Lasset uns schweigen

Während die katholische Kirche gerade die wissenschaftliche Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in ihren eigenen Reihen durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. aufgekündigt hat, gibt sich das Trierer Theater augenzwinkernd: Mit „Der Priestermacher“ hat man eine Komödie aus dem Jahr 1984 auf den Spielplan gesetzt, die in diesem Kontext nur ein Schuss in den Ofen sein kann. Die Inszenierung im Studio des Theaters Trier ist ein einziger schaler Beigeschmack, bei dem man sich fragen muss, welchem Verantwortlichen es hier an Fingerspitzengefühl gemangelt hat.

TRIER. Die Situation der Messe, die Predigt ex cathedra, ist die Klammer, die Regisseur Florian Burg gewählt hat, um seine Inszenierung zusammenzuhalten. Am Anfang steht da noch ein stolzer Priester mit pastoralem Gestus, der sich seiner eigenen Unfehlbarkeit ziemlich sicher ist; zum Ende des Stückes wird er dieselbe Kanzel noch einmal besteigen, dann aber als ein Anderer, ein Geläuterter, der seiner eigenen Erbärmlichkeit und Unzulänglichkeit gewahr geworden ist. Zwischen diesen beiden Stationen im Leben des Priesters Tim Farley (Manfred-Paul Hänig) spielt die Geschichte seiner folgenreichen Begegnung mit dem idealistischen Jung-Theologen Mark Dolson (Daniel Kröhnert), der mit seinen unbequemen Fragen das Welt- und Selbstbild des etablierten Kirchenmannes ins Wanken bringt.

Zwischen dem aufbrausenden, idealistischen Querdenker und dem allseits beliebten und ebenso bequemen Alt-Priester kommt es zu grundlegenden Meinungsverschiedenheiten – zur Rolle der Frau in der Kirche, dem Umgang mit Homosexuellen und Sexualität im Allgemeinen, dem richtigen Weg, eine Predigt zu halten. Nachdem das ungleiche Gespann allerlei Konflikte und Widerstände durchschifft hat, kulminiert die Läuterung des Senior-Priesters schließlich in einer kartharsisch-pathetischen Geste der Selbsterkennung. Der Lehrling hat hier dem Meister die Lektion verpasst und zieht als wirklicher „Priestermacher“ vom Felde, mit sich und seinen Vorstellungen im Reinen

Entstanden ist das Stück in der Vereinigten Staaten der 80er Jahre, aus der Feder eines erklärten Gläubigen. Diese Entstehungsgeschichte merkt man dem Stoff leider an: Eine schablonenhafte Handlung mit voraussehbaren Entwicklungen; darin Figuren, so differenziert wie ein Scherenschnitt. Dass Florian Burg es überhaupt schafft, diesem grobschlächtigen Theater-Machwerk so etwas wie Differenzierung, Dynamik und Witz zu entlocken, ist bemerkenswert. Gleiches gilt für die beiden Hauptdarsteller, die den reichlich eindimensionalen Rollenvorgaben zumindest die Ahnung einer Tiefenschärfe verleihen. Ehrlich amüsant ist Manfred-Paul Hänig in seiner Spiel-im-Spiel-Scharade als homophober, buckliger Monsignore. Susanne Weibler hat die Bühne gebaut, sich dabei auf ihr bewährtes Gespür für kluge Reduktion verlassen und damit alles richtig gemacht.

Und jetzt zur Sache: Handelte es sich hier um ein Stück zu einem unverfänglichen Thema, wäre die Inszenierung ein klassischer Fall von Aufwertung eines durchschnittlichen Stoffes durch ein fähiges Ensemble. Aber wenn es um die katholische Kirche der Gegenwart geht, bewegt man sich nicht in einem heiter-unverbindlichen Sujet, sondern in einem Minenfeld. Und in dieser Hinsicht hat die Inszenierung ein ganz massives Problem.

„Wenn Sie sehen, dass ein Kind misshandelt wird, wenden Sie sich an das Jugendamt. Das geht an die Würde des Menschen.“ Dass Sätze wie dieser gesprochen nicht als ironischer Bruch, sondern als naiver Sprechakt eines Priesters in einer Kanzel, unkommentiert Eingang in das Stück gefunden haben, grenzt an Hohn. Umso deutlicher, da die Inszenierung nicht zu irgendeinem Zeitpunkt auf die Bühne gebracht wird, sondern ziemlich genau zeitgleich mit dem bisherigen Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt der „Aufklärungsarbeit“ der katholischen Kirche zum Missbrauch Minderjähriger in den eigenen Reihen, die nicht erst seit der jüngsten Aufkündigung des Forschungsprojekts mit dem bisherigen Partner für die Betroffenen ein unentwegter Schlag ins Gesicht ist.

Dass einer Kirche, die kriminelle Pädophile in ihren Reihen duldet und schützt, mit einer zahmen Inszenierung auch noch eine unkritische öffentliche Plattform geboten wird, grenzt an Pflichtvergessenheit. Eine Aufgabe des Theaters ist die Kritik, nicht die Reproduktion gesellschaftlicher Missstände. Vollends zur Farce gerät das Projekt schließlich durch die Kooperation mit dem Generalvikariat des Bistums: Wenn ein autonomes Theater sich künstlerisch mit der Institution Kirche befasst, hat kein Vertreter dieser Kirche etwas im Entstehungsprozess verloren – selbst wenn das Ergebnis ein solch heiterer zahnloser Tiger sein sollte, wie es „Der Priestermacher“ ist. Die bloße Möglichkeit, dass Vertreter der Kirche ihr Placet erteilen, entwertet jedes inhaltliche Potenzial der Inszenierung bereits im Vorfeld. Ein Theater, das so willfährig seine Unabhängigkeit zur Disposition stellt, hängt seine Existenzberechtigung an einen seidenen Faden.

Weitere Aufführungen im Januar: Freitag, 25. Januar, und Sonntag, 27. Januar, jeweils um 20 Uhr.

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