„Mich unterschätzen nur die, die mich nicht kennen“

Unter einem Dach: Das Palais Walderdorff beherbergt eine Bücherei, eine Galerie und Gastronomie. Weil hier viele unterschiedliche Menschen zusammenkommen, ist auch Hiltrud Zock gerne hier. Foto: Gianna NiewelSie kommt aus Trier, lebt und arbeitet in Trier und möchte deshalb – wie sollte es anders sein – für Trier die erste Oberbürgermeisterin werden. Hiltrud Zock, 51, Geschäftsführerin einer Marketinggesellschaft, tritt am 28. September als parteilose Kandidatin für die CDU an. Die Asse in ihrem Ärmel: Jahrzehntelanges Engagement für die Stadt, gute Kontakte auch in die Region, ein Kopf voller Ideen und Konzepte. Sich selbst sieht Zock vorrangig als Gestalterin. An diesem und den kommenden beiden Montagen stellt 16vor die drei OB-Kandidaten in Interviews vor.

Dass sie die Ruhe weg hat, dieser Eindruck entsteht schon am Telefon: Ja sicher, gerne schon morgens, vielleicht mit einem Kaffee zum Start in den Tag? An der Tür zu Hiltrud Zocks Büro steht ein hüfthoher Karl Marx, neben dem Schreibtisch ein Gewirr aus grüner Wolle – stricken für die TBB. Obwohl die Nacht kurz war, weil sie natürlich geblieben ist, bis das letzte Licht gelöscht wurde, wirkt die 51-Jährige nun wie angeknipst.

16vor: Frau Zock, in der Wahl zum Oberbürgermeister sind Sie per se „die Quereinsteigerin“, weil Ihnen Verwaltungsexpertise fehlt. Nervt es Sie, unterschätzt zu werden?

Hiltrud Zock: (lacht) Mich unterschätzen nur diejenigen, die mich nicht kennen.

16vor: Kürzlich haben Sie sich in der Fußgängerzone im Rahmen der „IceBucketChallenge“ einen Eimer Eiswasser übergekippt, um auf die Nervenkrankheit ALS aufmerksam zu machen. Außerdem haben sie ein Orangeneis – Ihre Wahlfarbe – vorgestellt, dessen Erlös zur Erforschung der Krankheit gespendet werden soll. Gibt es eigentlich etwas, dass Sie nicht für den Wahlkampf tun würden?

Zock: Rechtsradikales lehne ich strikt ab, darüber müssen wir uns nicht unterhalten. Ansonsten würde ich das genauso auch ohne Wahlkampf tun. Die Spenden dienen einem guten Zweck, wenn dann ein bisschen Klamauk dazukommt, wieso nicht? So kann jeder Trierer seinen Beitrag dazu leisten, dass ALS erforscht wird – auch ohne Eiswasser.

16vor: Sie sind in Ehrang geboren, hier zur Schule gegangen, haben auf dem Petrisberg studiert. Ihr Wahlkampf-Slogen lautet „Aus Trier. Für Trier. Mit Trier“. Was bleibt an Inhalten, wenn man den Heimvorteil streicht?

Zock: Ich bin über Jahrzehnte erfahren als selbstständige Unternehmerin in Trier und ganz Deutschland, ich kann Menschen zusammenbringen, ich habe gute Kontakte zur Wirtschaft, in Sozial- und Kulturbereiche. Politisches Arbeiten im erweiterten Sinne übrigens, das heißt: Sich für die Bürger einsetzen, Ideen gestalten, das mache ich schon lange in zahlreichen Projekten. Und ja, ich bin hier verwurzelt und kenne deshalb die Potenziale der Stadt.

„Das Thema ‚Bildung‘ kommt für mich ganz nach oben“

16vor: Sie sind unter anderem Mitglied in der Gesellschaft der Freunde des Trierer Theaters und engagieren sich für die Kulturstiftung – Kultur steht unter Ihnen als Oberbürgermeisterin an erster Stelle?

