„Klare Watsche für Trier“

Dass die Mainzer Landesregierung den Moselaufstieg und die Meulenwaldautobahn ablehnt, ist keine Neuigkeit. Schon in ihrem Koalitionsvertrag vereinbarten Sozialdemokraten und Grüne, auf beide Verkehrsprojekte verzichten zu wollen. Nun gaben sie den umstrittenen Vorhaben wohl endgültig den Rest: Weder die West- noch die Nordumfahrung Triers werden zum Bundesverkehrswegeplan 2015 angemeldet, teilten die Regierungspartner nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses mit. „Ein schwarzer Tag für Trier und Umgebung“ sei das, kommentierte der Landrat, die IHK spricht von einer „Watsche“ für die Moselstadt. Mit ihrem Beschluss kassiert Rot-Grün auch einen Beschluss des Trierer Stadtrats – und schafft Fakten, bevor das von Rot-Grün versprochene Verkehrskonzept für die Region vorliegt. Dabei hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) im Dezember vergangenen Jahres gegenüber 16vor erklärt, das dessen Aussagen für die Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans berücksichtigt würden.

MAINZ/TRIER. Am 7. Mai 2010 weilte Hendrik Hering (SPD) für etliche Stunden in Trier. Über wichtige Infrastrukturprojekte der Region informierte sich der damalige Mainzer Verkehrsminister und lud anschließend zu einer Pressekonferenz ins Rathaus. Dort überraschte Hering dann damit, dass er völlig überraschend die Themen West- und Nordumfahrung, auch bekannt als Moselaufstieg und Meulenwaldautobahn, wieder auf die Tagesordnung setzte. Um beide Vorhaben war es zuvor ruhig geworden, auch weil niemand eine Ahnung davon hatte, die die Millionenprojekte dereinst finanziert werden könnten. Eigentlich liege es jetzt nur noch an der Stadt, sich klar zu positionieren, verlangte Hering und ließ wissen: Wenn der Trierer Rat ein entsprechendes Votum abgebe, werde man „im Dialog mit der Region die mittelfristigen Entscheidungen für Prioritäten im Bundesverkehrswegeplan ab 2015 vorbereiten“.

Zwischenzeitlich sprach sich der Stadtrat zumindest für die Westumfahrung aus – gegen die Stimmen von SPD, Grünen und Linken und auch das Votum des Oberbürgermeisters. Klaus Jensen wandte sich im Juni 2011 entschieden dagegen, das Vorhaben weiterzuverfolgen, doch als Chef des Stadtrats muss er den mehrheitlich gefassten Beschluss gegenüber der Landesregierung vertreten. Eine delikate Situation, zumal nun Jensens Frau Malu Dreyer als Ministerpräsidentin in Mainz die Linie von Rot-Grün umsetzen muss. Und die ist unmissverständlich, nachdem der Koalitionsausschuss nun beschloss, weder West- noch Nordumfahrung für den Bundesverkehrswegeplan anzumelden.

In einer Erklärung der beiden Parteichefs Roger Lewentz (SPD) und Britta Steck (Grüne) sowie der Fraktionsvorsitzenden Hendrik Hering und Daniel Köbler heißt es, man habe nun die Weichen für „eine moderne Verkehrsinfrastruktur“ gestellt, „mit der Rheinland-Pfalz als Arbeits- und Wirtschaftsstandort attraktiv bleibt, mit Umwelt und Landschaft ressourcenschonend umgeht und die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger dauerhaft gewährleistet bleibt“.  Dabei würden die anzumeldenden Straßenbauprojekte gegenüber 2003 um die Hälfte reduziert, erklärten die Koalitionspartner. Gleichzeitig werde der Umfang beim Verkehrsträger Schiene „sehr deutlich gesteigert“.

