Nackt durch Trier? Oder: Früher war mehr Ozon

Der Meyer Frank absolvierte ein Probetraining bei der Rugby-Mannschaft des FSV Tarforst. Jetzt schaut er sich nach etwas anderem um. Foto: Herrmann BackesMir ist das Gerücht zu Ohren gekommen, dass man nackt durch die Fußgängerzone laufen muss, um im Trierer Rugbyverein aufgenommen zu werden. Aber der Reihe nach: Wussten Sie überhaupt, dass Trier eine Rugbymannschaft hat? Oder dachten Sie auch, das sei nur etwas für durchgeknallte Briten mit dem Halsumfang eines schottischen Hochlandrindes? Ich habe nur eine vage Ahnung von Rugby, stelle mir aber vor, dass es ein echter Männersport ist, denn es gibt einen Ball, haufenweise schmerzhaften Körperkontakt und man darf sich ungestraft dreckig machen.

Der Backes Hermann ist Schuld. Der lebt jetzt nämlich gesund. Er isst nicht mehr einfach, sondern er ernährt sich, trinkt maßvoll und hat sich fest vorgenommen, einem Sportverein beizutreten. „Du solltest dir auch einen Verein suchen“, rät er mir, „das hält fit und integriert.“ Na gut, dann schaue ich mal, ob’s coole Vereine in Trier gibt!

Früher wäre mir nie in den Sinn gekommen, freiwillig Sport zu treiben. Erinnern Sie sich an die gute alte Zeit, als im Sommer täglich Ozonalarm war? Ab 180 Ozon wurde offiziell davor gewarnt, sich körperlich anzustrengen. Wissen Sie noch, in welcher Maßeinheit die Ozonwerte im Radio durchgegeben wurden? Waren das Milligramm oder Becquerel? Jedenfalls, wenn das Ozon mal wieder auf 180 war, durfte man nicht zu viel von dem Zeug in die Lunge kriegen. Dann hieß es: Ruhe bewahren, in geschlossenen Räumen bleiben und flach atmen.

Und wo ist das Ozon jetzt, wo ich es dringend bräuchte? Jedenfalls nicht im Trierer Waldstadion, denn dort hat es sich gründlich eingeregnet, als ich mich zu einem Rugby-Probetraining traue. Eigentlich ist „zu nass“ eine prima Alternativausrede zu „Ozon“, aber der Regen stört die muntere Rubgytruppe überhaupt nicht. Das Training hat bereits begonnen, und beim ersten Hinsehen denke ich: Da sind aber komische Typen dabei, bis ich merke, dass die Hälfte der Spieler Frauen sind. Die meisten Mädels wiegen gerade mal halb so viel wie ich, sind aber doppelt so schnell – physisch und gedanklich, wie sich herausstellt.

Es werden zwei gemischte 7er-Teams gebildet und Ansgar, ein Urgestein des Trierer Rugbys, sowie der Trainer, Jackson, erklären mir kurz die wichtigsten Regeln. Wie, Regeln? Ich dachte, man spielt Ruby, um ungehindert übereinander herfallen zu dürfen. Denkste! Ich lerne schnell, dass es vor allem auf taktische Strategie, spieltechnische Finessen und konsequente Mannschaftsharmonie ankommt. Deshalb spielen auch so viele Frauen mit. Mit brachialer Gewaltanwendung, von der ich mir persönliche Vorteile erhofft hatte, kommt man nicht weit. Es macht zwar Riesenspaß, Gegenspieler/-innen schubsen, anrempeln oder durch Umklammern zu Boden werfen zu dürfen, aber dafür muss man sie erst mal erwischen.

Als die wieselflinke Franzi mit dem Ball unterm Arm genau an meiner Stelle durch die Verteidigungslinie bricht, mache ich einen Hechtsprung, denn ich muss Franzi mit zwei Händen gleichzeitig anschlagen und „Touch“ brüllen, um sie zu stoppen. Dabei fliege ich glatt an ihr vorbei und gleite bäuchlings über den regendurchtränkten Waldstadionrasen – und gleite weiter und weiter und sehe über die Wipfel der Grashalme hinweg die Aschenbahn auf mich zukommen.

Gute B-Note für den ästhetischen Eindruck

Also ramme ich mein prägnantes Kinn in die Grasnarbe und erziele damit rasch den erwünschten Bremseffekt: Mein Körper stoppt kurz vor der Spielfeldrandbegrenzung. Es gibt Applaus! Für Franzi, die den Punkt gemacht hat, und für meinen Bauchrutscher, der zwar umsonst war, aber eine gute B-Note für den ästhetischen Eindruck bringt. An meinem Shirt und Kinn kleben Matsch und Grashalme – endlich sehe ich aus wie ein Rugbyspieler!

