Maik Zirbes, wer sonst?

Wieder ein Krimi, wieder ein Herzschlagfinale, wieder knisternde Spannung und große Gefühle: Wie schon gegen Bonn, siegte die TBB Trier am späten Sonntagabend mit einem Punkt Vorsprung. Diesmal mit 75:74 (39:44) über EnBW Ludwigsburg. 3026 Zuschauer in der Arena sahen einen überragenden Maik Zirbes. 22 Jahre jung wurde Triers Nationalspieler am Sonntag. Gespielt hatte er wie ein ganz alter, erfahrener, mit allen Wassern gewaschener Hase. Auch Spielmacher Dru Joyce feierte Geburtstag – seinen 27. Für Zirbes gab es zur großen Sahnetorte das Lob des Trainers als Zugabe. „Es gibt Spieler“, sagte Henrik Rödl mit Hochachtung, „die nehmen ihre Chance an, nutzen sie und entwickeln sich auch noch weiter. Maik ist ein solcher Spieler.“ Ludwigsburgs Trainer Steven Key konnte sich dem Kompliment nur anschließen: „Zirbes war heute für uns einfach nicht zu kontrollieren. Das war der Knackpunkt.“ Die TBB verlässt die Abstiegsplätze, dort ist jetzt Ludwigsburg angekommen.

TRIER. Als das Geburtstags-Ständchen der TBB-Familie erklang und die große, rechteckige Sahnetorte aufs Feld getragen wurde, stand er da. Etwas verlegen, wie der nette Junge von nebenan, der kein Wässerchen trüben kann. Maik Zirbes schaute zu Dru Joyce. Der Amerikaner lachte in seiner bekannt spaßigen Art. Also lachte Zirbes auch. „Alles Gute, lieber Maik und Dru“, stand in grünen Buchstaben auf der Kalorienbombe. Ein großes Stück wird er sich später genehmigt haben. Vielleicht auch zwei – im stillen Kämmerlein. Verdient hatte er es sich allemal, nicht nur wegen seines Ehrentages.

Denn zwei Stunden lang war Zirbes alles andere als der nette Junge aus der Nachbarschaft, lieb und brav. Er war es, der den Schwaben aus der Barockstadt das Leben auf dem Parkett so unglaublich schwer machte. Er war es, der Anthony Fischer in der letzten Sekunde so blockte, dass der US-Amerikaner den Ball nicht mehr im Korb unterbringen konnte. Die Zirbes-Festspiele am Geburtstag in Zahlen: Neun Rebounds, davon sieben unter dem fremden Korb. 22 Punkte insgesamt. Fünf von sechs Würfen aus dem Feld heraus getroffen, zwölf von zwölf Freiwürfen verwandelt. Er war der überragende Spieler an diesem Abend.

Selbstlob aber ist seine Sache nicht. „Ich bin sehr froh, dass wir das Spiel gewinnen konnten“, sagte er. „Und ja, doch, ich glaube, das war heute ganz gut von mir.“ Seine Nervenstärke an der Freiwurflinie hat auch etwas mit einem kleinen Geheimnis zu tun. „Das habe ich mir bei unserem Kapitän Dragan Dojcin abgeschaut. Er sagt immer etwas zu sich selbst, bevor er wirft. Das mache ich jetzt auch.“ Dojcin ging diesmal leer aus, fand aber in Zirbes zumindest an diesem Tag einen würdigen Nachfolger. Die Arena ist sein Wohnzimmer, hier regiert er, hier lehrt er seinen Gegnern das Fürchten.

Rödl wird die neuerliche Leistungsexplosion seines Schützlings mit einem lachenden und einem weinenden Auge beobachten. Mit einem Zirbes in dieser Form ist der Klassenerhalt greifbar. Macht der 22-Jährige allerdings noch mehr solche Spiele wie in den letzten Wochen und vor allem heuer gegen Ludwigsburg, ist er wahrscheinlich schon am Ende der Saison nicht mehr zu halten. Die Möglichkeit aber beschäftigt Triers Trainer derzeit nicht. Er freut sich uneingeschränkt mit und für Zirbes. „Maik arbeitet sehr hart, auch in Sonderschichten in der Halle. Im Ergebnis steht die rasante Entwicklung, die er genommen hat.“

Als der Hesse seine Männer auf das wichtige Abstiegsduell vorbereitete, tobte draußen an diesem fast unwirklichen frühen Sonntagabend der Schneesturm. Bibbergrade, Halsschmerzwetter, Schnupfengefahr. Drinnen sollte es heiß werden. Vier-Punkte-Spiel, Abstiegsangst, Gedankenkrebs. Wer zieht – zumindest kurzzeitig – den Kopf aus der (Abstiegs-)Schlinge? Wen beißen die Hunde? Auch die beiden Geburtstagskinder Zirbes und Joyce wollten dafür sorgen, dass nicht die TBB nach diesem Spiel Letzter des Feldes vor den bereits abgeschlagenen Göttingern sein würde. „Wir waren nervös“, gestand Zirbes ein. „Aber der Trainer hat uns immer wieder stark geredet. Wir wollten diesen Sieg.“

Schlagabtausch mit offenem Visier

Dagegen hatte der Klub aus der Barockstadt naturgemäß einiges einzuwenden. Personell wurde vor dem Spiel gegen Trier noch einmal nachgebessert. Anthony Fisher soll den Schwaben die nötige Kraft im Abstiegskampf liefern. Der US-Amerikaner war in seinem ersten Spiel für Ludwigsburg gleich die bestimmende Größe auf dem Parkett. Zehn Punkte im ersten Viertel waren eine Hausnummer für Fisher. Zudem hatte Trainer Steven Key auch noch Rückkehrer Ermin Jazvin als Pfund in der Hinterhand. Die TBB konterte mit ihren Schwergewichten wie Philip Zwiener, Zirbes, Joyce, Nate Linhart und Kapitän Dragan Dojcin.

