Narrhallamarsch zur großen Gala

Es geht also auch ohne Nervenkitzel bis ganz zum Schluss. Am Samstagabend besiegte die TBB Trier vor 3188 Zuschauern in der Arena Phönix Hagen mit 89:66 (55:25). Und das verdient – auch in dieser Höhe. Fast wäre beiden Mannschaften der Eintrag in die Geschichtsbücher der BBL geglückt. Noch nie blieb ein Team im ersten Viertel ohne Punkte. Nach acht Minuten und der 22:0-Führung (!) für Trier deutete sich durchaus Historisches an. Dann jedoch kamen die Westfalen von der Freiwurflinie zu ihren ersten Zählern. Vom Rückstand erholten sich die Feuervögel allerdings nicht mehr. „Wir waren von Beginn an auf unsere Aufgaben fokussiert“, sagte Henrik Rödl. Triers Trainer verlebte einen entspannten Abend. Im Gegensatz zum Kollegen Ingo Freyer: Hagens Trainer haderte zwar auch mit den Schiedsrichtern, in erster Linie aber mit der Einstellung seiner Spieler. „Die Emotionen waren einfach nicht da, und dann sind wir in ein mentales Loch gefallen.“

TRIER. Sicher, es ist Fasnacht, die Narren haben Hochkonjunktur. Doch irgendwie müssen die Westfalen aus Hagen das gründlich falsch verstanden haben. „Wolle mer’n eroilosse?“ ist keine rhetorische Frage im sportlichen Duell. Der Jeck soll in die Bütt, nicht der Ball in den Korb. Trier fragte, und Hagen brüllte kollektiv „Ja“. So geht es natürlich auch; einfach für die TBB, desaströs für den Phönix. Hier jeder Wurf ein Treffer, dort das gemeinsame Versagen. Ingo Freyer suchte noch lange nach dem Spiel nach Gründen. Wirklich fündig wurde er nicht. „Wir hatten uns viel vorgenommen“, sagte Hagens Trainer, „doch nach so einem Beginn kann man ein Spiel nicht mehr drehen.“

Die Emotionen hatten Freyer gefehlt. „Die waren einfach nicht da.“ Warum, wusste er auch nicht zu sagen. „Und dann triffst du nicht, und wir waren in einem mentalen Loch.“ Erklärungsversuche eines gezeichneten Trainers, der nur neidisch zum Kollegen schauen konnte. Schließlich war Henrik Rödl der große Gewinner an diesem Abend. Er hatte seine Spieler auf den Punkt vorbereitet, hatte ihnen eingeimpft, was in diesem Kampf gegen den Abstieg auf dem Spiel stand. Doch trotz des großen Vorsprungs zur Pause war er sich immer noch nicht sicher. „Wir haben noch in der Kabine darüber gesprochen, wie gefährlich Hagen ist“, sagte er im Rückblick. „Denn wenn eine Mannschaft in der Liga es schafft, so einen Rückstand aufzuholen, dann ist es Hagen.“

Aber nicht an diesem Abend, nicht gegen diese TBB. Trotz der mageren Kulisse lieferte Trier ein großes Spiel ab. Schließlich ist das so in dem Geschäft. Gegen die Bayern aus München platzte die Arena aus allen Nähten. Gegen die Feuervögel aus Westfalen wäre auf den Rängen durchaus noch Platz für einen olympischen Staffellauf gewesen. Aber da muss man durch, so man die Klasse halten will. Nicht die Rosinen machen den Kuchen schmackhaft, sondern die Grundzutaten. Wer bleiben will in der Beletage des deutschen Basketballs, der muss Hagen vor eigenem Publikum schlagen. Das sind die Gesetzmäßigkeiten dieses Geschäfts. „Und so sind wir das Spiel auch angegangen“, sagte Rödl. „Wir waren auf nichts anderes fokussiert.“

Trier wusste vom Start weg, was die Stunde geschlagen hatte. Keine Atempause, auch nicht nach dem fulminanten Sieg über den FC Bayern. Rödls Männer waren hellwach, auf den Köpfen von Dru Joyce und John Bynum blitzte die Signalfarbe. Rote Stirnbänder statt der sonst üblichen weißen gaben die Richtung im eigenen Spiel vor: Aggressivität, Willen, Leidenschaft. Hagen wurde geradezu überfahren. Freyers Augen an der Seitenlinie wurden immer größer. Seine Spieler schienen die Begegnung im Abstiegskampf gegen den direkten Konkurrenten mit einem Freundschaftsspiel nach durchzechter Weiberfasnacht zum Ausschwitzen des Restalkohols zu verwechseln.

