Kennen Sie … Triers Stadtmauer?

„Hergerichtet 1912 durch den Verschönerungsverein“: Wer sich den Roten Turm in der Südallee ganz genau anschaut, findet eingemeißelt in den Sandstein den Grund, warum dieser Turm der Stadtmauer noch so gut erhalten ist. Schon im letzten Jahrhundert gab es Privatleute, die sich der Denkmäler der Stadt Trier ehrenamtlich annahmen. Foto: Bettina LeuchtenbergAn diversen Stellen im Stadtbild Triers tauchen Stücke einer Stadtmauer auf – als klassische Mauer, mit einem Turm oder auch mit einem Durchgang. Die wenigen heute noch zu findenden Zeugnisse der bis in 19. Jahrhundert herein befestigten Stadt Trier stammen aus verschiedenen Jahrhunderten und umschließen mal das römische, mal das mittelalterliche oder auch das neuzeitliche Trier.

Als Trier im Jahre 16 vor Christus gegründet worden ist, siedelte sich auf dem östlichen Moselufer inmitten von landwirtschaftlich genutzter Fläche eine römische Stadt an, die vom Western her über eine hölzerne Brücke erreichbar war. Augusta Treverorum vergrößerte sich mit ihrem rechtwinkligen Straßennetz bis ins späte 2. Jahrhundert so weit, dass eine Befestigung notwendig wurde. Aus dieser Zeit ist die Porta Nigra als das beste erhaltene Stadttor des Römischen Reiches nördlich der Alpen weltweit bekannt. Die rund drei Meter breite und sechs Meter hohe römische Stadtmauer umschloss die Stadt allerspätestens im 4. Jahrhundert mit einer Länge von 6480 Metern. Durch fünf Tore konnten Besucher und Reisende in die Stadt mit mehreren zehntausend Einwohnern eintreten und von mindestens 45 Türmen aus konnte sie kontrolliert und verteidigt werden. Eindrucksvoll ist dies heute noch am römischen Stadtmodell im Rheinischen Landesmuseum nachzuvollziehen. Im Osten verlief die Mauer durch das Amphitheater, in dem auch ein Eingangstor zu finden war. Im Süden reichte die spätrömische Kaiserresidenz bis hin zur Porta Media, dem Pendant zur Porta Nigra. Diese lag im Bereich der heutigen Kreuzung Töpferstraße/Saarstraße.

Die massive Befestigung schaffte es jedoch nicht, dem Alemannensturm im Jahr 275 Einhalt zu gebieten. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts verließen die Römer Trier und in den folgenden Jahrzehnten wurde die Stadt mehrfach von Vandalen, Franken und Hunnen gestürmt. Eine Spur der Verwüstung hinterließen im späten 9. Jahrhundert die Wikinger. Inzwischen war das Stadtgebiet immer kleiner geworden, die römischen Baudenkmäler wurden als Steinbrüche genutzt. Nur wenige Mauerteile aus römischer Zeit sind heute noch zu finden, zum Beispiel am Schießgraben, an der Porta Nigra und dem Amphitheater sowie als Fundamente späterer Mauern.

Aus der einstigen größten Stadt nördlich der Alpen mit kosmopolitischem Flair wurde im Laufe der Jahrhunderte Kurtrier. Es war Erzbischof Bruno (1102-1124), welcher Trier wieder einen Stadtcharakter gab. Er beschloss, die Stadt rundum zu befestigen, wie es für Städte vor allem mit eigenem Stadtrecht charakteristisch war. Doch die Stadt war weitaus nicht mehr so groß und die neue Stadtmauer umschloss nur etwa die Hälfte des Stadtgebiets unter römischer Herrschaft. Während im Westen entlang der Mosel und im Norden der Verlauf gleich blieb, endete die Stadt im Osten bereits hinter dem Dombering. Im Süden verlief die Stadtmauer von den einbezogenen Resten der Kaiserthermen bis hin zur inzwischen steinernen Römerbrücke. Im Jahr 1248 wurde der letzte Bauabschnitt der Stadtmauer an den Barbarathermen errichtet und schloss die mittelalterliche Stadtfläche, die nun weniger als halb so groß wie 1000 Jahre zuvor war.