So liege ein besonderer Schwerpunkt auf dem Ausbau des Nahverkehrs, insbesondere des Rheinland-Pfalz-Taktes, dessen Angebot um weitere 20 Prozent gesteigert werde. Bei den Anmeldungen für die Schienenwege soll unter anderem „die ertüchtigte Eifelbahn zwischen Trier und Köln“ auf der Prioritätenliste weit oben stehen. Für den Bundesverkehrswegeplan werde außerdem der weitere Bau der A 1 analog zu Nordrhein-Westfalen angemeldet. „Dabei müssen die Planungen im Einklang mit den gesetzlichen Auflagen des Natur- und Umweltschutzes erfolgen sowie die vom Bund im Zuge des Anmeldeverfahrens geforderte Netzbetrachtung berücksichtigen“, heißt es einschränkend.  In der Erklärung taucht die Region Trier noch zwei weitere Male auf – bei der Information, dass Mainz den Bau des Moselaufstiegs und der Meulenwaldautobahn nicht für den Bundesverkehrswegeplan anmelden werde, und mit Blick auf die Wasserstraßen des Landes; hier fordere man „bedarfsgerechte Schleusen“.

Was die Mainzer Koalitionspartner als „ausgewogenes verkehrspolitisches Konzept“ bezeichnen, stößt in der Region auf massive Kritik. So ließ die Reaktion der Industrie- und Handelskammer Trier nicht lange auf sich warten:  Zwar habe man mit Erleichterung aufgenommen, dass der A-1-Lückenschluss in der Eifel weiterverfolgt werden soll, „doch nach mehr als 40 Jahren Planung und Diskussion war diese Entscheidung längst überfällig, und es müssen jetzt schnell Taten folgen“, kommentierte Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier, am Dienstag die Mainzer Beschlüsse. Die Entscheidung der Koalitionspartner zur Nord- und Westumfahrung Triers stelle jedoch eine „klare Watsche für Trier dar, die wir nicht ohne weitere Diskussion hinnehmen“,  ergänzte IHK-Verkehrsexperte Wilfried Ebel.

Ohne das Aufzeigen einer erkennbaren Alternative werde hiermit „das tägliche Verkehrschaos im Oberzentrum besiegelt und Stadt und Umland die Hoffnung auf die zwei zentralen Chancen zur Verbesserung der Mobilität im Raum Trier genommen“. Zu der Verlagerung des Durchgangsverkehrs aus dem Konz-Saarburger-Raum fehlten realistische Alternativen. Dies gelte auch für den Wirtschaftsverkehr, beispielsweise von und zu den Industrie- und Gewerbegebieten im Trierer Süden, die wegen der mangelhaften Verkehrsanbindung zunehmend unter Leerständen litten. „Wir dürfen uns nicht dauerhaft der Gelegenheit berauben, dort wirtschaftliches Wachstum zu generieren“, so Glockauer.

Von einem „schwarzen Tag für Trier und Umgebung“ sprach Landrat Günther Schartz.  „Die rot-grüne Landesregierung hat die Stadt Trier und den Landkreis Trier-Saarburg in einer wichtigen Zukunftsfrage aufs Abstellgleis gestellt“, kommentierte der Christdemokrat in einer ersten Reaktion. Frontal ging Schartz, der im Herbst für eine Wiederwahl als Landrat kandidiert, Malu Dreyer an: „Das Land unter der Führung der aus Trier stammenden Ministerpräsidentin ignoriert damit konsequent die Verkehrsprognosen für den Raum Trier und beschwört einen absehbaren Verkehrskollaps geradezu herbei.“ Er vermisse in dem rot-grünen Kompromiss zudem Aussagen zur Reaktivierung der Trierer Westtrasse oder zum bereits in Aussicht gestellten Bau der 2. Spur der Biewertalbrücke. „Und wer über den Ausbau des ÖPNV als Alternative zum Individualverkehr redet, der muss auch endlich die hierfür nötigen finanziellen Mittel bereitstellen“, kritisierte Schartz mit Blick auf die anhaltenden Probleme bei der Finanzierung des Nahverkehrs in Eifel und Hunsrück.

Im Gespräch mit 16vor hatte Malu Dreyer im vergangenen Dezember erklärt: „Das Verkehrskonzept für die Region Trier hat eine hohe Priorität in der Landesregierung. Die Verkehrsbelastung in Stadt und Umland ist enorm, auch stellt die Region ein wichtiger Transit- und Verbindungsraum für die Großregion und Europa dar. Bereits in diesem Frühjahr 2013 wird die Verkehrsstudie vorliegen, so dass wir die Ergebnisse rechtzeitig für die Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans auswerten und berücksichtigen können.“ Mit ihren Beschlüssen ist die Mainzer Koalition dem Konzept nun offenbar zuvorgekommen, zumindest wurde dieses noch nicht öffentlich vorgestellt.

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