Zock: Sicherlich ist Kultur wichtig, auch als Wirtschaftsfaktor. Für mich kommt das Thema „Bildung“ aber nach ganz oben. Wir brauchen ausreichend Kitaplätze, einige privatwirtschaftlich organisiert. Mir ist es wichtig, so viele Schulen in den Stadtteilen zu halten wie irgendwie finanzierbar. Aber eben nicht als reine Schulen, sondern als Stadtteilzentren. Und es geht weiter: Wir müssen leben, dass wir eine Universitätsstadt sind, ich denke an kostenfreies WLAN in der Innenstadt und an ein attraktiveres Moselufer. Weiterbildung auch für ältere Menschen muss präsenter werden.

16vor: Ihre Meinung zum Theater – Neubau oder Sanierung?

Zock: Wenn wir nach einer umfangreichen Sachanalyse die Chance auf einen Neubau haben, funktioniert das nur, in dem wir Fördermittel vom Land bekommen. Auch hier ist ein multifunktionales Gebäude mit Gastronomie ein Optimum, das aber auch als Kongress- und Tagungsraum genutzt werden kann und in dem Räume für die freie Szene sind. Ich bemühe mich gerade, das Theater stärker mit der freien Wirtschaft zu verbinden und zudem in die Stadt zu bringen, etwa mit dem Bürgersaal am Kornmarkt oder mit Firmen, die eine Aufführung für Mitarbeiter und Kunden kaufen können.

16vor: Wie wollen Sie die freie Szene fördern?

Zock: Das Theaterfestival „GraFiTi“ ist ein Beispiel, wie ich mir Kulturförderung vorstelle. Die Studenten haben mich angerufen, ihr Antrag auf Gründung eines Vereins war gescheitert. Das ist aber wichtig, damit überhaupt Fördergelder von einer Kulturstiftung fließen. Dann haben Spendengelder gefehlt – ich habe „Dunkin’ Donuts“ angefragt, die erreichen als junge Marke genau die Leute, die zu „GraFiTi“ kommen. Und einen Abend im „Modehaus Marx“ zu spielen, hat 500 Euro an Raummiete gespart. Es geht darum, Kulturverständnis mit Wirtschaftsverständnis zu paaren.

16vor: Herr Leibe hat sich gegen den Moselaufstieg ausgesprochen, die Trierer würden kaum davon profitieren. Teilen Sie seine Meinung?

Zock: Nein! Den Moselaufstieg brauchen wir dringend. Ja, es mag die Konz-Autobahn sein, wir dürfen aber nicht bei Konz aufhören zu denken. Die Autos und Lastkraftwagen, die dort auf die Autobahn abbiegen, sind sehr wohl eine Entlastung für unsere Stadt. Außerdem betrifft der Moselaufstieg Bundesmittel, bindet also keine Projekte vor Ort. Auch dann nicht, wenn er erst in zehn Jahren umgesetzt wird.

16vor: Zehn Jahre, das ist eine lange Zeit. Haben Sie auch kurzfristige Lösungen?

Zock: Kurzfristig halte ich den Moselbahndurchbruch für wichtig. Außerdem bin ich für Tempo 30 in der Innenstadt. Auf dem Alleenring selbst bleibt die normale Geschwindigkeit, sobald man den in Richtung Zentrum verlässt, gilt „Tempo Rücksicht“. Die Verkehrsbetriebe sagen, dass das mit den Busfahrplänen verträglich ist. Den Fahrradverkehr könnte es entlasten, innerstädtisch die Busspur mitzubenutzen – Vorfahrt hat natürlich der Bus, weil er im Takt bleiben muss.

„‚Sozialticket‘ statt ‚Ein-Euro-Ticket'“

16vor: Stichwort „Busse“: Werden Sie sich innerhalb des Verkehrsverbundes für ein Ein-Euro-Ticket einsetzen?

Zock: Wichtiger finde ich, die Erreichbarkeit zu erhöhen. Wenn Menschen in finanzieller Not sind, bin ich für einen Preisnachlass in Form eines Sozialtickets. Die Ticketpreise generell auf einen Euro zu senken, bedeutet in der Konsequenz, dass die SWT weniger Erlöse erzielt, somit also weniger in den städtischen Haushalt zurückfließt. Es ist also weniger haushaltsrelevant, zu schauen, wer kann sich die Tickets nicht leisten und den Menschen dann entgegenzukommen.

