Sackgasse oder netter Zuverdienst?

Mehr als 15.000 Menschen gehen in Trier einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nach. Laut Agentur für Arbeit arbeiten hiervon knapp 10.500 Beschäftigte ausschließlich auf der Basis eines sogenannten Minijobs, für die anderen dient die Stelle als Nebenerwerb. Trier liege damit im Trend des Landes, heißt es vonseiten der Behörde. Befürworter von Minijobs führen ins Feld, auf diese Weise ließen sich Jobsuchende qualifizieren, zudem könnten sie so den Weg zurück in eine reguläre Beschäftigung finden. Kritiker kontern, auf diese Weise würden reguläre Beschäftigungsverhältnisse geradezu verdrängt. Wie denken die Trierer Direktkandidatinnen und -kandidaten für den Bundestag darüber? Mit dem Thema „Minijobs“ starten wir heute unsere Reihe 16vor-Wahl.

TRIER. Sie arbeiten in Kaufhäusern und an Kinokassen, sind in der Gastronomie tätig oder kommen im Gesundheitssektor zum Einsatz – die sogenannten Minijobber. Seit dem Jahr 2002 ist die geringfügige Beschäftigung innerhalb des Stadtgebiets mit einer kurzen Unterbrechung konstant angestiegen – von damals 8.630 auf mittlerweile mehr als 15.400 Menschen. In manchen Bereichen kommen erfahrungsgemäß besonders viele Minijobber zum Einsatz, etwa im Einzelhandel oder im Gastgewerbe, also zwei in Trier besonders beschäftigungsstarken Branchen. Hinzu komme, dass in einer Hochschulstadt wie Trier viele Studenten auf geringfügiger Basis arbeiteten, um sich so ihren Lebensunterhalt aufzubessern, gibt die Bundesagentur für Arbeit zu bedenken.

Beschäftigungsverhältnisse auf geringfügiger Basis bieten Menschen in bestimmten Lebensphasen die Möglichkeit, „Qualifikationen zu erhalten und nah am Arbeitsmarkt zu bleiben“, argumentiert die Behörde und ergänzt: „Hin und wieder kann sich über einen Minijob auch eine Chance ergeben, berufliche Qualifikationen auszubauen oder nach längerer Arbeitslosigkeit wieder Fuß zu fassen“. Ziel müsse in erster Linie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sein, denn diese sei schließlich ein „wesentlicher Bestandteil der sozialen Absicherung“, so die Bundesagentur.

Das Thema „Minijobs“ und prekäre Beschäftigung dürfte eines der wichtigsten Themen im anstehenden Bundestagswahlkampf werden. Während im Wahlkreis Trier die Direktkandidaten bereits permanent auf Achse sind, um sich vor Ort bekannt zu machen oder wieder in Erinnerung zu rufen, möchten wir unseren Leserinnen und Lesern frühzeitig Gelegenheit geben, sich mit inhaltlichen Positionen auseinanderzusetzen. Bis zum Wahltag am 22. September werden die Bewerber der bereits im Bundestag vertretenen Parteien einmal monatlich auf 16vor Stellung zu wichtigen Themen beziehen.

Bernhard Kaster (CDU): Unkomplizierte Form des Zuerwerbs

Minijobs haben für mich zwei wesentliche Funktionen: Sie sind eine unkomplizierte Form des Zuerwerbs, vor allem für viele Studierende, aber auch Familien oder Rentnerinnen und Rentner. Und sie haben sich für Viele als geeignete Brücke in die dauerhafte Beschäftigung bewährt. Aktuell sind in Deutschland so viele Menschen beschäftigt, wie nie. Dazu haben auch die Minijobs beigetragen. Mit 28 Millionen Vollzeitbeschäftigten haben wir einen absoluten Höchststand erreicht! Auch in unserer Heimatregion Trier sind die Arbeitslosenzahlen so niedrig, dass viele schon von Vollbeschäftigung sprechen. Am erfreulichsten ist hier die äußerst geringe Jugendarbeitslosigkeit.

