Mut zu ernsthaftem Rock

Neue deutsche Rock- und Popmusik funktioniert meistens mit Frontfrau und netten Hipstern in engen Jeans an den Instrumenten. Eine Prise Punkattitüde, oder was man dafür hält, verkauft sich auch nicht schlecht. Hornbrille, Karohemd und G, C, D auf der Gitarre beziehungsweise 3, 8, 10 auf dem Bass sind auch okay. Hauptsache, deutsche Texte und die sollen nicht wehtun. Dass man in diesem Kontext auf die englischsprachige Karte setzt, um seine Songs erfolgreich an die noch verbliebene kleine Schar der CD-Käufer zu bringen, ist eher riskant. Der Trierer Band „My First Robot“ sind solche Gedankengänge wohl eher egal.

Alles was zählt: endlich ist das Ding draußen. Anlässlich des CD-Release-Konzertes im vergangenen Herbst im Chat Noir musste die Band noch die bittere Pille schlucken, dass sich auf allen vom Presswerk gelieferten CDs leere Datenordner befanden. Für die fehlende CD entschuldigte man sich mit einem vom Publikum gefeierten Gig. Kurz darauf sind die heiß ersehnten Silberlinge angekommen.

Auf den zwölf Songs des Debütalbums „earth calls“ nagelt der Bass erfreulich kompromisslos die Achtel runter, die Indiegitarre rockt, elektronische Beats bilden häufig das Songfundament und auf dem Synthie werden smarte Melodiebögen geklimpert.

Mit viel Herzblut hat die „Indie-Rock-und-ein-bisschen-Electronic“-Combo „My First Robot“ ihre erste CD produziert und kann damit getrost im Radio, in Clubs und auf Open-Airs hausieren gehen. Gute Platte das – im Großen und Ganzen ein mehr als gelungenes Debüt.

Die Beginner „Nord“ und „Earth Call“ weisen noch zögerlich die Richtung, doch spätestens ab dem vierten Song, „we know“, kommt die Band auf den Punkt: Mut zu ernsthaftem Rock mit Popattitüde für Erwachsene – und eine Träne im Knopfloch für die Zeit, als das Soundgarden-Poster noch über dem Jugendzimmerbett hing. Auch wenn die Herrschaften die magische Rockstarsuizidaltersgrenze 27 schon hinter sich gebracht haben, klingen sie angenehm frisch und ernsthaft zugleich.

Vielleicht schimmern „The Faint“, „Placebo“ und „Jeremy Days“ dann und wann durch die Bandhose, aber wer will heute noch Rockmusik neu erfinden – und wie? Die Songs haben durchweg catchige Momente, punkten mit cleveren Arrangements und pulsierenden Beats, während sich die melancholische Stimme von Frontmann Jimmy Feichtner durch Höhen und Tiefen der Prä-Midlife-Krise singt.

Richtig los geht das Album für mich wie schon gesagt erst ab der vierten Nummer, „we know“. Danach nur noch Killer. Ob „december“, „smalltown riot“, „at sea“ oder „death in belgium“ – grandiose Songs, tolle Rockmusik! Super Ideen, schöne Harmonien und Hooklines, rockt alles, absolut empfehlenswert.

Nur der Schlagzeugsound kann nicht ganz mithalten. Hier merkt man dem Album leider an, dass nicht durchweg professionell produziert werden konnte – woran im Endeffekt niemand Schuld hat, weil so etwas viel Geld kostet, aber schade ist es doch.

Seit dem Erscheinen der CD ist die Band nicht untätig gewesen, sondern schreibt fleißig an neuen Songs, um im nächsten Frühjahr eine EP mit fünf oder sechs Stücken folgen zu lassen.

Live gibt es „My First Robot“ unter anderem in den Quattropole-Städten zu hören: am 21. Juni in Metz, am 24. Juni in Trier, am 1. Juli in Saarbrücken und am 15. September in Luxemburg.

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