Doch schon die ersten Minuten machten deutlich: Das hier würde trotz der guten Leistungen in den letzten Wochen beileibe kein Selbstläufer für die Hausherren. Die Schwaben waren hellwach – vor allem an der Distanzlinie. Dort bekam Trier den Gegner nicht unter Kontrolle. Viermal nahm Ludwigsburg Maß, dreimal sauste der Ball durch den Ring. Darauf gründete sich vornehmlich die 24:20-Führung der Schwaben nach zehn Minuten. Wo Zirbes mit sechs Rebounds unter dem Korb gegen Jazvin herrschte, brillierten Fisher und Kollegen aus der Entfernung. Dagegen konnte Trier bei vier Versuchen nicht einen Dreier platzieren.

Das Bild änderte sich auch im zweiten Abschnitt kaum. Triers Verteidigung funktionierte nicht wie gewohnt. Ludwigsburg kam zu vielen einfachen Punkten. „Wir haben ihnen zu viele Chancen gegeben“, sagte Rödl. Schnell waren sie, die Schwaben, aufgeweckt und konzentriert. Triers zweite Lebensversicherung neben Zirbes saß paradoxerweise auf der gegnerischen Bank. Key gönnte seinem neuen Mann schon früh Atempausen. Fisher saß, während seine Kollegen die Führung verteidigten. So blieb der Amerikaner bei zehn Punkten hängen. Dafür legten Zirbes (zwölf Punkte) und Zwiener (acht) auf der Gegenseite zu. Fünf Punkte Rückstand (39:44) zur Pause hielten der TBB alle Optionen offen.

Jetzt galt es, den Schwaben jene Stiche zu versetzen, die deren Moral zwar nicht brechen, aber doch zumindest ankratzen konnten. Rödl hatte seinen Männern die Marschroute schon in der Kabine vorgegeben. Doch das reichte dem Hessen noch nicht. Knapp zwei Minuten nach Wiederbeginn unterbrach er das Spiel mit seiner Auszeit. Noch einmal redete er eindringlich auf seine Spieler ein. Mit dem Klemmbrett in der Hand machte Rödl die taktischen Vorgaben: So, so und so muss es gehen. „Das war eine emotionale Auszeit“, sagte er später. „Ich wollte alle noch einmal wachrütteln und auch den Lauf des Gegners brechen.“

Und so ging es dann auch: Linhart schickte das Spielgerät aus der Distanz durch den Ring, Joyce legte nach. Die TBB war dran. Jetzt war es ein Schlagabtausch auf Augenhöhe mit nahezu offenem Visier. Trier führte, Ludwigsburg konterte. Ludwigsburg führte, Trier konterte. Bis zum 61:61 am Ende des dritten Viertels konnte sich keine der beiden Mannschaften einen Vorteil verschaffen. „Jeder wollte gewinnen, das hat man gesehen“, sagte Key. War es bis zur Pause ein Offensivspektakel, so dominierten nach dem Seitenwechsel die Abwehrqualitäten – hüben wie drüben. „In der zweiten Halbzeit hat unsere Verteidigung endlich so gestanden, wie ich mir das vorstelle“, so Rödl.

Wie schon gegen Bonn, sollte sich auch heuer alles auf den letzten Abschnitt fokussieren. Hopp oder top, neuer Atem oder Abstiegsplatz. Oskar Faßlers Dreier eröffnete das Finale, Ludwigsburg schlug zurück. Zirbes und John Bynum hielten dagegen: 72:67. Die Schwaben konterten: 72:74. Linhart setzte seinen nächsten Dreier durch den Ring: 75:74. Und dann krönte Zirbes seine Leistung an diesem Tag: Fisher war auf dem Weg zum Korb, das Geburtstagskind machte sich ganz breit – mit der geballten Energie von 115 Kilogramm auf 2,07-Metern Körperlänge. Fisher sah die menschliche Wand vor sich und den Boden auf sich zukommen. Der Ball aber war bei Zirbes – und das Spiel aus.

TBB Trier: Linhart (9), Joyce (12), Saibou, Zwiener (10), Dojcin, Faßler (3), Seiferth (4), Washington (6), Picard, Zirbes (22), Bynum (9), Dietz.

EnBW Ludwigsburg: Green (11), McCray, Koch (11), Hadzovic, Lischka (7), Zavackas (4), Looby (6), Fisher (14), Greer (9), Dorris (6), Jazvin (6).

Viertelstände: 20:24; 39:44; 61:61; 75:74

Zuschauer: 3026

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