Viele behaupten, dies sei größtenteils durch Minijobber erreicht worden. Der Trend seit 2004 zeigt jedoch ein anderes Bild: Vollzeitjobs sind um 11,4 Prozent gestiegen, die Zahl der Minijobber im gleichen Zeitraum aber gesunken (um 1,2 auf 6,8 Millionen in 2013). Zudem sind viele Branchen, aus Saison- oder Flexibilitätsgründen, auf Minijobber angewiesen. Notwendig gewordene Anpassungen haben wir bereits mit der Angleichung der Löhne bei Minijobs an durchschnittliche Gehälter von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten umgesetzt: Am 1. Januar 2013 wurde die Grenze für Minijobs von 400 auf 450 Euro angehoben.

Eine weitere wichtige Neuerung ist die Rentenversicherungspflicht für Minijobber. Damit schärfen wir das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Alterssicherung. Die CDU wird weiterhin für eine sozialverträgliche Ausgestaltung von Minijobs eintreten.

Katarina Barley (SPD): Minijobs führen in die Sackgasse

Idealerweise sind Minijobs eine Brücke in ein geregeltes Arbeitsverhältnis. Manchen ermöglichen sie unbürokratisch einen Zuverdienst. Leider erleben wir aber vor allem eines: massenhaften Missbrauch. Unternehmer mancher Branchen bieten fast nur noch geringfügige Arbeitsverträge an. Sie steigern ihren Profit auf Kosten von Beschäftigten, die auf das Einkommen angewiesen sind. Das darf nicht so bleiben!

Die Stundenlöhne sind unverhältnismäßig niedrig. Urlaubsansprüche und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werden oft nicht gewährt, obwohl der Anspruch besteht. Minijobs sind längst ein Mittel im Konkurrenzkampf um Kosten und Preise. Das hat für die Beschäftigten ebenso fatale Folgen, wie für den Sozialstaat. Minijobber sind zu zwei Dritteln Frauen. Ich höre oft „Mehr lohnt sich nicht wegen Ehegattensplitting“. So können Minijobs aber zur Sackgasse werden. Diese Frauen haben praktisch keine soziale Absicherung, etwa im Fall einer Trennung. Und im Alter fehlt ihnen eine Rente, von der sie leben können.

Ich bin dafür, die Subventionierung von Minijobs massiv zurückzufahren: Das entlastet die Steuerzahler und macht reguläre Arbeitsverhältnisse attraktiver. Dafür ist ein Absenken der Obergrenze sinnvoll sowie ein ansteigender Abgabensatz. Unverzichtbar ist ein Mindestlohn von 8,50 Euro. Das ist Teil eines ganzen Maßnahmenpakets der SPD gegen Lohndumping und unsichere Beschäftigung. Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können!

Corinna Rüffer: Anzahl der Minijobs eindämmen

Arbeit zu haben und davon leben zu können, ist für viele Menschen Bedingung für das Gefühl von Würde. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes hat in Deutschland erhebliche Probleme verursacht. Während die statistische Arbeitslosenzahl gesunken ist, ist die irreguläre Beschäftigung stetig gewachsen. Die Reallöhne sind gesunken. Laut Arbeitsministerium hat der Staat zwischen 2007 und 2011 mehr als 53 Milliarden Euro für das Aufstocken von Löhnen ausgegeben. Die öffentliche Hand subventioniert großzügig Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft, während wir in vielen Bereichen zunehmenden Mangel erleben. Laut Hans-Böckler-Stiftung erhalten Minijobberinnen und -jobber im Durchschnitt 7,50 Euro pro Stunde. Deren Anteil am Gesamtarbeitsmarkt ist stetig gewachsen und liegt heute bei ungefähr 20 Prozent. In unserer Region übrigens noch deutlich darüber. Eine Mehrheit bilden Frauen, die überdurchschnittlich häufig dauerhaft in der geringfügigen Beschäftigung eingemauert sind.

Das Ziel von Bündnis 90/Die Grünen besteht darin, möglichst vielen Menschen einen Wechsel in existenzsichernde und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu ermöglichen. Als ersten Schritt wollen wir die Anzahl von Minijobs eindämmen, indem wir einen branchenübergreifenden, flächendeckenden Mindestlohn und Stundenobergrenzen einführen. Arbeitsrechtlich wollen wir Minijobberinnen und -jobber mit anderen Beschäftigten strikt gleichbehandeln und nicht zuletzt durch die Einführung einer Sozialversicherungspflicht ab 100 Euro Minijobs perspektivisch sozialverträglich ersetzen.