Das Spiel rast so schnell hin und her, dass ich nach zwanzig Minuten kaputter bin als nach zwei Tagen Altstadtfest. Wenn ich den Ball kriege, spiele ich ihn gleich weiter, weil ich mich nicht traue, in das gegnerische Abwehrbollwerk zu rennen und mich „stoppen zu lassen“, so wie es alle anderen machen. Alle anderen können aber auch Haken schlagen wie Feldhasen oder geschickt unter gegnerischen Armen hindurchtauchen.

Niemand reagiert so, wie ich es vom Fußball kenne. Nicht einmal der Ball, der kein Ball ist, sondern ein Ei. Wenn dieses ovale Spielgerät auf den Boden trifft, springt es nie dorthin, wo es soll. Ich greife mehrmals am direkt vor mir aufdotzenden Ei vorbei und renne mit fangbereit ausgestreckten Armen in Richtung Waldstadion-Vereinsheim, während hinter mir das Spielgeschehen bereits in Richtung Waldkindergarten weiterläuft.

Zur Halbzeitpause gebe ich auf, weil mir die Puste ausgeht. Das restliche Spiel sehe ich mir von der Außenlinie aus an. Uwe, schon seit den 80ern Rugbyspieler, erzählt mir, dass er früher Fußball gespielt hat und zufällig zum Rugby kam. „Für das meiste, wofür ich im Fußball gelb oder rot gekriegt habe, bekam ich beim Rugby Applaus. Da wusste ich: Das ist der richtige Sport für mich.“

Während ich zuschaue, sehe ich zwar die körperliche Härte, die das Spiel mit sich bringt (dabei ist das hier ein „entschärftes“ Training), aber noch mehr fällt mir die Teamharmonie auf, die sich entwickelt, wenn der Ball in der Angriffsbewegung rasch von Spieler/-in zu Spieler/-in gepasst wird. Allmählich verstehe ich den offiziellen Leitspruch des Trier Rugbyclubs: aut viam inveniam aut faciam („Entweder finde ich den Weg oder ich bahne mir einen“).

Nackt durch den Weisshauswald

Die Gesichter der Spieler/-innen, die inzwischen mit nassen Grashalmen verziert sind, zeigen durchweg zweierlei: hohe Konzentration und ein Lächeln (suchen Sie diese Kombination mal beim Kegeln oder Nordic Walking!), und als wieder mehrere Körper den Eierball unter sich begraben, wird mir klar: Für diesen Sport braucht man eine gesunde Mischung aus Verrücktheit und Leidenschaft. Mal abgesehen von einer hervorragenden Fitness. Deshalb bin ich nicht sicher, ob Rugby das Richtige für mich ist, egal bei welchen Ozonwerten.

Und wie ist das jetzt mit dem Aufnahmetest, mit dem Nackt-durch-Trier-Laufen? „Das ist nur ein Mythos“, klärt Ansgar mich auf, „es stimmt zwar, dass Rugbyspieler beim Feiern einen deutlichen Hang zur Freikörperkultur aufweisen, aber keiner von uns läuft nackt durch die Fußgängerzone, sondern nur durch den Weisshauswald!“ Ach so, na dann geht’s ja. „Und das macht man nicht als Aufnahmeprüfung, sondern: Wenn man als Mannschaftsspieler seinen ersten ‚Versuch’ (so was Ähnliches wie ein Tor) gelegt hat, muss man eine Stadionrunde laufen. Ohne die Rugby-Klamotten. Nur die Schuhe darf man anbehalten.“ Also alles nur halb so wild. Trotzdem befürchte ich, ich könnte beim ersten Spieleinsatz aus falscher Scham versuchen, KEINE Punkte zu erzielen.

Der Trierer Rugbyclub, der bereits in den 70ern gegründet wurde, ist inzwischen eine Unterabteilung des FSV Trier-Tarforst. Trikotsponsor ist Air Namibia (!?) und der offizielle Schlachtruf lautet – warum auch immer – „Kooooooowalski!“.

Sportliche Erfolge gibt’s auch vorzuweisen: Die Männer waren viermal Regionalliga-Meister Rheinland-Pfalz (zuletzt 2010) und das Frauenteam gewann 2003 die Hochschulmeisterschaften. Da ich aber befürchte, beiden Teams bei künftigen sportlichen Erfolgen nicht maßgeblich weiterhelfen zu können, werde ich mich wohl noch bei anderen Trierer Vereinen umsehen.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.