Die neue Mauer hatte insgesamt 60 Tore und Türme, nachvollziehbar ist dies zum Beispiel gut an der Kastilport in der Nähe des Landesmuseums. Entlang der Ostallee und der Schellenmauer finden sich diverse hochaufragende Türme mit Schießscharten. Von der Seite des Palastgartens aus lassen sich die Innenseiten der runden Türme entdecken. Einen Plan mit allen mittelalterlichen Wehrtürmen und Pforten hat 2005 Rainer Thelen veröffentlicht – ein perfekter Begleiter für einen Spaziergang rund um die Innenstadt in der grünen Lunge von Trier.

Die im Mittelalter nur noch 125 Hektar große Stadt war zwar gut geschützt, doch die Einwohnerzahl schrumpfte weiter stetig. Zur Hochzeit im 14. Jahrhundert zählte die Stadt bis zu 10.000 Personen, Ende des 17. Jahrhunderts waren es weniger als 4000. Dem Dreißgjährigen Krieg folgten Erbfolgekriege und die Stadt wurde von französischen Truppen eingenommen und besetzt. In den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts schleiften die Franzosen die Stadtmauer. Erst Jahrzehnte später wurde sie unter Kurfürst Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg in den Jahren 1716-1721 wieder aufgebaut.

Während Ende des 19. Jahrhunderts große Teile der mittelalterlichen Stadtmauer abgetragen wurde, blieb uns bis heute ein langes Stück fast von der Weberbach über die Kaiserthermen bis hin zum Mustor erhalten. Somit war der Exerzierplatz des Militärs, der sich dort befand, gut abgesperrt. Heute bieten die Durchgänge idyllische Einblicke in den Palastgarten. Foto: Bettina LeuchtenbergBis zum ausgehenden 19. Jahrhundert war diese Stadtmauer in Betrieb und prägte das Stadtbild, auch wenn sie mit zunehmendem Alter nicht mehr zur Verteidigung benötigt wurde. Schon 1777 wurde eine baumbestandene Allee rund um die Innenstadt angelegt und 1822 waren die Graben rund um die Stadt bereits zugeschüttet. Als dann im Jahr 1875 auch die preußische Mahl- und Schlachtsteuer abgeschafft wurde, die der Stadt für jedes hierher gelieferte Fleisch und Getreide Steuern brachte, hatte die Stadtmauer keinen Sinn und Zweck mehr zu erfüllen. Kurzerhand wurde beschlossen, die Stadtmauer komplett abzureißen und die Stadt zu den Vororten zu öffnen.

Das Projekt spaltete die Stadt in zwei Lager, so Karl-August Heise in seiner Publikation „Die alte Stadt und die neue Zeit“. Während die eher Konservativen auf einen Erhalt aus traditionellen Gründen pochten, sahen die Befürworter eines Abrisses darin die gelungene Überwindung eines Feudalsystems. Dennoch sollten ein paar der Türme erhalten bleiben, denn damit „ließe sich die charakterlose Monotonie“ der betroffenen Stadtteile beheben. Auch seien diese Reste der Stadtmauer ja Zeichen dafür, in einer Stadt und nicht im Dorf zu leben. Abgerissen wurden neben der Mauer selbst unter anderem das Simeonstor direkt neben der Porta Nigra oder auch das Neutor an der Neustraße. Gerettet werden konnten wenige Türme, darunter auch der rote Turm in der Südallee. Seine tiefe Lage lässt erahnen, wie hoch das Stadtniveau seit dem Mittelalter angewachsen ist und wie tief die Gräben Trier einst vor Eindringlingen geschützt haben.

Um die Ausgestaltung des grünen Rings hat sich in besonderem Maße der 1844 gegründete Verschönerungsverein eingesetzt. Der Privatgeistliche Richard Aloys Fischer vermachte diesem wenige Jahre später sein ganzes Vermögen. In vielfacher Art und Weise unterstützte der Verein die Stadt in kultur- und kunsthistorischen Maßnahmen und förderte vor allem auch „die schönen Anlagen der Stadt“, wie Gottfried Kentenich berichtet. Die letzte Tat des Vereins war die Wiederherstellung des Roten Turms in der Südallee. Aus Dank an den Financier steht einige Meter westlich ein Brunnen zu Ehren von Fischer, bei dem eine Putte hoch über dem nicht mehr genutzten Wasserbecken auf einem Delfin reitet und sicher einen hervorragenden Blick in den Alleenring genießt.

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