16vor: Sie sind zwar parteilos, treten aber für die CDU an, man sieht Sie häufig mit Bernhard Kaster oder Julia Klöckner. Nun ist es gang und gäbe, dass im Wahlkampf Absprachen zwischen der Partei und ihrem Kandidaten gemacht werden. Welche Zugeständnisse haben Sie gemacht?

Zock: Eigentlich keine. Ich soll weiter das machen, was ich bisher gemacht habe: Zu einer positiven Stadtentwicklung beitragen durch die Summe machbarer Teilerfolge.

16vor: Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) forderte jüngst eine bundesweite Maut, die Kritik an diesen Plänen ebbt nicht ab. Wie stehen Sie als Kandidatin der CDU in Trier dazu?

Zock: Diese Maut ist für mich für uns als Grenzregion nicht akzeptabel. Ich bin angetreten, um als Oberbürgermeisterin die Interessen der Stadt zu vertreten. Ja, ich stehe hinter den Werten, die die CDU vertritt. Nichtsdestotrotz behalte ich mir die Freiheit, mich für Trier einzusetzen, wenn ich das für richtig halte.

16vor: Wie wollen Sie mit den 700 Wohnungen verfahren, die zwar der Stadt gehören, aber in furchtbarem Zustand sind?

Zock: Ein gutes Beispiel dafür, dass in Trier schon seit Jahren Investitionsstau herrscht. Das Geld muss aufgebracht werden, da gibt’s kein Vertun. Wir brauchen eine umfassende Investitionsplanung auf die nächsten zehn Jahre und neben Wohnungsbaugesellschaften mit städtischer Beteiligung müssen wir auch private Investoren überzeugen, Geld in die Hand zu nehmen. Außerdem ist es wichtig, dass die zuständigen Dezernate „Bauen“ und „Wirtschaft“ enger verzahnt arbeiten, damit die Wege in der Verwaltung kürzer sind.

16vor: Wie halten Sie es mit dem Zuschnitt der Dezernate – wollen Sie sie um ein viertes erweitern?

Zock: Für mich als Unternehmerin ist ein viertes Finanzdezernat undenkbar, ich halte das für einen unnötigen Griff in die Steuerkasse. Außerdem ist das Thema „Finanzen“ das wichtigste Führungsinstrument in der Stadt – das gebe ich nicht an einen nicht weisungsgebundenen Dezernenten, das ist Chefsache.

16vor: Sie verteilen Würfel, auf denen steht „Zeit das sich was dreht“, Ideen haben Sie unzählige. Gleichzeitig gibt der städtische Haushalt einen Sparkurs vor. Wie wollen Sie das alles finanzieren?

Zock: Wir haben als Stadt Pflichtaufgaben, dazu gehört zum Beispiel, genügend Kitaplätze zu stellen. Diese Aufgaben tragen uns Bund und Land auf und nach dem Konnexitätsprinzip gilt: Wer bestellt, der bezahlt. Wir müssen darauf pochen, dass das getan wird und wir aus Mainz und Berlin dieses Geld erhalten. Um die städtischen Einnahmen generell zu erhöhen, braucht es eine stabile Wirtschaft und solide Arbeitsplätze.

Übrigens hatten in der Vergangenheit viele Projekte, die ich angegangen bin, damit zu tun, dass kein Geld da war. Bei der „Elephant Parade“ etwa kam von der Stadt selbst kein Cent. Den Nutzen haben im Nachhinein die meisten erkannt, weil Trier auch überregional als offen und freundlich wahrgenommen wurde.

16vor: Angenommen, Sie werden am 28. September gewählt – wie sehen Ihre ersten einhundert Tage als Oberbürgermeisterin aus?

Zock: Hundert Tage sind nicht viel Zeit. (überlegt) Wir brauchen ein angemessenes Stadtmarketing, ein geschärftes Profil: Römisches Erbe, ja, aber wir müssen Trier auch als junge Stadt präsent machen. Das ist langfristig enorm wichtig.

16vor: Worin ist Ihnen Herr Leibe überlegen?

Zock: (langes Schweigen) Wahrscheinlich im Erhalten von Verwaltungsstrukturen. Aber das ist nicht mein Ziel (lacht).

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