Henrick Meine: Mehr als nur Taschengeld

In Deutschland gibt es ca. 7 Millionen Minijobs; 6,8 Millionen im gewerblichen Bereich, ca. 250.000 in privaten Haushalten. Jeder 3. Minijob führt zur Festanstellung. Seit 1911 kennt das deutsche Sozialversicherungsrecht die Beitragsfreiheit für Beschäftigung in geringem Umfang, heute heißt das „Minijob“. SPD und Grüne sind als Regierungsparteien nie auf den Gedanken gekommen, daran etwas zu ändern. Gibt es dafür einen Grund? Ja, weil dann Schwarzarbeit zu- und Beschäftigung abnimmt.

Minijobs bieten Menschen in verschiedensten Lebenssituationen die Chance, sich etwas dazuzuverdienen. Die meisten dieser Menschen sind mit diesem System zufrieden, dies zeigt jede Umfrage. Dennoch wird von links gegen Minijobs gehetzt. Nicht aufgrund belastbarer Zahlen, sondern aus ideologischen Gründen. Die Argumente der Kritiker beruhen nicht auf Tatsachen: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird nicht durch Minijobs ersetzt. Das Verhältnis von Minijobbern zu regulär Beschäftigten hat seit 2004 sogar leicht abgenommen.

Ein grundsätzliches Missverständnis besteht darin, Minijobs mit Niedriglohn zu assoziieren. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts verdeutlichen: Minijobs bedeuten netto nicht gleich Niedriglohn. Die schwarz-gelbe Koalition hat bezüglich der Verdienstgrenze erstmals nach zehn Jahren einen Inflationsausgleich vorgenommen und diese nach oben korrigiert, um auch für Arbeitnehmer in diesem Bereich eine Partizipation am Wachstum zu ermöglichen.Es wurde dafür gesorgt, dass Minijobber zukünftig, sollte das ihr Wunsch sein, ausdrücklich auf die Rentenversicherungspflicht verzichten können. Dadurch wird zudem ein stärkeres Bewusstsein für Fragen der Altersvorsorge geschaffen.

Katrin Werner: Eine Form prekärer Beschäftigung

Wer heute einen Job sucht, findet häufig keine feste und gut bezahlte Arbeit, sondern nur eine prekäre Beschäftigung. Diese wird schlecht entlohnt und bietet wenig berufliche Perspektiven. Minijobs sind eine Form prekärer Beschäftigung. Da zwei von drei Minijobs von einer Frau ausgeübt werden, verfestigen sie die geschlechtsspezifische Spaltung des Arbeitsmarktes. In der Region Trier 40 Prozent aller Frauen davon betroffen. Mehr als 80 Prozent der Minijobs liegen unterhalb der Niedriglohngrenze von 9,15 Euro, rund 41 Prozent der Befristeten ebenso. Bei den Leiharbeitern liegt der Niedriglohnanteil bei über 70 Prozent. 32 Prozent der unter 35-Jährigen haben einen unsicheren Job in Form von Befristungen oder Leiharbeit. Das ist menschenunwürdig und familienfeindlich. Diese Entwicklung hat sich durch die Agenda 2010 noch deutlich verschärft.

Die Linke fordert deshalb, dass prekäre Beschäftigung abgebaut und Existenz sichernde Arbeit aufgebaut wird. Wer arbeitet, muss davon leben können. Minijobs dürfen nicht mehr gefördert werden. Jede Stunde Arbeit muss der vollen Sozialversicherungs- und Steuerpflicht unterliegen. In der Leiharbeit muss als Sofortmaßnahme das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ab dem ersten Einsatztag gelten, langfristig muss Leiharbeit komplett verboten werden. Auch die Möglichkeiten, einen Arbeitsvertrag zu befristen, müssen deutlich eingeschränkt werden. Nicht zuletzt ist ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 10 Euro pro Stunde notwendig.

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