Linhart und Washington überragend

Freyer tobte, Freyer motzte, Freyer meckerte, kassierte ein technisches Foul, weil er sich schließlich in seinem Zorn über die eigene Mannschaft auch noch mit den Unparteiischen anlegte. Es nutzte nichts. Erst nach acht Minuten, einer halben Ewigkeit im Basketball, gelangen den Westfalen die ersten Punkte. Als Marc Carter von der Freiwurflinie traf, klang die Aufmunterung aus dem Hagener Block eher wie Hohn und Spott. “Jetzt geht’s los”, echoten die mitgereisten Gästeanhänger. Welch beißende Ironie angesichts des Zwischenstandes. Trier: 22 Punkte; Hagen: zwei Zähler.

In seiner Verzweiflung stellte Freyer die Verteidigung auf Ganzfeldpresse um. Verloren hatte Hagen das Spiel ohnehin bereits nach acht Minuten. Das wusste auch der Hagener Trainer. Doch demütigen lassen wollte er sich nicht. Der Auftritt seiner Mannschaft gab zu solcher Befürchtung aber durchaus Anlass. Alle taktischen Maßnahmen Freyers fruchteten aber ebenso wenig wie zuvor sein Zorn. Die Feuervögel verbrannten geradezu in der Glut des Trierer Spektakels – Wiederkehr aus der Asche schon frühzeitig ausgeschlossen.

Ganz anders das Bild auf der Gegenseite: Rödl konnte wohl erstmals in der laufenden Saison ein Spiel entspannt genießen. Seine Männer arbeiteten wie immer erstklassig in der Abwehr. Hinzu kam das offensive Feuerwerk. Diesmal konnte die TBB ihr System aufziehen. Hagen war nicht in der Lage, das zu unterbinden. Rödl nahm sich die Freiheit, auch seinen Ergänzungsspielern ausgiebig Spielzeit zu gönnen. So fügten sich Joshiko Saibou, Andreas Seiferth und auch Samy Picard nahtlos in das perfekt funktionierende Trierer Kollektiv ein. Der Luxemburger war glücklich, wieder einmal zum Einsatz gekommen zu sein. „Es hat Spaß gemacht“, sagte er. In letzter Zeit sei er schon unzufrieden gewesen. „Aber wir haben eben sehr viele gute Spieler auf meiner Position, da ist es schwierig für mich.“

Überragend an diesem Abend waren aber vor allem Nate Linhart und James Washington. Beide Amerikaner spielten wie aufgedreht. Washington schien seine Leistung gegen die Bayern beflügelt zu haben. Der Druck auf den Neuzugang scheint gewichen. Linhart hingegen ist da schon eine Stufe weiter: Er lenkt das Spiel der TBB in den entscheidenden Phasen. Auch Philipp Zwiener erwischte erneut einen Sahnetag. Zehn Punkte bis zum Seitenwechsel und 16 nach 30 Minuten waren ein starker Arbeitsnachweis für den Nationalspieler, der auch im letzten Viertel nicht nachließ und mit 18 Punkten erneut bester Schütze der TBB war. Gemeinsam bliesen sie den Feuervögeln den Narrhallamarsch – für Hagen war schon am Fasnachtsamstag Aschermittwoch. „Das war bitter“, konnte Freyer nur noch konstatieren. „Aber wir werden das aufarbeiten“, kündigte er an.

Schließlich beherrschte Trier das einseitige Spiel insgesamt nach Belieben – unabhängig davon, wer gerade auf dem Feld stand. 30 Punkte Führung zur Pause, gar 34 nach dem dritten Viertel dokumentierten die klare Überlegenheit der TBB auch in nackten Zahlen. Dass Hagen im Schlussabschnitt aus dem großen Debakel eine etwas kleinere Schmach machte, war lediglich einem Umstand geschuldet: Trier nahm angesichts des klaren Vorsprungs gleich mehrere Gänge heraus. Jetzt schon Körner sparen für das schwere Auswärtsspiel in Bremerhaven am kommenden Sonntag, lautete die Devise. Dort will auch Samy Picard wieder angreifen. „Ich muss mich einfach anbieten“, forderte der Luxemburger von sich selbst, „um dann auch zeigen zu können, was ich kann.“

TBB Trier: Linhart (15), Joyce (7), Saibou (2), Zwiener (18), Dojcin (2), Faßler (2), Seiferth (8), Washington (14), Picard (3), Zirbes (12), Bynum (6), Dietz.

Phönix Hagen: Rockmann, Jonusas (12), Reuter (2), Blackwood (2), Wilkins, Spohr (9), Carter (13), Kruel (2), Hasquet (8), Constantine (13), Sparks (3), Seward (2).

Viertelstände: 28:9; 55:25; 74:40; 89:66

Zuschauer: 3188

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