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft weiter auseinander. Der Trierer Spitzensport krankt an strukturellen Problemen; Synergieeffekte werden nicht genutzt, Nachhaltigkeit ist kaum zu erkennen. Bei der TBB ist das Problem zumindest erkannt worden. Ob das Wissen darüber allerdings zu Veränderungen führt, ist eine andere Frage. Zu lange und zu oft durften und konnten Funktionäre fernab der Öffentlichkeit schalten und walten, wie sie wollten. Leidtragende sind die Sportlerinnen, Sportler und Trainer, weil auch die Glaubwürdigkeit der Vereinsspitzen erschüttert ist.

Bei den Trierer Dolphins wurde in der Kooperation mit dem kanadischen Verband übrigens ein Modell gefunden, mit dem der hiesige Rollstuhlbasketball konkurrenzfähig bleibt. Im Ergebnis steht eine solide Vereinspolitik, die trotz schmalen Budgets mit sportlichen Erfolgen glänzen kann. Jahr für Jahr werden die Play Offs angepeilt, und im kommenden Jahr dürfen sich die Dolphins im Europapokal mit den besten Mannschaften des Kontinents messen. Ein gutes Beispiel, wie es auch geht.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.